Vom Schaltschrank zum Gesamtsystem

Geschäftsführerübergabe bei Rittal Österreich Mit Anfang April übernahm Ing. Marcus Schellerer die Geschäftsführung beim Systemanbieter Rittal vom langjährigen Österreich-GF Dipl.-Ing. Ruprecht Hattinger. Wir trafen beide um über die Verwandlung vom Schaltschrankhersteller zum Systemanbieter zu resümieren und über zukünftige Pläne zu sprechen. Schellerer, der bereits selbst seit 14 Jahren bei Rittal tätig ist, hat dabei konkrete Vorstellungen wie die Zukunft aussehen wird.

Herr Hattinger, 20 Jahre einem Unternehmen treu zu sein ist heutzutage sehr selten – wie sieht Ihr Resümee aus?

Dipl.-Ing. Ruprecht Hattinger: Ja, es sind 20 Jahre geworden und ich muss sagen, Rittal war die interessanteste Station in meinem Berufsleben. Ich habe das Unternehmen damals als Geschäftsführer mit 22 Mitarbeitern übernommen. Rittal setzte zum damaligen Zeitpunkt rund 160 Mio. Schilling um, was für Österreich eine sehr gute Marktposition bedeutete. Dabei war der Rittal »PS4000«-Schaltschrank der große »Hit«.

Meine Aufgabe war es, den Betrieb in eine schlagkräftige Organisation umzuformen, die Marktstrategien entwickelt und erfolgreich umsetzt.

Ich habe 1991 begonnen, über die Landesgrenzen von Österreich hinauszusehen. Das hat zunächst mit einigen Telefonaten in der Mittagspause nach Ungarn begonnen – ist später dann aber richtig in Arbeit ausgeartet. 1995 haben wir nach einer Vertretung bereits die erste Gesellschaft in Budapest (Rittal Kft) gegründet die zu einem Big Player in Ungern herangewachsen ist. Später folgten Gesellschaften in der Slowakei, Slowenien, Kroatien, Rumänien, Bulgarien und Griechenland. Das Österreich-Geschäft war aber immer das Mutterschiff.

Ich habe einige Jahre die Gesellschaft ohne Verkaufsleitung geführt, bis ich auf Herrn Schellerer gestoßen bin.

Ing. Marcus Schellerer, Geschäftsführer Rittal Österreich: 1996 wurden Herr Hattinger und ich handelseins. So konnte ich Herrn Hattinger in 70% seiner Dienstzeit als Verkaufsleiter unterstützen. Es war eine sehr lehrreiche aber auch kollegiale Zeit, in der wir uns immer wieder durch Gespräche und Ideen ergänzt haben.

Was zeichnet Rittal aus, bzw. wie hat man die wirtschaftlich anspruchsvollere jüngste Vergangenheit erlebt?

Hattinger: Rittal ist ein Unternehmen der besonderen Art. Rittal agiert weltweit und wurde im Laufe der Zeit zu einer Marke.

Natürlich haben wir die Auswirkungen der Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr zu spüren bekommen und daraufhin das Unternehmen an diese Gegebenheiten angepasst. Rittal ist sehr gut aufgestellt und hat gemeinsam mit dem Eigentümer eine völlig neue Strategie eingeschlagen mit der wir sehr erfolgreich in die Zukunft gehen werden.

Apropos Zukunft. Herr Schellerer, wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Schellerer: Es geht darum, die Marktposition von Rittal zu stärken und auf Wachstumskurs zu bringen. Dabei werden wir alle Kunden einbinden und unsere Vertriebswege nutzen – wo sicherlich auch der Großhandel dazuzählt – der ein wichtiger Vertriebspartner ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir für den Großhandel gute Produkte haben wie beispielsweise im Netzwerkbereich das »TE 7000«-Rack, die »QE Box« oder die »VerticalBox«.

Über dem allen steht aber letztendlich unser Leitspruch »Rittal - Das System«. Das bedeutet, dass Rittal ein umfangreiches Zubehörsystem hat, das auf die Kernprodukte abgestimmt ist. Dabei verfolgen wir die sogenannte Plattform-Strategie – dass das Premiumzubehör nicht nur in einen Schranktyp passt, sondern auch in sehr viele andere. Das ermöglicht unseren Kunden einfachere Planung, eine einfachere Warenwirtschaft und zu guter letzt eine sehr schnelle und hohe Verfügbarkeit beim Erstliefertermin. Im Rechenzentrumsbereich geht »Rittal - Das System « noch etwas weiter, da wir dort nicht nur das Schaltschrank-Thema beherrschen, sondern auch die Klimatisierung, USV, die physikalische Sicherheit und Stromverteilung bis hin zur Niederspannungshauptverteilanlage. Das geht soweit, dass unsere Kollegen bereits in der Planung mit ihrem Know-how ausgereifte Konzepte und Lösungen für unsere Kunden erstellen.

Hattinger: Das möchte ich ebenfalls unterstreichen. Wir sind natürlich auf unser Hauptprodukt, den Schaltschrank, sehr stolz, aber es hat sich ein tiefgreifender Wandel bei Rittal vollzogen. Rittal hat sich vom Lieferanten von Einzelkomponenten zum Anbieter von Gesamtkonzepten und Gesamtlösungen gewandelt. Das heißt, auch wenn höhere Anforderungen gestellt werden, ist Rittal mittlerweile dabei.

Wie ist die Resonanz am Markt auf den Gesamtlösungsanbieter Rittal?

Schellerer: Der klare Kundennutzen liegt natürlich darin, dass mit Rittal als Partner weitgehend alle Bedürfnisse mit nur einem Lieferanten abgedeckt werden können. Auf der Hannover Messe haben wir all das gezeigt und erstmalig auf einer Industriemesse ein Live-Data-Center betrieben. Wo wir wirklich alle Bereiche, von Strom, Kälte, Monitoring bis hin zu »RiZone« – das Steuerungs- und Überwachungstool für Rechenzentren – live im Betrieb vorgestellt haben. RiZone wurde in Zusammenarbeit mit Microsoft entwickelt, wobei Rittal ein »Gold zertifizierter« Partner von Microsoft ist.

Wichtig ist in Zukunft auch die Betrachtung des Menschen. Der persönliche Kontakt zu unseren Kunden ist uns sehr wichtig. Es wird immer Produktverkäufer bei Rittal geben und mit unserem Prinzip »One face to the customer« haben unsere Kunden genau einen persönlichen Ansprechpartner in allen Belangen.

Einzelkomponentenanbieter stehen derzeit unter großem Preisdruck – Systemanbieter hingegen weniger. Wie sieht Rittal diesem Aspekt entgegen?

Hattinger: Rittal zeichnet ja eine hohe Preiskonstanz aus. Wir haben uns aber nie auf irgendwelche Preisschlachten eingelassen. Mit unseren vier Säulen: • perfekte Produktion auf vollautomatischen Anlagen, • perfekte Kundenbetreuung, • hohe Innovation und • perfekte durchgängige Logistik hat Rittal eine Effizienz erreicht, die Marktbegleiter erst finden müssen. Nichts desto trotz sind wir aber flexibel. Wenn es um Großprojekte geht, können wir auch Muskeln zeigen. Wichtig ist, dass unsere Kunden wissen, was sie bei uns bekommen und was unsere Ware wert ist.

Ein aktuelles Thema – Elektromobilität. Ist die Rittal-Stromtankstelle eine von vielen oder etwas spezielles?

Schellerer: Wir haben sehr viel Erfahrung im Bereich von Gehäusen für den Außenbereich in Punkten wie Materialien oder Dichtheit. Es gibt zahlreiche unterschiedliche Ansätze, aber welche und wieviele dieser Systeme letztendlich nachhaltig bleiben, wird sich erst zeigen. Wir sind überzeugt davon, dass wir mit dem Systemgedanken wesentlich mehr bieten können, als beispielsweise ein rein metallverarbeitender Betrieb. Mit unseren strategischen Allianzen können wir darüber hinaus Komplettlösungen anbieten.

Bei der Smart hatten wir bereits das Thema Energieeffizienz angesprochen. Was hat sich seither auf diesem Sektor getan?

Schellerer: Auf der Smart haben wir unser klassisches »TopTherm«-Kühlgerät und ein energieeffizientes Kühlgerät präsentiert. Mittlerweile ist es unseren Ingenieuren gelungen, diese beiden Geräte zu verheiraten und das Ergebnis haben wir bereits auf der Hannover Messe präsentiert. Damit können wir ein energieeffizientes Klimagerät zum Preis von unserem klassischen Produkt anbieten. Das ist sicherlich ein großer Innovationssprung für unsere Maschinenbaukunden. Denn in der Maschinenbranche gewinnt das Thema energieeffiziente Maschinen immer mehr an Bedeutung.

Im Bereich Rechenzentren ist die modular skalierbare USV-Anlage besonders gefragt – Klimaleistung on demand – mitwachsend mit der Hardware. Energieeffizienz wird also durchaus vom Markt gefordert.

Herr Schellerer, wo sehen Sie Rittal in einem Jahr?

Schellerer: Umsatzmäßig sehe ich Rittal durchaus wieder mit einem zweistelligen Zuwachs und die interne Organisation werden wir an die Systemanforderungen ausrichten. Wachstum ist bei Rittal nach wie vor das Credo Nummer eins!

Herr Hattinger, wir wünschen alles Gute im wohlverdienten Ruhestand und Herrn Schellerer viel Erfolg bei der Umsetzung seiner Ziele!