Kolumne "Wissenstransfer" : Potenziale ausschöpfen: Probieren geht über studieren

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Just have fun with it
Prof. Friedrich Bleicher

Quizfrage: Wann wurde der Treibhauseffekt entdeckt, also die isolierende Wirkung unserer Atmosphäre, einen Teil der einfallenden Wärmestrahlung nicht in den Weltraum zu reflektieren? Schwer zu glauben, aber wir feiern dieses Jahr den zweihundertsten Jahrestag dieser Erkenntnis! Die erstmalige Erklärung des atmosphärischen Treibhauseffektes im Jahr 1824 verdanken wir Monsieur Jean Babtiste Joseph Fourier (1768-1830). Seit dem Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten die von Fourier beschriebene unterbundene Konvektion der Erde beforscht und das heutige Verständnis der Treibhausgase fundamentiert.

Die wichtigsten Treibhausgase, die durch menschliche Aktivitäten freigesetzt werden, sind das Kohlendioxid (CO2), dessen Hauptquelle die Nutzung fossiler Brennstoffe ist, und Methan (CH4), welches insbesondere durch landwirtschaftliche Aktivitäten, der Abfallwirtschaft, aber auch durch Energieerzeugung und -nutzung sowie durch die Verbrennung von Biomasse freigesetzt wird. Distickstoffoxid (N2O) fällt hauptsächlich durch landwirtschaftliche Aktivitäten, wie den Einsatz von Düngemitteln an; fluorierte Gase (F-Gase) werden bei industriellen Prozessen zur Kühlung und bei einer Vielzahl von Konsumgütern verwendet.

Die Auswirkung auf den Treibhauseffekt sind aber sehr unterschiedlich. So zeigt Methan einen um den Faktor 21 bis 28 höheren Einfluss gegenüber Kohlendioxid, zerfällt aber in deutlich kürzerer Zeit. Wie auch immer, dies lädt natürlich gleich zu rechnerischen Überlegungen ein. Verschiedene Studien zeigen, dass eine Kuh pro Tag etwa 400 Gramm Methan – sagen wir – „emittiert“. Damit lässt sich ein jährlicher CO2-Äquivalent von ca. 3 Tonnen errechnen. Dies entspricht einem Mittelklasse-PKW mit einer jährlichen Kilometerleistung von 15.000 km.

Nach Daten des Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC sind Industrie und Energieerzeugung mit 58 Prozent der globalen greenhouse-gas-emissions jene Sektoren, die noch ein großes Potenzial zur Verbesserung unserer Klimasituation besitzen. So sieht der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. Fachverband Automation ZVEI ein Potenzial für die Reduktion der primären Energieproduktion durch die Industrie in der Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe von Maßnahmen zur Prozess- und Fertigungsautomatisierung bei 10-25 Prozent. Diese lassen sich in fünf wesentliche Bereiche unterteilen: die Optimierung der Produktionsprozesse, die Implementierung energieeffizienter Ausrüstung, die Nutzung der Möglichkeiten der vorausschauenden Produktionsplanung und Anlagenwartung, die Bedarfsoptimierung durch die Integration von Energieüberwachungssystemen und die Verringerung der Verschwendung durch Präzision.

Der technisch versierte Leser wird zu diesem Zeitpunkt vermuten, dass es sich hierbei um Maßnahmen handelt, die nur große Industriefirmen oder sogar nur Firmenkonglomerate leisten können. Weil nur diese durch erhebliche eigene Ressourcen in der Lage sind, solche Verbesserungsmaßnahmen umzusetzen.

„Au contraire, Monsieur!“

Eine Vielzahl an Technologieunternehmen – und hier insbesondere Startups mit einem neuen Zugang zur Nutzung und Integration modernster Technologien – können dabei schon einen echten Mehrwert auch für KMU liefern. Aber die Welle an verschiedenen neuen Technologien, verbunden mit der Beschleunigung der Veränderungsdynamik, ist für viele Manager kleinerer Unternehmen zu überwältigend.

An dieser Stelle hilft eine gute österreichische Tugend: „Schau´n wir mal, dann werden wir es schon sehen!“ Es sei nur erwähnt, dass sich das Management des ehemaligen finnischen Weltmarktführers für Mobiltelefonie, Nokia, wohl auch einmal auf Österreich-Urlaub befunden haben mag und sich ihre Innovationsstrategie mitgenommen hat. In einer unlängst abgehaltenen Podiumsdiskussion über „AI und Deep Tech for Business“ - veranstaltet von der American Chamber of Commerce Austria und der Technischen Universität Wien, Academy for Continuing Education – hat einer der Autoren die Diskussion, ob und wie weit solche Technologien Einsatz finden können und sollten, auf den Punkt gebracht: „Just have fun with it“.

Dabei zielt diese freundlich gemeinte Motivation für den Umgang mit den neuen Technologien ab, dass das Kosten/Nutzen-Verhältnis vieler dieser neuen Werkzeuge bereits zu einem Versuch-und-Irrtum-Ansatz (Trial-and-Error Approach) einlädt. Nehmen wir als ein Beispiel für die Energieverbrauchsreduktion eine kontinuierliche Verbrauchsoptimierung in einem Unternehmen an. Mehrere Technologieprovider bieten bereits digitale Energiemanager mit anspruchsvollen Algorithmen auf – und in manchen Fällen auch mit Unterstützung durch künstliche Intelligenz. Sie gibt es, die jungen österreichischen Unternehmen mit hochtalentierten Ingenieurinnen und Ingenieuren aus heimischen Akademieschmieden, die geniale Ideen für Optimierungssysteme zur Anwendung bringen. Ein hoher Automatisierungsgrad ist hierbei ein Umsetzungsschlüssel, zumal dann die Prozesse mit hoher Wiederholgenauigkeit umsetzbar sind. Damit ergibt sich eine Win-Win-Situation: höhere Emissionseffizienz bei höherer Automatisierung.

Just have fun with it!

Wissenstransfer: Eine Auswahl der bisher erschienenen Kolumnen