FHTW verschränkt Forschung mit Praxis : Wie Unternehmen Quantentechnologie für sich nutzen können

FH Technikum Wien

Dr. Dr. Lukas Mairhofer, Senior Lecturer/Researcher an der FH Technikum Wien

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Können Sie kurz erklären, an wen sich das Seminar richtet und was man an einem Tag zu diesem Thema lernen kann?

Lukas Mairhofer: Natürlich kann man an einem Tag nicht ins Detail gehen, aber dieses Seminar richtet sich an Entscheidungsträger in Unternehmen. Quantentechnologien sind ein relevantes Thema für Techniker und Ingenieure, die diese Systeme bauen und warten. Aber noch wichtiger ist es, dass sich Unternehmen mit diesen Technologien auseinandersetzen. Wir möchten hier die für Innovation verantwortlichen Technologiemanager ansprechen und einen Blick in die Zukunft werfen.

Wie reif ist die Quantentechnologie für die Praxis?

Mairhofer: Es gibt zwei praxisnahe Felder im Bereich der Quantentechnologie: die Quantenkryptographie und das Quantencomputing. Die Quantenkryptographie ist bereits praxisreif und wird in verschiedenen Gebieten eingesetzt. Die European Quantum Communication Initiative fördert den Aufbau nationaler Quantenkryptographie-Netzwerke und investiert dafür große Geldmengen. In jedem europäischen EU-Staat ist das Ziel, die Fähigkeiten zum Austausch von Quantenschlüsseln zu erwerben und zu demonstrieren. Im nächsten Schritt sollen diese Länder dann miteinander vernetzt werden. Natürlich könnte man sagen, wir warten erst einmal ab, aber das ist keine gute Idee. Denn derzeit werden massenhaft Daten von verschiedenen Geheimdiensten und privaten Hackern abgegriffen, und diese Daten werden gesichert, um sie dann entschlüsseln zu können.

Welche Daten sind das? Werden diese im Dark Web gehandelt oder gibt es andere Motive?

Mairhofer: Seit Edward Snowden ist uns bekannt, dass die NSA quasi routinemäßig sämtlichen Internetverkehr abhört und speichert. Es ist anzunehmen, dass auch China ähnlich handelt. Krankenhäuser werden regelmäßig von Hackern attackiert. Die Bedrohung geht sowohl von Industriespionage als auch von Angriffen auf diplomatische Kommunikation oder Gesundheitsdaten aus.

Österreich ist in der Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Quanteninformation international führend.

Welche Anwendungen sehen Sie speziell für die Industrie, die derzeit möglich sind?

Mairhofer: Es gibt drei Bereiche, in denen Quantenalgorithmen bzw. Quantencomputer klassischen Computern wirklich überlegen sind: das Faktorisieren und Zerlegen von Primzahlen sowie komplexe Simulationen. Man wird in absehbarer Zukunft keine Taschenrechner bauen, die auf Quantencomputern basieren, da sie nicht nur Overkill sind, sondern auch weil Quantencomputer in vielen Bereichen nicht so leistungsfähig sind wie klassische Computer. Das ist jener Bereich, wo unsere derzeitigen Kryptographie-Standards brechen werden. Allerdings benötigen wir dafür noch wesentlich leistungsstärkere Quantencomputer. Die anderen beiden Felder umfassen die Suche in unorganisierten Datenbanken und Optimierungsaufgaben, bei denen wir ein sehr großes Potenzial sehen. Optimierungsaufgaben liegen vielen Problemen zugrunde, denen wir in der Industrie begegnen, zum Beispiel der Planung von Produktionsabläufen oder Routen von LKWs und Zügen in der Logistik. Wenn neuartige Materialien und Wirkstoffe entwickelt werden müssen, dann bewältigen wir Optimierungsaufgaben, wie das Berechnen von Molekülbindungen. Solche Optimierungsaufgaben sind typisch. Im FinTech-Bereich begegnen wir Optimierungsproblemen, wie bei der Optimierung von Portfolios oder der Risikooptimierung von Finanzprodukten. Wer sich jetzt damit auseinandersetzt, erlangt einen entscheidenden Vorteil auf dem Markt.

In Tirol und Wien gibt es einige Unternehmen, die sich mit Quantencomputing beschäftigen. Wie gut sind wir in Österreich, wenn es darum geht, die Ergebnisse aus der Forschung erfolgreich in die Praxis zu überführen?

Mairhofer: Österreich ist in der Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Quanteninformation international führend. Wir können uns problemlos mit Ländern wie den USA oder China messen und haben mit Anton Zeilinger seit 2022 einen verdienten Nobelpreisträger in diesem Bereich. Allerdings besteht nach wie vor eine Herausforderung darin, diese Grundlagenforschung in marktreife Technologie umzusetzen. In Wien gibt es mehrere Unternehmen, die erfolgreich versuchen, in enger Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen marktreife Technologie aus der Grundlagenforschung zu entwickeln. Es muss jedoch ehrlicherweise gesagt werden, dass es in ganz Europa und auch in Österreich erheblichen Nachholbedarf gibt, um das volle Potenzial auszuschöpfen und diesen Übergang effektiv zu bewerkstelligen.

Seminar: „Quantentechnologie – get quantum ready“

Das Praxisseminar beleuchtet die Themen Quantencomputing und Quantenkryptographie aus Sicht des Technologiemanagements: Was ist Hype, was ist der aktuelle Stand im Quantencomputing? Welche Chancen ergeben sich im eigenen Unternehmen und zu welchen Kosten? Was sind die Gefahren für Daten und Infrastruktur, welche Lösungsansätze gibt es?

12.10.2023, 9.00 – 17.00 Uhr, Fachhochschule Technikum Wien

Alle Informationen zu Ablauf und Anmeldung finden Sie unter: https://academy.technikum-wien...

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