Interview: Markus Exenberger : „Die Mondlandung war im Vergleich dazu marginal“
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Derzeit werden immense Summen in die Forschung und Produktion von grünem Wasserstoff investiert. Reichen diese Investitionen aus, um die Energiewende zu schaffen?
Markus Exenberger: Der vor Kurzem veröffentlichte REPowerEU-Plan der Europäischen Union, der Investitionen von bis zu 300 Milliarden vorsieht, zeigt, dass die bestehenden Maßnahmen für die Förderung der Produktion von grünem Wasserstoff bei weitem nicht ausreichen, und deshalb werden die Maßnahmen jetzt verstärkt. Auch wenn wir die Situation sehr konservativ betrachten, hier geht es wirklich um gigantische Mengen an Wasserstoff, die wir benötigen. Die Mondlandung war im Vergleich dazu marginal. Laut der deutschen nationalen Wasserstoffstrategie soll alleine in Deutschland bis 2030 ein Wasserstoffbedarf von ca. 90 bis 110 TWh herrschen.
Kann man die Infrastruktur und Produktion in so kurzer Zeit dermaßen hochfahren?
Exenberger: Die Wasserstoffstrategie wird sicher noch einmal angepasst werden müssen, denn der Bedarf ist viel größer. Es gibt gewisse Industrien, die sich nicht elektrifizieren lassen, und da wird der Bedarf langfristig, auch in Hinblick auf die Klimaziele, nur über Wasserstoff gesättigt werden. Und die Frage der Umsetzung ist durch den Ukrainekrieg natürlich noch viel relevanter geworden.
Auf der anderen Seite, und da habe ich ein großes Vertrauen in die EU, hat man aus den Fehlern, die man mit Russland gemacht hat, hoffentlich gelernt.
Entscheidend wird ein schneller Aufbau der Infrastruktur sein. Sehen Sie durch den Ukrainekrieg eine Beschleunigung dieses Prozesses?
Exenberger: Wir brauchen unbedingt eine europäische Infrastruktur, um eine Verteilung sicherzustellen. Letztendlich auch, um das Molekül transportieren zu können, damit wir nicht mehr auf Derivate angewiesen sind. Die Lieferketten müssen jetzt ganz schnell aufgebaut werden, ob das Pipelines sind oder die Schifffahrt, wird man sehen. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass man die entsprechende Produktion zeitgleich auf den Weg bringt. Der größte Elektrolyseur in Deutschland schafft gerade mal 25 MWh – wir sprechen aber von Clustern, die im Gigawatt-Bereich produzieren. Wir haben also schon rein aus technologischer Sicht noch sehr große Hürden vor uns.
Grauer Wasserstoff, der mit fossilen Brennstoffen hergestellt wird, kostet pro Kilogramm deutlich weniger als der grüne Wasserstoff. Wie kann man verhindern, dass der Markt von unsauberem Wasserstoff überschwemmt wird?
Exenberger: Es gibt in dem Sinne ja noch keinen richtigen Markt für grünen Wasserstoff – es gibt in Wahrheit ein Marktversagen in diesem Bereich. Das ist auch die These, aus der H2Global entstanden ist. Wir haben durch die Volatilität im Bereich der fossilen Energieträger im Moment eine Situation, dass der grüne Ammoniak günstiger ist als der graue. Ich gehe aber tatsächlich davon aus, dass es am Anfang eine gewisse Preisdifferenz geben wird. Es wird aber irgendwann dazu kommen, dass sich der graue Energieträger weiter verteuert, weil er knapper wird und mit Abgaben belegt ist. Gleichzeitig wird der grüne Wasserstoff durch die Skalierung der Produktion und Regulierungsmaßnahmen günstiger. Ich vermute, dass wird in den nächsten vier Jahren stattfinden, vielleicht schon früher.
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Wenn man sich heute anschaut, wozu Ölprodukte eingesetzt werden, dann kann man sagen: Das alles kann man mit Wasserstoff 1:1 ersetzen.
Dieser Bedarf soll vorwiegend aus dem Ausland gedeckt werden – die deutsche Bundesregierung schätzt, dass 80 bis 90 Prozent des in Deutschland benötigten Wasserstoffs bis 2030 importiert werden müssen. Man will sich also von Russland unabhängig machen, begibt sich aber in die Abhängigkeit von Ländern wie Saudi- Arabien, wo die ersten Produktionsstätten schon gebaut werden?
Exenberger: Die Produktionsmöglichkeiten für grünen Wasserstoff sind viel diversifizierter als bei fossilen Energieträgern. Wenn Sie Saudi-Arabien ansprechen: Die sind nicht nur mit Öl und Gas gesegnet, sondern auch mit viel Sonne. Sie werden also sehr günstig grünen Wasserstoff produzieren können. Das ist natürlich ein großer strategischer Vorteil. Auf der anderen Seite, und da habe ich ein großes Vertrauen in die EU, hat man aus den Fehlern, die man mit Russland gemacht hat, hoffentlich gelernt. Man sollte sich also nicht wieder zu abhängig machen von wenigen Anbietern. Allerdings glaube ich, dass der Bedarf so groß sein wird, dass man um eine europäische Infrastruktur nicht herumkommen wird. Wir haben hier noch sehr großes Potenzial im Bereich von Solar- und Windenergie, das wir unbedingt ausschöpfen müssen.
Wie schätzen Sie das Potenzial von Frankreich ein? Anders als in Deutschland wird hier die Nuklearenergie weiter stark ausgebaut, die ja von der EU-Kommission seit Neuestem als „grün“ eingestuft wird …
Exenberger: Die französische Energieproduktion ist viel protektionistischer und auf Eigenständigkeit ausgelegt. Das ist auch einer der Gründe, wieso die Atomkraft da so eine große Rolle spielt. Für uns ist klar, dass wir auf grünen Wasserstoff setzen wollen, und da kommt Atomkraft nicht in Frage. Ich persönlich halte sie auch für viel zu teuer, wenn man sich die Folgekosten ansieht.
Wasserstofftechnik ist eine große Zeitverschwendung, sagt Tesla-CEO Elon Musk. Wenn man sich die Effizienz im Bereich Automotive anschaut, ergibt das Sinn. Eine Brennstoffzelle kann aktuell nur 40 Prozent des Wasserstoffs in elektrische Energie umwandeln. Autos mit Batterie liegen hingegen bei 80 Prozent. Verstehen Sie seine Kritik?
Exenberger: (lacht) Wenn es Elon Musk einmal schafft, eine Rakete in den Orbit zu schicken, die nicht mit Wasserstoff befüllt ist, dann können wir gerne darüber reden... Wenn man sich heute anschaut, wozu Ölprodukte eingesetzt werden, dann kann man sagen: Das alles kann man mit Wasserstoff 1:1 ersetzen. Angefangen bei der Kosmetik über Plastikprodukte bis hin zu Flugkraftstoffen. Deswegen ein klares Plädoyer von meiner Seite: Alles, was sich elektrifizieren lässt, sollte man auch elektrifizieren. Aber es gibt viele Bereiche, da wird man auch dauerhaft nicht ohne einen neuen grünen Energieträger auskommen.