Industrielle Kommunikation : Netzwerk-Kommunikation: Know-how-Zukauf oder DIY?
Ohne kommunikative Vernetzung ist Industrie 4.0 nicht denkbar. Die zu- nehmende Vernetzung nicht nur innerhalb derOT-Ebene, sondern auch zwischen OT- und IT-Ebene ist nur mit definierten Kommunikationsschnittstellen möglich. StandardisierteKommunikationsprotokolle wie Profinet, EtherCAT, EtherNet/IP auf OT-Ebene und OPC UA, MQTT oder TSN für die Kommunikation zwischen OT- und IT-Ebene ermöglichen den zuverlässigen und sicheren Datenaustausch und sind somit essenziell.
Die Marktanforderungen an Leistung, Sicherheit oder Performanz steigen. Daher müssen auch die standardisierten Protokolle permanent angepasst werden – und das in immer kürzeren Zeiträumen. Unternehmen, deren Kernkompetenz in der Entwicklung von Lösungen für Netzwerkkommunikation liegt, verfügen naturgemäß in diesem Bereich über breitgefächertes Knowhow, können Trends einschätzen und sind bei Veränderungen konsequent am Ball. Dieses Knowhow zu erwerben, kostet Zeit und Geld. Das fließt in den Preis einer Kommunikationsschnittstelle mit ein.Entwickelt ein Gerätehersteller die Kommunikationslösung selbst, sind diese Kosten oft nicht transparent.
Mit steigender Komplexität industrieller Kommunikation auf technischer und normativer Ebene steigen mittelfristig auch die Kosten für Entwicklung und Wartung einer Kommunikationslösung. Sie fallen deutlich mehr ins Gewicht als die reinen Komponentenkosten. Durch den Fachkräftemangel wird es zudem immer fraglicher, ob es sich auszahlt, eigenes Personal mit derEntwicklung von Lösungen zu betrauen, die außerhalb der Unternehmens-Kernkompetenzen liegen.
Überblick im Normen-Dschungel: Fokus auf Safety und Security
Normen sowie technische und gesetzliche Vorgaben bilden zusammen mit den Anwenderanforderungen die Grundlage für Kommunikationsstandards. Hier gibt es zahlreiche relevante Regularien, die sich immer wieder verändern und durch neue ergänzt werden. Relevant für die industrielle Kommunikation sind unter anderem: IEC62443, NIS2, der Cyber Resilience Act oder auch die neue EU-Maschinenverordnung.
Ein wesentliches Ziel aller Richtlinien besteht darin, Sicherheit zu gewährleisten. Gemeint ist da- mit Safety, also die funktionale Sicherheit, ebenso wie Security, der Schutz vor Cyberangriffen. Und die Forderung nach Sicherheit betrifft längst nicht mehr nur die klassischen KRITIS-Bereiche, sondern immer mehr Branchen.
In der neuen Fassung der Maschinenverordnung werden zum ersten Mal explizit Sicherheitsanfor- derungen für sogenannte mobile Maschinen festgelegt: Unter anderem ist eine Möglichkeit gefordert, diese über eine „Supervisor-Funktion“ von außen sicher abzuschalten und wieder zustarten. Es wird also eine kabellose Nothalt-Kommunikation benötigt. Das stellt Entwickler vor immense Herausforderungen.
Anstatt diesen Aufwand inhouse erledigen, ist es einfacher und mittelfristig kostengünstiger, die Aufgaben an erfahrene Dienstleister und Hersteller von Safety-Lösungen auszulagern. Sie wissen auch, welche technischen Anforderungen je nach Zielmarkt erfüllt sein müssen.
Vendor-Lock-in: Angst vor Kontrollverlust
Dass viele Unternehmen nach wie vor die passenden Kommunikationslösungen selbst entwickeln, wird unter anderem vom Unabhängigkeitsstreben getrieben. Man möchte nicht von einem externen Zulieferer abhängig sein. Abhängig hingegen bleibt man bei Eigenentwicklungen von Komponentenlieferanten. Kommunikationstechnik von externen Experten zuzukaufen ist aus mehreren Gründen sinnvoll. Die zunehmende Komplexität der Thematik erfordert Profis, die sich Vollzeit mit Technik und Normen auseinandersetzen. So entstehen zukunftssichere Produkte, die auf dem aktuellen Stand der Technik gehalten werden. „Security by Design“ lautet die Devise, die beispielsweise die Vorgaben aus der IEC 62443 im gesamten Designprozess im Blick hat. Auch sind Zertifizierungsprozesse mit Zukaufprodukten einfacher und risikofrei.
Dass es beim Zukauf keine versteckten Kosten gibt, ist ein weiterer Vorteil ebenso wie Skalierbar- keit und Flexibilität. Mit Lösungen vom Technologiepartner kann man je nach Projekt auf den Kommunikationsstandard und den Formfaktor zugreifen, die die jeweilige Lösung und der jeweilige Markt erfordern.
Viel schneller gelangt man so zu einem Proof-of-Concept. Mit recht geringem Aufwand lassen sich fertige Automatisierungsgeräte mit anderer Kommunikationsschnittstelle anbieten, um zu sehen, ob und wie sie vom Markt angenommen werden, oder durch Unterstützung weiterer Kommunikationsprotokolle neue Märkte erschließen.
Da Kommunikationsschnittstellen fertig entwickelt zur Verfügung stehen, ist die Time-to-Market deutlich verkürzt. Und letzten Endes werden mit dem Zukauf von Kommunikationsschnittstellen im eigenen Haus Entwicklungskapazitäten frei, die man für die Umsetzung der eigenen Kernkompetenzen bestens gebrauchen kann.