OPC UA FX : Was bringt der neue Standard für die Feldebene?
Vom neuen Kommunikationsstandard OPC UA FX erwartet sich die Industrie in Sachen Prozess- als auch Fabrikautomatisierung viel – insbesondere die 5G-Unterstützung wird sehnsüchtig erwartet. Mit einer Multi-Vendor-Demo auf der SPS 2021 in Nürnberg wollte die OPC Foundation ihre Fortschritte in der Entwicklung der Erweiterung des offenen Kommunikationsstandards auf die Feldebene einer breiten Öffentlichkeit präsentieren. Doch die Pandemie sorgte für eine Absage. Trotzdem läuft die Entwicklung des neuen OPC UA FX Kandidaten weiterhin auf Hochtouren.
Im Herbst 2021 haben Sie den zweiten Release Candidate der OPC-UA-Spezifikationserweiterungen für die Feldebene fertiggestellt. Was ist in der Zwischenzeit passiert, was sind die nächsten Schritte?
Peter Lutz: Das Member Review des zweiten Release Candidates durch die über 850 Mitglieder der OPC Foundation ist zwischenzeitlich abgeschlossen und unsere Arbeitsgruppen arbeiten aktuell die Review-Kommentare in die Spezifikationen. Dabei fließen auch die Erfahrungen aus dem Prototyping und den Interoperabilitäts-Workshops ein.
OPC UA ist nicht für die Kommunikation auf der Feldebene entwickelt worden. Mit welchen Herausforderungen sind Sie bei der Erweiterung auf die FLC-Ebene konfrontiert gewesen?
Lutz: Die Rezeptur, um OPC UA fürs Feld zu ertüchtigen, ist auf den ersten Blick relativ einfach: Man nehme das bestehende Baukastensystem OPC UA mit den Basisdiensten (Client/Server und Pub/Sub), den Möglichkeiten zur Informationsmodellierung und semantischen Selbstbeschreibung, sowie den Security-Mechanismen und ergänze diese um die fehlenden Features und Mechanismen, die für die verschiedenartigen Use-Cases und Anwendungen in der Fabrik- und Prozessautomatisierung erforderlich sind. Was zunächst einfach klingt, ist in der Umsetzung jedoch nicht ganz so trivial. Denn einerseits ergibt es Sinn, sich an existierenden Kommunikationslösungen für die Feldebene zu orientieren und von den Erfahrungen von über 30 Jahren Feldbus zu profitieren. Andererseits ist es wichtig, sich von traditionellen Lösungs- und Denkansätzen zu lösen. Insbesondere gilt es, eine flexible und durchgängige Informationsbereitstellung vom Feld bis in die Cloud in alle Überlegungen miteinzubeziehen.
Welche neuen Anwendungsfälle sehen Sie durch OPC-UA-FX im Entstehen?
Lutz: Mit der ersten UAFX-Spezifikation wird erstmalig eine weltweit einheitliche, interoperable Schnittstelle für die horizontale (und mit TSN auch deterministische) Kommunikation zwischen Steuerungen – SPS, Motion Control, CNC, Robot Control, DCS – geschaffen, über die Prozessdaten (Echtzeitdaten, Safety-Daten, zyklische Daten) übertragen werden können und dies unabhängig davon, ob es sich um diskrete, stetige oder hybride Prozesse bzw. Anwendungen handelt. Damit wird ein neutraler, von allen großen Automatisierungsherstellern unterstützter Standard geschaffen, der die Flexibilität in der Produktion signifikant verbessert und mittels OPC UA over MQTT bis in die Cloud-Ebene skaliert. Mit der vertikalen Erweiterung von OPC UA bis in die Feldebene steht dann in einem zweiten Schritt eine einheitliche Lösung zur Verfügung, die alle relevanten Anwendungen in der industriellen Automatisierung – inklusive Motion, Safety, Realtime – abdeckt und gleichzeitig die vollständige Durchgängigkeit von der Feld- bis in die Cloud-Ebene gewährleistet. Damit wird dann das komplette Potential einer durchgängigen OPC UA-basierten Lösung ausgeschöpft. Es sind dann nämlich keine Protokoll- oder Datenkonvertierungen mehr erforderlich, um auf prozess- und produktionsrelevante Informationen zuzugreifen. Stattdessen kann über einen einheitlichen Kommunikationsstandard direkt auf die modellierten Informationen in den entsprechenden Geräten zugegriffen werden – und das sicher, herstellerübergreifend und zukunftssicher.
Auch die Unterstützung des Mobilfunkstandards 5G steht auf der Roadmap der OPC Foundation. Welche Vorteile hat 5G und wann soll die Unterstützung für 5G kommen?
Lutz: Mit 5G wird die Flexibilität in der Produktion und das Spektrum der Anwendungsfälle nochmals vergrößert. Besonders relevant für Anwendungen in der Automatisierungstechnik sind dabei die 5G-uRLLC (Ultra Reliable and Low Latency Communications) Funktionen, die im 3GPP Release 15 enthalten sind. Damit können zeitkritische Anwendungen umgesetzt werden, die minimale Latenzzeiten im Bereich von einer Millisekunde oder darunter benötigen und auf eine robuste, ausfallsichere Kommunikation angewiesen sind.
Vor dem Hintergrund der neuen technischen Möglichkeiten: Gibt es noch gute Gründe für das Festhalten an herkömmlichen Bussystemen?
Lutz: Natürlich werden herkömmliche Bussysteme nicht von heute auf morgen abgelöst. Dazu sind diese zu fest im Markt etabliert, insbesondere auch aufgrund der hohen Lebensdauer von Maschinen und Anlagen im Produktionsumfeld. Jedoch wird die Akzeptanz herkömmlicher Bussysteme mittel- bis langfristig zurückgehen. Eine wichtige Rolle bei der Migration hin zu einer einheitlichen OPC UA Kommunikationslösung spielt TSN. Durch die Möglichkeit, verschiedene Protokolle über eine gemeinsame Netzwerkinfrastruktur zu übertragen, ist eine schrittweise Migration hin zu OPC UA over TSN möglich. Mit diesem Ansatz können Barrieren aufgrund von inkompatiblen Protokollen und Profilen Zug um Zug abgebaut werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass OPC UA von allen großen Anbietern unterstützt wird, sodass die Anwender künftig in ihrer Entscheidung frei werden, welche Systeme und Komponenten sie einsetzen.