Gastbeitrag von David Jödicke : KMU stärken mit KI für vorausschauende Maschinenwartung

Business Upper Austria

V. l.: David Jödicke (SCCH), Georg Vorlaufer (AC2T), Theodorich Kopetzky (SCCH), Elmar Paireder (Business Upper Austria, Mechatronik-Cluster)

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Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Maschinenbau stehen bei der Wartung und Instandhaltung ihrer Maschinen und Anlagen vor zahlreichen Herausforderungen. Aufgrund begrenzter personeller und finanzieller Ressourcen wird oft der Instandhaltungsprozess von der notwendigen Routine zur erheblichen Belastung. Ungeplante Ausfälle und lange Stillstandzeiten führen zu hohen Kosten und Produktionsverzögerungen. Dies kann für KMU existenzbedrohend werden, da sie oft nicht über die finanziellen Polster verfügen, um solche Ausfälle schnell zu kompensieren. Im Gegensatz zu großen Unternehmen, die auf spezialisierte Instandhaltungsabteilungen zurückgreifen können, müssen KMU ihre Ressourcen oft auf mehrere Bereiche verteilen, was die Komplexität der Instandhaltungsprozesse erhöht.

Know-how ist gefragt

Zusätzlich mangelt es häufig an modernen, digitalen Lösungen, die eine vorausschauende Wartung ermöglichen. In vielen KMU fehlen nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch das notwendige Fachwissen, um diese Technologien effektiv zu nutzen. IoT-basierte Sensoren, die den Zustand von Maschinen kontinuierlich überwachen und in Echtzeit Daten liefern, oder datenbasierte Analyseverfahren, die Ausfälle vorhersagen können, sind oft teuer und benötigen zusätzliches Know-how, das in kleinen Unternehmen meist nicht vorhanden ist. Ohne den Einsatz solcher Technologien bleibt die Instandhaltung reaktiv, d. h. sie erfolgt erst nach Auftreten eines Problems.

Maschinen werden zudem immer spezialisierter und vernetzter, wodurch Fehlerquellen und Wartungsbedürfnisse komplexer werden. Diese steigende Komplexität erschwert es KMU, den Überblick zu behalten und rechtzeitig auf potenzielle Ausfälle zu reagieren. In diesem Zusammenhang wird die Instandhaltung zu einem zentralen Aspekt für die Aufrechterhaltung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit.

Chance für KMU

Der gezielte Einsatz moderner Technologien könnte jedoch die Effizienz der Wartungsprozesse steigern. Ein proaktiver Ansatz, der auf präventive und prädiktive Instandhaltung setzt, könnte nicht nur die Betriebsabläufe verbessern, sondern auch die Lebensdauer der Maschinen verlängern, Kosten senken und Ausfallzeiten minimieren. Für viele KMU wäre das eine Chance, ihre Produktionsprozesse nachhaltig zu optimieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

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Prädiktive Instandhaltung (PdM) zielt darauf ab, Wartungszeitpunkte in Produktionsumgebungen präzise vorherzusagen. Die Wartungszyklen umfassen sowohl die produktive Zeit der Maschinen als auch die Stillstandzeiten, die durch Inaktivität und tatsächliche Wartungsdauer entstehen. Das Besondere an PdM ist die Anwendung prädiktiver Modelle, die auf Basis aktueller Beobachtungen die verbleibende Restnutzungsdauer (Remaining Useful Lifetime, RUL) der Maschine vorhersagen. In Prozessen, die hohe Positionierungsgenauigkeit fordern (z. B. Laserschweißroboter), wird die Wartung oft vorsorglich und somit früher als notwendig durchgeführt, was jedoch die Verfügbarkeit von „Ablaufdaten“ für präzise Vorhersagen einschränkt.

Idealerweise arbeiten prädiktive Instandhalter mit umfangreichen Datensätzen, die eine Vielzahl an Messwerten und klar zuordenbaren Fehlfunktionen umfassen. So lässt sich das erstmalige Auftreten von Anomalien präzise vorhersagen. Unter diesen Bedingungen kann der Health Indicator als Feature genutzt und mit überwachten Lernverfahren für die Vorhersage trainiert werden.

Herausforderungen in der Praxis

In der Praxis gibt es jedoch Herausforderungen, die eine Anpassung des PdM-Workflows erfordern. Beispielsweise kann ein begrenzter Stichprobenumfang aus normal funktionierenden Prozessen die Modellbildung erschweren. Auch fehlende Zuordenbarkeit der Daten, etwa wenn das Ende des Wartungszyklus nicht bekannt ist, erfordert den Einsatz nicht-überwachter Lernverfahren. Zudem kann eine geringe Datenmenge aus anomalen Prozessen, wie bei frühzeitig abgebrochenen Messreihen, die RUL-Prognose erschweren und die Extrapolation von Gesundheitsindikatoren notwendig machen.

Die Wahl des Modells spielt ebenfalls eine große Rolle. Manche Modelle sind beispielsweise ideal für Interpolationen, aber nur begrenzt für Extrapolationen geeignet. Verliert man wertvolle Informationen über kritischen Verschleiß, kann die Genauigkeit der RUL-Prognose nur durch zusätzliche Features aufrechterhalten werden. Hier kommen physikalische Modelle wie das hier beschriebene ins Spiel, das präzise Vorhersagen von Verschleißprozessen ermöglicht.

Projekt IPMA

Das Projekt IPMAI (Interpretable Prescriptive Maintenance using Artificial Intelligence) führt eine neuartige, KI-basierte Wartungsstrategie für Maschinen mit Getrieben ein, die besonders für kleine und mittlere Unternehmen bedeutend ist. Die europäische Politik verfolgt das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu sichern, wobei Künstliche Intelligenz (KI) eine zentrale Rolle spielt. KI trägt entscheidend dazu bei, industrielle Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten, was auch ein zentrales Anliegen der oberösterreichischen Wirtschaft- und Forschungsstrategie #upperVision2030 sowie der Innovationsstrategie der Tschechischen Republik 2019-2030 ist.

IPMAI baut auf den Ergebnissen des Vorgängerprojekts PredMAIn auf und erweitert dessen Zielsetzungen. In einer Zeit, in der neue KI-Technologien wie ChatGPT (USA) und Aleph Alpha (Europa) den Markt prägen, befindet sich die Industrie in einem tiefgreifenden Umbruch. Für KMU im Maschinenbau bietet KI enormes Potenzial. IPMAI will dieses Potenzial für KMU nutzbar machen, um die regionale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Ein zentrales Element des Projekts ist die Erklärbarkeit von KI-Systemen. Damit die Akzeptanz von KI-Technologien bei Maschinenbedienern und Technikern gewährleistet ist, müssen diese Systeme nachvollziehbar und transparent sein. IPMAI stellt daher erklärbare KI in den Vordergrund.

Das Kickoff-Meeting im Februar 2024 markierte den Beginn des EU-Projekts „IPMAI“.

Getriebe im Fokus

Das Hauptziel von IPMAI ist, die Wartung von Maschinen mit Getrieben durch den Einsatz erklärbarer KI zu vereinfachen. Dies betrifft nicht nur die Wartungsbestimmung, sondern auch die Betriebsoptimierung. Ein innovativer Ansatz ist, das Getriebe als zentralen Verschleißindikator für alle von diesem Getriebe betriebenen Maschinenkomponenten zu nutzen. Bisher mussten alle einzelnen Maschinenkomponenten individuell überwacht werden. Mit dem IPMAI-Ansatz wird durch den Fokus auf das Getriebe jedoch eine frühzeitige Identifizierung von Wartungsbedarf an anderen Maschinenteilen (z. B. aufgrund hoher Reibung durch schlechte Schmierung) ermöglicht. Dies reduziert Reparaturen und verlängert den Lebenszyklus von Maschinen.

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Ein weiteres innovatives Merkmal von IPMAI ist die Integration von Cobots, die Aufgaben übernehmen, die für Menschen zu komplex oder anstrengend sind. Der Einsatz von KI zur Vorhersage und Optimierung von Wartungsmaßnahmen wird durch verständliche Erklärungen für Techniker und Maschinenbediener ergänzt. Dies erhöht die Akzeptanz und vereinfacht die Handhabung des Systems, was insbesondere vor dem Hintergrund des

Fachkräftemangels von Bedeutung ist. So wird die Akzeptanz von KI auch bei weniger spezialisierten Mitarbeitern sichergestellt. Durch die breite Anwendbarkeit des Systems und die präzise Erkennung von Verschleißprozessen anhand von Getriebe-Betriebsmustern bietet IPMAI einen entscheidenden Mehrwert für KMU.

Über IPMAI

IPMAI wird in Zusammenarbeit mit Unternehmen aus allen sechs Regionen des Interreg AT-CZ-Programms durchgeführt.

Das Projektkonsortium besteht aus folgenden Organisationen:

  • Software Competence Center Hagenberg GmbH (Leadpartner)
  • University of Applied Science Upper Austria, Research and Development GmbH
  • AC2T research GmbH
  • University of South Bohemia in České Budějovice
  • College of Polytechnics in Jihlava
  • Intemac Solutions, s.r.o.
  • CDP Center for Digital Production GmbH
  • Business Upper Austria – OÖ Wirtschaftsagentur GmbH
  • dataPartner s.r.o.

Förderprogramm: Interreg ATCZ 2021-2027

Projektzeitraum: 01/24-12/26