Die Geschichte hinter der Revolution : Vom Erfinder zum Unternehmer
Was ist die Geschichte hinter Selmo Technology? Wie haben Sie Ihre Gründungsidee gefunden?
Markus Gruber: Mir ist es in meiner langjährigen Tätigkeit als Programmierer und Automatisierer mit Projekten in aller Welt gelungen, einen Ansatz zu finden, wie mit einer einfachen Methode die Komplexität in der Programmierung verhindert werden kann. Deshalb bin ich mit 30 Jahren noch einmal zum Studium angetreten, um herauszufinden ob hierzu bereits geforscht wurde. Mir ging auf, dass es meine Idee in Denke noch nicht gibt. Es vergingen weitere 10 Jahre, bis ich den Mut hatte, eine Patentanmeldung zu machen. Auf dieser Basis habe ich mit einem kleinen Team Selmo entwickelt.
Haben Sie von Ihren Erfahrungen in aller Welt Eindrücke mitgenommen, die in die Gründung von Selmo Technology eingeflossen sind?
Gruber: Ich hatte die Möglichkeit, verschiedenste Facetten der Automatisierung kennenzulernen. In Indien zum Beispiel herrscht ein vollkommen anderes Mindset, es gibt eine große Offenheit gegenüber Neuem. In Österreich, aber auch Deutschland gibt es demgegenüber ein stärkeres Verharren und Beharren auf Strukturen. In den USA wiederum gibt es eine vollkommen andere Ausbildungsstruktur. Dort ist es keine Selbstverständlichkeit, dass die Mitarbeiter, die die Maschinen bedienen, einen entsprechend hohen Ausbildungsgrad haben. Das bedingt ein anderes Verständnis der Kollaboration zwischen Mensch und Maschine. Durch diese Erfahrungen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Maschine in erster Linie den Menschen unterstützen sollte und nicht umgekehrt. Deswegen habe ich mich der Idee verschrieben, Komplexität zu reduzieren, weil der Mensch im Mittelpunkt stehen soll.
Die Zukunft im europäischen Maschinenbau ist gefährdet, wenn wir nicht lernen, die entsprechende Kompetenz in der Software klar in den Vordergrund zu stellen.
In den letzten Jahren ist das Thema der Automatisierung und die Folgen für die Menschen durch die öffentliche Diskussion wie mit dem Philosophen Richard David Precht zu einem populären Thema geworden. Welche Auswirkungen sehen Sie für die Gesellschaft? Kommt hier ein großer Umbruch?
Gruber: Die Frage ist nicht mehr, ob es zu diesem Umbruch kommen wird: Wir sind schon mittendrin! Wir erleben täglich, dass die Digitalisierung größere Auswirkungen auf die Gesellschaft hat als die ersten drei industriellen Revolutionen zusammen. Ich bin ein großer Befürworter von Precht, wenn er sagt, die Digitalisierung sei nicht mehr wegzuleugnen. Der Maschinenbau wird sich dem stellen müssen. Die Zukunft im europäischen Maschinenbau ist gefährdet, wenn wir nicht lernen, die entsprechende Kompetenz in der Software klar in den Vordergrund zu stellen. Auch ich habe erlebt, dass sich hier nicht viel geändert hat: Wir machen SPS-Programmierung meist noch immer so wie vor 40 Jahren.
Wie kam es letztlich zur Gründung von Selmo Technology?
Gruber: 2018 wurde mir angeboten, im Rahmen eines akademischen Gründungszentrums in Graz eine Firma ins Leben zu rufen. Durch diesen Prozess musste ich erstmals meine Ideen auf Papier bringen. Damit habe ich angefangen, unternehmerisch zu denken. Vorher war ich – überspitzt gesagt – nur ein Erfinder. Ich wusste wie es funktioniert, aber plötzlich musste ich dieses Wissen auch anwenden. Das ist gelungen: Wir haben einen Algorithmus entwickelt, der aus einem Prozessmodell heraus ein Programm generiert. Anders als bei der manuellen, fehleranfälligen Programmierung definiert der Algorithmus alle erlaubten Maschinen-Zustände. Unerlaubte Zustände, also Fehler, haben so NULL Spielraum.
Was bedeutet das für die Anwender?
Gruber: Sie werden befähigt, Herausforderungen selbst zu lösen. Sie bekommen von uns ein Werkzeug in die Hand, das Komplexität reduziert und die Erfüllung von Aufgaben in der Automatisierung und im Maschinenbau einfacher und schneller macht.
Wir können in Österreich das erste Technologieunternehmen werden, das es zu einer Unicorn-Bewertung schaffen kann.
Diese Vereinfachung unterstützen Sie auch mit einem Ausbildungsprogramm. In der Selmo Academy werden Schulungen für alle Niveaus angeboten. Wie läuft das ab?
Gruber: Wir haben eine sehr niedrige Einstiegsschwelle. Jeder kann kostenlos an den Seminaren teilnehmen. Zukünftig werden wir unser Angebot auch sprachlich erweitern, damit Kunden aus aller Welt daran teilnehmen können. Die Akademie soll es Menschen ermöglichen, sich eine neue Lebensgrundlage zu schaffen, indem sie die einfache Programmierung erlernen. Wir bieten ein neues Betriebssystem, so wie es Windows im PC-Bereich getan hat. Davor gab zwar die Hardware von IBM, aber kein Betriebssystem, das alle bedienen können. Eine ähnliche Entwicklung sehen wir auch im Bereich der Maschinen – und uns als Enabler.
Ein Betriebssystem für alle Maschinen, warum fehlt das bisher am Markt?
Gruber: Meine Erfahrung ist, dass es nur wenige Anbieter in diesem Bereich gibt, die sich in der Maschine wohlfühlen. Die großen Hyperscaler, Microsoft, AWS und so weiter, sind stark im Zusammenpacken von Daten. Aber auf der Feldebene und in der Applikationsentwicklung gibt es kaum Angebote. Selbst ein umfassender Anbieter wie Siemens vernachlässigt dieses Thema.
Wie sind Ihre Erfahrungen als Jungunternehmer in Ihrer steirischen Heimat? Erleben Sie es als Wettbewerbsnachteil, nicht zum Beispiel im Silicon Valley zu sitzen, sondern in Europa, wo alles genau reguliert wird?
Gruber: Ich möchte ganz klar sagen: In Österreich gründen ist kein Spaß. Das beginnt beim Firmenbuch, wo man den Namen des neuen Unternehmens nicht so eintragen kann, wie man es sich überlegt hat. Außerdem sehe ich ein großes Problem, in Österreich Risikokapital zu finden. Was ich mir von den Förderstellen daher wünschen würde: Bitte im Zweifelsfall einfach fördern! Gerade aus Projekten, die nicht leicht zu verstehen sind, ergeben sich oft Innovationen. Trotzdem haben wir nach drei Jahren den Marktzutritt geschafft und sind im Gespräch mit globalen Playern. Es ist also möglich, wir können in Österreich das erste Technologieunternehmen werden, das es zu einer Unicorn-Bewertung schaffen kann. Ich gehe davon aus, dass wir als österreichisches Unternehmen für Österreich einen riesigen Mehrwert schaffen werden!