Siemens : Mit Edge-Computing zur optimierten Ölförderung

Artificial-Lift-Systeme werden eingesetzt, um gegen Ende der Lebenszeit eines Ölfeldes noch entsprechende Erträge aus dem Boden zu holen. Die SIWELL Artificial Lift Suite von Siemens ist eine skalierbare, durchgängige IoT-Lösung zur Automatisierung und Optimierung dieser Artificial-Lift-Systemen. Herzstück des Systems ist die Simatic Nanobox, ein IPC der im Schaltschrank montiert wird und alle analytischen Prozesse inklusive Modellierung der Pumpe sowie der Verhältnisse in der Bohrung abbildet. Die Nanobox ist eine Entwicklung des Teams von Siemens Oil and Gas Österreich rund um Dr. Helmut Schnabl. Der Digitalisierungsexperte im Interview über die Stärken eines softwaregetriebenen Systems und die Optimierung von Erdölpumpen direkt im Feld.

Der Ölpreis hat sich derzeit bei knapp unter 80 Dollar eingependelt. Wie wirkt sich dieses Preisniveau auf die Investitionsbereitschaft der Öl- und Gasindustrie aus?

Dr. Helmut Schnabl: Wir beobachten, dass Unternehmen in der Erdölindustrie zunehmend wieder investieren. Die Branche stellt sich offensichtlich darauf ein, dass dieses Preisniveau mittelfristig nicht deutlich steigen wird. Um auch in Zukunft Gewinne zu schreiben, sind Investments unausweichlich. Im Vordergrund steht dabei die Effizienzsteigerung – unter anderem in der Erdölförderung. Genau hier setzt die von uns entwickelte SIWELL Artificial Lift Suite an. Sie ist eine softwaregetriebene, innovative Lösung zur Optimierung von Erdölpumpen. Dazu nutzt die SIWELL Artificial Lift Suite bereits vorhandene Hardware und Sensorik an den Bohrlöchern und verarbeitet die Daten mit analytischen Prozessen auf IoT-Devices aus dem Siemens Portfolio. Dieser industrielle Ansatz basiert auf Standardkomponenten, sowohl im Software- als auch Hardwarebereich, und ist daher äußerst wettbewerbsfähig. Die optimale Antwort auf die aktuelle

Situation am Markt!

Welche Rolle spielt Siemens Österreich bei dieser Entwicklung? Wie ist diese konkret aufgebaut?

Schnabl: Siemens Österreich hat in Zusammenarbeit mit Kollegen weltweit diese Komplettlösung zur Automatisierung von Erdölpumpen entwickelt. Sie ist modular aufgebaut und enthält alle Komponenten von der Energieversorgung, Automatisierung bis zur analytischen Software zum Betrieb der Pumpen. Herzstück der Lösung ist die Simatic Nanobox von Siemens, ein Edge-Computing-Device, das alle Sensordaten sowohl von der Bohrung als auch von den Pumpen in Echtzeit verarbeitet und den Betrieb entsprechend optimiert. Die Nanobox ist relativ klein, integriert einen vollwertigen IPC, greift auf die verbauten Sensoren zu und kann so direkt im Feld Berechnungen anstellen, die der Optimierung der Pumpen und somit der Ölförderung dienen. Wir modellieren aufgrund von unterschiedlichen Parametern wie Druck, Temperatur und Flow die Verhältnisse in der Bohrung, die mehrere 1.000 Meter tief sein kann, und können damit einen optimierten Betrieb sicherstellen.

Direkt am Bohrloch – heißt das, die Nanobox musste besonders explosionsgeschützt ausgeführt werden?

Schnabl: Nein, denn sie sitzt außerhalb der Ex-Zone im Schaltkasten. Die Sensoren, auf die sie zugreift, müssen natürlich Ex-Schutz-zertifiziert sein. Aber diese Hardware ist ja bereits vorhanden, wir schließen die Nanobox nur mehr daran an. Das System funktioniert eben nicht nur autonom, sondern lässt sich in ein größeres Ganzes eingliedern. Die Rohdaten des Bohrlochs werden vor Ort im IPC zwischengespeichert und können jederzeit abgerufen werden, um in die Steuerung und Optimierung des gesamten Ölfeldes eingebunden zu werden. Die von der Nanobox berechneten Werte werden ebenfalls in übergeordnete Systeme übertragen und können dort weiterverarbeitet werden.

Wie viele Bohrlöcher hat ein Ölfeld im Schnitt?

Schnabl: Das lässt sich so nicht sagen. Die Anzahl kann stark variieren – von unter hundert Bohrungen bis zu mehreren 1000 Bohrungen pro Ölfeld. Das ist allerdings für den Einsatz unseres Systems nicht relevant. Die Lösung ist hochgradig skalierbar und damit auf Ölfeldern jeder Größe einsetzbar. Das ist auch die besondere Stärke der SIWELL Artificial Lift Suite. Wir können damit ein Bohrloch im laufenden Betrieb optimieren und in eine „autonome Ölquelle“ verwandeln. D.h. die Förderung so weit wie möglich automatisieren sowie die Wartung maximal reduzieren. Das beinhaltet sowohl Methoden zu Predictive und Preventive Maintenance als auch die Einbindung von z.B. Videoanalysen oder Vibrations- und Akustiksensoren, um jederzeit einen detaillierten Überblick über die Verhältnisse im Feld zu erhalten.

Die Lösung ist erst seit Kurzem am Markt, wie sieht die Preisgestaltung aus?

Schnabl: Derzeit arbeiten wir an innovativen Pricing Modellen, wie etwa einem Pay-per-Use-Konzept. Dabei würden Kunden pro angeschlossener Ölquelle einen moderaten Fix-Betrag pro Monat entrichten.

An wen richten Sie sich mit SIWELL in erster Linie: An die konventionelle Ölförderung, an die Gasgewinnung oder gar an nicht-konventionelle Explorationsmethoden wie etwa Ölsanden?

Schnabl: Im Moment liegt unser Fokus auf der konventionellen Ölförderung. Unsere Lösung wird für praktisch alle Typen von Erdölpumpen verfügbar sein, seien es Pferdekopfpumpen, die an der Oberfläche arbeiten, oder sogenannte Electric Submersible Pumps, die in einigen 1.000 Metern Tiefe direkt im Bohrloch arbeiten. Gas wird in Kürze standardmäßig dazukommen, aber auch andere Fördermethoden lassen sich mit entsprechenden Adaptionen im Software-Modul abdecken, ohne dass ein großer Zusatzaufwand entsteht.

Wie groß ist das Kernteam in Österreich, das diese Lösung entwickelt hat?

Schnabl: Das Kernteam hier besteht aus einer Handvoll Experten. Es macht uns stolz, was wir da in Österreich erreicht haben. Unsere Stärke ist, dass wir im weltweiten Siemens-Verbund eingebettet sind und das System mit Kollegen aus aller Welt als interdisziplinäres, vernetztes Team weiterentwickeln.