Elektrifizierung / Digitalisierung : Schneider Electric: "Es braucht offene Systeme"

Schneider Electric positioniert sich als Vorreiter bei der Nachhaltigkeit: Je größer der Konzern, desto eher der Vorwurf des Greenwashing. Wie ernst meint es Schneider Electric mit der Nachhaltigkeit?

Karl Sagmeister: Ich kenne keinen, der es ernster damit meint als Schneider Electric. Wir haben schon 2005 unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht herausgebracht. Das ist zu einem Großteil unserem damaligen CEO Jean-Pascal Tricoire zu verdanken, der erkannte, dass Nachhaltigkeit das Thema der Zukunft ist und das Unternehmen dementsprechend aufgestellt hat. Heute ist der Fokus auf Nachhaltigkeit auch ein echter Geschäftsvorteil.

Wie ist der Unterschied von echten Nachhaltigkeitsinitiativen zum Greenwashing?

Sagmeister: Der Kern ist es, offen und faktenbasiert zu kommunizieren. Das gilt auch für das Unternehmen als Ganzes: Wir haben klare Ziele definiert und legen quartalsweise offen, wie weit wir bei der Zielerreichung wirklich sind. Ein simples Beispiel: Andere Unternehmen machen Presseaussendungen, in denen sie sagen, dass sie die Fahrzeugflotte auf E-Autos umstellen. Wir sagen, wie viele E-Autos wir jetzt haben und wie viele wir bis wann haben wollen, das kann jeder nachprüfen.

Wie stellt sich der Geschäftsvorteil durch Ihren Nachhaltigkeitsfokus dar, von dem Sie anfangs gesprochen haben?

Sagmeister: Wir beschäftigen uns schon seit vielen Jahren mit den Emissionen der verschiedenen Scope-Dimensionen. Dadurch haben wir viel Wissen und Erfahrung gesammelt, womit wir auch unsere eigenen Produktionen und Supply Chains bereits massiv dekarbonisieren konnten. Diese Erfahrungen stützen sich auf messbare Werte und sind so Teil unseres ROI-Modells für Investitionen. Und das hebt uns am Markt ab: Wir haben viele eigene Use Cases, bei denen Kunden die Umsetzung und Vorteile selbst sehen können. Und unsere Kompetenz bieten wir unseren Kunden natürlich auch als Consulting an.Gerade KMUs nutzen das gerne, um einen Einstieg ins ESG-Reporting zu finden.

Schneider Electric Austria
Karl Sagmeister, Geschäftsführer Schneider Electric Österreich - © Schneider Electric Austria

An der Elektrifizierung führt kein Weg vorbei

Sie sind im Bereich der Elektrifizierung zu Hause: Die „all electric society“, von der häufig gesprochen wird – wird die kommen?

Sagmeister: Ja. Daran führt kein Weg vorbei. Es wird natürlich auch andere Energieformen geben, aber der Hauptträger wird die elektrische Energie sein.

Schneider Electric hat ein breites Portfolio im Bereich der Elektrifizierung: Wo sehen Sie die größten Wachstumschancen?

Sagmeister: Eine liegt sicherlich im Bereich der Datencenter. Das ist durch die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz getrieben, die neue Arten von Datencentern entstehen lässt. Aber auch hier gibt es Unterschiede: Die höchste Anforderung stellen Datencenter, in denen eine KI trainiert wird. Diese haben einen um etwa den Faktor 10 höheren Energiebedarf als ein klassisches Datencenter. Dafür sind gar nicht mehr so viele Flächen verfügbar, wobei es hier weniger um die Fläche an sich geht, sondern um die Netzkapazität, um die energetische Infrastruktur die an einem Ort verfügbar gemacht werden kann. Daher ist es auch so wichtig, die verfügbare Energie so effizient wie möglich zu nutzen, bis hin zur Nutzung der Abwärme.

Was ist mittelfristig der Wachstumsmarkt?

Sagmeister: Im Zuge der Elektrifizierung und Digitalisierung muss auch das Energienetz entsprechend ausgebaut werden. Der Netzbetreiber APG alleine möchte in den kommenden 10 Jahren neun Milliarden Euro in den Netzausbau investieren und schätzt den gesamten Investitionsbedarf auf 30 Milliarden Euro. Wir können hier alles abdecken, was den digitalen Netzausbau unterstützt – seien es die Niederspannungsebene, Schutz- und Leittechnik oder Mittelspannungsschaltanlagen.

Es braucht offene Systeme
Karl Sagmeister

Die Entkoppelung von Hard- und Software schafft die dringend benötigte Flexibilisierung

Kommen wir zur Automatisierungstechnik, was sind da für Sie die Zukunftsthemen?

Sagmeister: Ich sehe das als Teil der digitalen Transformation der Industrie, die auf drei Säulen beruht: dem Energiemangement, der klassischen Automatisierungstechnik sowie dem Thema Software. Betrachtet man diese Säulen gemeinsam und verbindet sie mit einem Ende-zu-Ende-Ansatz wie wir, kann man Lösungen für die industrielle Transformation aus einer Hand anbieten, die die Zukunft entscheidend mitbestimmen werden.

Sie haben die „Sofware-isierung“ angesprochen. Sind für Sie offene Standards da die Basis?

Sagmeister: Es braucht offene Systeme. Erst so wird eine Entkoppelung von Hard- und Software möglich, die in der Industrie dringend benötigte Flexibilität schafft - besonders in der Automatisierung. Daher sind wir auch Mitglied bei UniversalAutomation.Org und setzen auf das Modell dezentraler Steuerung nach IEC 61499 – die ihren Ursprung passenderweise auch in Österreich hat.

Software produziert eine Unmenge an Daten, für deren Nutzung zunehmend KI ins Spiel kommt. Wird das die Generallösung der Zukunft?

Sagmeister: Wir haben bereits KI-Anwendungen bei Schneider Electric im Einsatz, aber trotzdem denke ich, dass wir bei dem aktuellen Hype etwas aufpassen sollten. Nicht jede Automatisierungslösung wird KI benötigen. Es wird auch in Zukunft Anwendungen geben, die mit klassischer programmierter Software am besten funktionieren. KI hat seine Stärken dort, wo es viele Daten gibt. Wenn wir jetzt unbedingt versuchen, GPT-Anwendung für jeden Bäcker zu finden, ist das ein Irrweg. Denn auch hier gilt: Die Ressource Mensch ist endlich, es gibt nicht so viele Spezialisten, die das beherrschen und entwickeln können.

Was raten Sie Ihren Kunden in Sachen KI?

Sagmeister: Die Entwicklung einer eigenen KI-Strategie, das kann ich jedem nur ans Herz legen. Man muss sich vorher eine Governance überlegen. Ich muss wissen was ich erreichen will, wie ich mit meinen Daten umgehe, welche Bereiche vertraulich sind und keinesfalls nach außen gehen dürfen … und so weiter. Der Ansatz „tun wir halt mal“ ist sicher oft gut gemeint, aber beim Thema KI gibt es viel zu Bedenken – das fängt schon bei der Cybersecurity an.

Auch Lieferanten und Partner müssen die Sicherheit auf allen ebenen im Griff haben
Karl Sagmeister

Das OT-Umfeld ist besonders vulnerabel

Cybersecurity ist der letzte Punkt, den ich noch ansprechen möchte. Das sollte spätestens wegen der kommenden NIS2-Richtlnie im allgemeinen Bewusstsein sein. Ist das Thema bei allen Ihren Kunden angekommen?

Sagmeister: Das Thema ist natürlich höchst relevant. Gerade das klassische OT-Umfeld ist besonders vulnerabel. Hier up-to-date zu sein wird geschäftsentscheidend. Wir sehen in der NIS2 eine Festschreibung von Basics und da muss man in einer datengetriebenen Welt seine Hausaufgaben gemacht haben. Auch Lieferanten und Partner müssen da ihre Sicherheit auf allen Ebenen im Griff haben. Das gilt natürlich ebenfalls für die Cloud, auf der dann zum Beispiel Daten von Wechselrichtern von PV-Anlagen liegen und vor unbefugten Zugriffen geschützt sein müssen.

Ist das Bewusstsein für Cybersicherheit schon da?

Sagmeister: Bei vielen sicherlich schon, aber es gibt eben auch Ausnahmen. Etwa wenn ein KMU-Maschinenbauer Servicemodelle für seine in aller Welt laufenden Maschinen aufbauen möchte, das Konzept aber darauf beruht, dass jederzeit von Überall auf die Betriebsdaten zugegriffen werden kann. Aus Cybersecurity-Sicht ist die Zahl der möglichen Einfallstore damit quasi unendlich. Und wir können uns ausmalen, was das für ein KMU bedeuten würde. Wir können da wirklich nur zu Vorsicht mahnen.