Start-up aus Wien : Baubot setzt Roboter jetzt im Tunnelbau ein

Im besonderen Arbeitsumfeld Tunnel soll der Baubot MRS12 den Bauarbeitenden zur Hand gehen und zum Beispiel Geländer montieren. Ein spezieller Sicherheitslaserscanner soll dafür sorgen, dass der Roboter Hindernisse erkennt.

Im besonderen Arbeitsumfeld Tunnel soll der Baubot MRS12 den Bauarbeitenden zur Hand gehen und zum Beispiel Geländer montieren. Ein spezieller Sicherheitslaserscanner soll dafür sorgen, dass der Roboter Hindernisse erkennt.

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Immer mehr anstrengende manuelle Tätigkeiten werden von Robotern übernommen - zumindest in der Industrie. In der Bauwirtschaft sah das bisher anders aus. Vergleicht man den Innovationsgrad der Industrie mit dem im Bau, so zeigen sich große Unterschiede. Während selbst kleinere Industriebetriebe oft in umfassende Automatisierungslösungen investieren, geht es in der Baubranche meist noch „hemdsärmelig“ zu.

Ein Grund dafür ist, dass die kollaborierenden Roboter, die in der Industrie immer häufiger eingesetzt werden, nicht für den Einsatz am Bau konzipiert wurden. Denn hier sind Kraft und Beweglichkeit gefragt. Das erfordert ein entsprechendes Sicherheitskonzept, das am Bau schnell zum Hindernis werden kann.

Das Wiener Start-up Baubot hat sich auf solche Entwicklungen spezialisiert und bietet mit Robotern von Kuka und Sensorik von Sick integrierte Gesamtlösungen an, die den Anforderungen der Baubranche gerecht werden sollen. Die „Baubots“ sind mit Sicherheitsfunktionen ausgestattet, fortschrittliche Sensorik und Kollisionserkennungssysteme sollen einen sicheren Betrieb auch in dynamischer Umgebung gewährleisten.

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Drei Kernbereiche des Unternehmens

Victor Rodionov, COO von Baubot, erläutert die zentralen Aufgaben der neuen Bauroboter und die drei Kernbereiche des Unternehmens: „Der erste Bereich ist die Entwicklung und der Bau von kundenspezifischen Robotersystemen auf Basis unserer beiden Modelle MRS5 und MRS12. Der MRS5 ist etwas kleiner dimensioniert als der MRS12, hat einen kürzeren Roboterarm und verfügt über eine geringere Nutzlast. Die Aufgaben dieser ‚mechatronischen Kollegen‘ sind auf der Baustelle weit gefächert und reichen vom Bohren über das Schleifen und Polieren bis zum Schweißen oder Sprühen.“

Beim Baubot Modell MRS12 ist das Bohren von Löchern eine der Hauptaufgaben. Trainings oder Einschulungen soll der Roboter aufgrund seiner Programmierung nicht brauchen. Auch zusätzliche Inspektionen oder die Aufnahme von weiteren Protokollen vor Ort sollen dadurch redundant werden.

Kontrolle der Staubentwicklung

Der zweite Kernbereich von Baubot umfasst die Entwicklung von Software und Steuerungssystemen, die es den Robotern ermöglichen, automatisch einzelne Tätigkeiten zu verrichten. „Ein gutes Beispiel ist das Bohren. Das System verfügt über einen Endeffektor am Roboterarm – dieser allein reicht jedoch nicht. Hier braucht es zusätzlich entsprechende Softwarelösungen. Zudem gibt es technische Ergänzungen, zum Beispiel für die Kontrolle der Staubentwicklung, sodass der Staub direkt am Bohrloch abgesaugt wird", so Rodionov.

Der dritte Bereich bei Baubot ist die Anwendungssoftware, die als Gesamtlösung alle Prozesse umfasst. Das Baubot Planning and Simulation Environment (PSE) unterstützt beispielsweise die schnelle grafische Planung von Missionspositionen und Fahrwegen für das mobile Robotersystem in einer virtuellen Umgebung. Die Software importiert BIM-Dateien, Punktwolken, 3D-CAD-Dateien sowie 2D-Zeichnungen von Geländeplänen direkt in die 3D-Umgebung. Baubot PSE verfügt zudem über einen integrierten Postprozessor, der die virtuellen Simulationen in Missionsprogramme umwandelt, die speziell auf die Anforderungen vor Ort zugeschnitten sind.

Sicherheit am Bau

Baustellen gelten als gefährliches Umfeld. „Am Bau hat sich in den vergangenen 50 Jahren von den Abläufen her nicht wirklich viel verändert. In den meisten Bereichen kommen heute dieselben oder ähnliche Werkzeuge und Planungsmethoden wie vor einem halben Jahrhundert zum Einsatz. Das spiegelt auch die Gefahrenstatistik wider, die zeigt, dass jeder Mitarbeiter im Schnitt alle vier Tage einen Unfall hat. Das ist unglaublich, auch wenn es oft nur kleinere Verletzungen sind", erklärt Rodionov.

Die besonderen Sicherheitsanforderungen, die an Roboter gestellt werden, könnten seiner Meinung nach zu maßgeblichen Verbesserungen führen, da herkömmliche, manuelle Tätigkeiten im Alltag oft unzureichend abgesichert werden. "Zudem neigen wir Menschen dazu, im Laufe der Zeit ‚überselbstsicher‘ und somit nachlässig zu werden“, fährt er fort. Besonders interessant ist laut Rodionov, dass sich der „Sicherheitslevel“ aufgrund des Baubot-Einsatzes auf den Baustellen deutlich erhöht. „Das Safety Consulting der Sick-Experten hat auch für uns viele interessante Fragen und Themen aufgeworfen, die wir in die Entwicklung der Maschine einfließen haben lassen.“ Das hat die Lösungsfindung deutlich vereinfacht und das Ergebnis ist nun, dass eine Steuerung, mit einer integrierten Safety-CPU, sämtliche Arbeitsprozesse am Baubot steuert und überwacht.

Automatisierung vs. Autonomie

Ein gutes Beispiel für die Arbeit des Baubot MRS12 in einem Tunnel ist die Montage von Geländern. Bei einem Tunnel wie dem Koralmtunnel sind das 30 Kilometer pro Richtung. Jeden halben Meter müssen bis zu vier Löcher für die Halterungen gebohrt werden.

„Wir sprechen hier aber nicht von autonomer Arbeit der Maschine, die dann selbst Entscheidungen treffen müsste“, unterstreicht Rodionov. „Wir fokussieren uns auf die Automatisierung, denn wir dürfen die Maschine hier aufgrund gesetzlicher Vorschriften nicht alleine arbeiten lassen, brauchen also einen Mitarbeiter am Gerät. Dieser muss jedoch nicht mehr die herausfordernde Arbeit des Bohrens für 8 Stunden täglich übernehmen. Die Maschine macht die anstrengende Bohrarbeit und die Werker kümmern sich um den Installationsprozess“, erklärt der Baubot COO.

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Gefahrenquellen im Tunnelbau

Sick spielte als Experte für Maschinensicherheit und Robotik von Anfang an eine große Rolle. Dabei galt es, intensiv auf das besondere Umfeld einzugehen. Ingo Wegscheider, Regional Sales Manager bei Sick Österreich: „Unsere Experten haben mit den Entwicklern von Baubot gesprochen, um alle Gefahren rund um die Maschine auszuloten. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass im Tunnel oft eher unangenehme Arbeitsbedingungen herrschen – es ist staubig, feucht und schmutzig.“

Gefahrenquellen ergeben sich zum Beispiel aufgrund der Mobilität des Roboters, also durch seine Fahrbewegungen. Durch den Einsatz des Sicherheitslaserscanner microScan3 soll der Bauroboter erkennen, ob Hindernisse im Weg stehen bzw. liegen oder ein Arbeiter gestürzt ist. Die beiden Sicherheitslaserscanner können jeweils einen Bereich von rund 270 Grad absichern, heißt es – sie decken also zusammen das gesamte Umfeld ab.

Roboterarm als potentielle Gefahr

Eine weitere wesentliche Gefahrenquelle sind die Bewegungen des Roboterarms selbst, die einen Menschen schwer verletzten könnten. Im Tunnel gilt es, mit flexiblen Sicherheitsfeldern zu arbeiten, die an die jeweilige Tätigkeit und Funktion des Roboters laufend angepasst werden. Rodionov: „Wir haben auf der Baustelle unterschiedliche und sich immer wieder veränderte Umfeld- und Gefahrensituationen, die auch berücksichtigen, was der Roboter gerade macht. Beim Fahren, Ausrichten, Bohren gibt es unterschiedliche Sicherheitsanforderungen und entsprechend weiter oder enger gefasste Sicherheitsfelder. Sicherheit ist dabei immer oberstes Gebot, darf aber nicht zum Arbeitsverhinderer werden.“

Der Roboter muss erkennen, ob ein erfasstes Hindernis tatsächlich auch eines ist. So muss er zum Beispiel an eine Wand entsprechend nahe heranfahren. Selbstverständlich muss er auch immer die Position des Mitarbeiters berücksichtigen. Die Lasersensoren messen die Distanzen mittels Licht-Laufzeit-Messung.

Wegscheider: „In staubiger Umgebung sind herkömmliche optische Sensoren oft nicht die erste Wahl. Auch im Freien – zum Beispiel bei Regen oder Schneefall – erweisen sich Lasersensoren als äußerst zuverlässig. Typische Anwendungen im Baubereich sind etwa die Entfernungsmessung bei der Montage von Leitschienen oder bei Geländern von Brücken.“