Nicht heiß sondern »warm«

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ABB-Antriebstechnik bei der voestalpine Grobblech in Linz Man muss sich schon erst einmal mit dem Vokabular der Stahlbranche zurechtfinden um die Abläufe und Fertigungsverfahren zu verstehen. Wenn man aber einmal weis, dass eine »warme« Bramme ein ca. 900–1.200 Grad heißes, rund 30 Tonnen schweres, 1 m breites, 5 m langes und bis zu 27 cm hohes, glühendes Stahlstück ist, erkennt man die Dimensionen die für die voestalpine Grobblech der ganz normale Alltag sind.

Grobblech

Wie wird aber nun aus diesen Brammen Grobblech? Am Anfang werden die Brammen vom hauseigenen Stahlwerk kalt geliefert – und damit wird wirklich kalt gemeint. Dann kommen sie in einen Stoß- oder Tiefofen um sie zu erwärmen (erwärmen im Sinne von glühen). Von dort werden die Brammen ausgetragen, durch den Zunderwäscher und dann zum Drehrollgang gefahren wo sie 90° oder 180° gedreht und anschließend mit den weiteren Rollgängen zum Walzgerüst transportiert werden. Beim Walzvorgang werden die 1 m breiten, bis zu 5 m langen und 27 cm hohen Brammen dann auf bis zu 25 m Länge gewalzt. „Dass die Breite beim Walzvorgang konstant bleibt und wir dadurch weniger Ausschuss produzieren, ist ein Know-How, das wir durch stetige Anlagenoptimierungen erreicht haben“, erklärt uns Ing. Mario Feichtinger, TGA Anlagentechnik voestalpine Grobblech GmbH beim Rundgang durch die riesigen Hallen.

Rollgang

Die alten Antriebe, teilweise aus den Jahren 1958, waren nicht mehr zeitgemäß und mussten ersetzt werden. Die Umbauarbeiten umfassten die Rollgangsantriebe, den Hauptantrieb sowie den kompletten Antriebsstrang.

„Bei den Rollgängen handelt es sich nicht um herkömmliche Antriebe sondern um Hightorque-Antriebe mit speziellen Lastbedingungen. Dafür gibt es nur eine Handvoll Anbieter die dafür in Frage kommen“, sagt Feichtinger.

Im Jahr 2006 wurden bereits die ersten Rollgänge auf ABB-Motoren umgebaut und schließlich bis 2013 komplett auf ABB umgestellt.

„In der Vergangenheit hatten wir ein Gruppengetriebe, zwischen 4 und 6 Rollen auf einem Verteilgetriebe, und einem Motor. Wir wollten von den Verteilgetrieben weg da diese mechanisch immer fehleranfällig waren – wir wollten einen Direktantrieb: Motor, Welle, Rolle – ohne Zwischengetriebe“, so Feichtinger weiter.

Der aktuelle Rollgang ist so ausgelegt, dass eine Bramme, sollte sie gewölbt sein und nur auf zwei Rollen aufliegen, das halbe Gewicht der Bramme von 15 Tonnen mit einer Rolle transportiert werden kann. Dementsprechend wird auch das volle Moment benötigt und der Motor muss auch dafür dimensioniert und ausgelegt sein.

Eine besondere Herausforderung stellte der Drehrollgang dar. „Im Vorfeld haben wir diesbezüglich Versuche durchgeführt, wie viel Leistung wir aus dem bestehenden Rollgang herausholen können und sind zur Erkenntnis gekommen, dass wir für die jetzige Anwendung den bestehenden Rollgang nicht heranziehen konnten – die Leistung war zu gering. Schließlich haben wir uns für größere Module und die stärkeren Motoren von ABB entschieden.

Mittlerweile sind 29 Rollgangsmotoren »M3RP 400LA12« und 31 Drehrollgangsmotoren »M3RP 400LA8« von ABB bei voestalpine Grobblech im Einsatz.

Wechselrichter, Ein- Rückspeiseeinheiten

Der Erneuerungs- und Umrüstprozess bei der voestalpine Grobblech Walzanlage wird nun schon seit Längerem umgesetzt. Bereits im Jahr 2006 hat man begonnen »ACS800«-Frequenzumrichter von ABB in die Anlage zu integrieren. Die modulare Konfiguration der ABB-MultiDrives ermöglichte die Regelung von Applikationen mit mehreren Motoren in einem Leistungsbereich von 1,5–5.600 kW und Spannungen von 380 V–690 V. Damit konnte an eine einzelne Gleichrichtereinheit eine Gruppe parallel geschalteter Wechselrichtermodule angeschlossen werden, um den für die jeweilige Applikation benötigten Ausgangsstrom zu liefern.

Die Umrichter bei der voestalpine Grobblech sind für 610 kVA ausgelegt, um 1.000 A zur Verfügung zu stellen die teilweise benötigt werden. Des weiteren werden die ACS800-Frequenzumrichter auch für die Ein- Rückspeiseeinheit verwendet. Dabei wird beim Abbremsen der Bramme die dadurch entstehende Energie der Rollgänge in den Zwischenkreis zurückgespeist und zur Einstellung der Verschieber (Zentriervorrichtung) der Walzanlage wiederverwendet.

Auslaufrollgang

Im Jahr 2010 folgten zusätzlich »ACS850«-Frequenzumrichter die über einen integrierten Energiesparrechner, eine Modbus- und eine Umrichter-Umrichter-Verbindung, eine intelligente Benutzeroberfläche mit mehreren Assistenten, integrierte Sicherheitsfunktionen, modulare Hardware und Software sowie eine abnehmbare Memory Unit verfügen. Des Weiteren sind in den Geräten die High-Performance-Regelung Direct Torque Control (DTC) integriert. Die speziell für OEMs, Schaltschrankbauer und Systemintegratoren entwickelten ABB Industrial Drive-Frequenzumrichter sind für Maschinen und Anwendungen in der Industrie wie Extruder, Krane, Mischer, Pumpen und Lüfter im Leistungsbereich von 1,1 bis 500 kW mit Spannungen von 380 bis 500 V vorgesehen. Die voestalpine Grobblech steuert damit den Auslaufrollgang (nach der Walzanlage) an.

Drehrollgang

2013 kamen dann »ACS880«-Frequenzumrichter hinzu, die die innovative Nachfolgereihe der bewährten ACS800-er Generation darstellen und als leistungsstarke Frequenzumrichter für anspruchsvolle Anwendungen in nahezu allen Industriebereichen eingesetzt werden. Die voestalpine Grobblech steuert mit den ACS880 die Antriebe des Drehrollgangs. Die Frequenzumrichter sind sowohl für die Wandmontage, als Modul – bzw. in Schrankausführung von IP00 bis IP55 mit Leistungen von 0,55 kW bis 5.600 kW und Spannungen von 208 V bis 690 V lieferbar.

Der ACS880 baut auf der neuen Antriebsarchitektur von ABB auf. Bei ihr werden ein einheitliches Bedienpanel-Design, harmonisierte Parameter, universelles Zubehör und die gleichen PC-Tools verwendet.

Versorgung

Die benötigte Versorgungsspannung jedes Antriebs der Rollgänge beträgt 500 V.

„500 V sind heutzutage eher selten bis gar nicht mehr gebräuchlich. Allerdings wurden die 500-V-Motoren von ABB zur bestehenden Anlage hinzugefügt und an die alte Anlage angepasst – somit wurde diese Systematik beibehalten“, erklärt Feichtinger. Die 500 V werden von ABB Brilon »Resibloc« Transformatoren zur Verfügung gestellt, die 6.000 V auf 500 V transformieren.

Steuerung

Die Walzanlage der voestalpine Grobblech läuft über zwei verschiedene Steuerungen. Das bedeutet, dass auf jedem Umrichter zwei Bussysteme angeschlossen sind. Einmal das übergeordnete Leittsystem »X-Pact« und als zweites das »ZEM« (Zentrales Einschalt und Meldesystem) mit dem der Antrieb Aus- und Eingeschalten wird. „Wir gehen mit Profibus von beiden Steuerungen weg. Einmal von X-Pact mit Profibus auf Profibus zum Wechselrichter und vom ZEM gehen wir mit Profibus über diverse Umsetzer auf Modbus. Die ACS800 und die ACS880 können wir zweimal mit Profibus ansteuern“, erklärt Feichtinger.

Fazit

Um ein derart umfangreiches Projekt umzusetzen bedarf es einer ausgeklügelten und intensiven Zusammenarbeit zwischen Kunden und Lieferanten.

„Gemeinsam mit ABB haben wir in der Planungsphase das optimale Equipment ausgewählt. Vom geforderten Motor mit den entsprechenden Drehmomentleistungen und die entsprechende Speisung mit Wechselrichter, Ein- Rückspeiseeinheit sowie dem vorgesetzten Trafo“, ist Feichtinger mit der ABB-Lösung abschließend zufrieden.

„Die gute Zusammenarbeit mit der TGA Anlagentechnik der voestalpine Grobblech bei allen bisherigen Projekten zeigte sich vor allem durch die Kooperationsbereitschaft, die bei solch komplexen Anlagen in jedem Fall vorteilhaft ist, um bei Problemlösungen eine offene Prozessdarstellung und Abstimmung zu erreichen“, ergänzt Franz Reitinger, Industrieautomation und Antriebe ABB Linz.

Mittlerweile läuft die Anlage mit allen neuen ABB-Komponenten seit November 2013 einwandfrei und sorgt dafür, dass die »warmen« Brammen optimal gewalzt werden können.

Ihr Ansprechpartner für mehr Informationen

Franz ReitingerDiscrete Automation and MotionABB ÖsterreichTel.: +43 732/7650-6476__franz.reitinger@at.abb.com____www.abb.at__