Kommentar von Jonathan Rutschinski : KI nachhaltig denken und machen

Vor wenigen Jahren haben wir noch von der Arbeitswelt 4.0 gesprochen: von der Schaffung einer nie da gewesene Handlungsfreiheit aufgrund der digital getriebenen Flexibilisierung von Arbeitsort und Arbeitszeit. Seitdem ist technisch viel passiert, so dass wir heute von der Arbeitswelt 5.0 sprechen müssen. Diese wird in einem sehr viel höheren Ausmaß von KI geprägt sein, also von intelligenter Assistenz, benutzeroptimierter Informationsbereitstellung und der Implementierung neuer KI-Technologien in fast allen Unternehmensbereichen. Diese Entwicklung geht neben einer hohen Dynamik auch mit einem erhöhten Energieverbrauch einher – etwa bei Training und Betrieb von Large-Language-Models, was nichts anderes ist als ressourcenintensive digitale Rechenoperationen.

Das macht es notwendig, den Wandel hin zu mehr KI nachhaltig zu gestalten. Nachhaltigkeit ist derweil ein Begriff, den wir im Zuge der Klimakrise fast schon inflationär benutzen, der aber auch ökologische, ökonomische sowie soziale Aspekte beinhaltet. Während ökologische Nachhaltigkeit den Schutz von Natur und Umwelt beschreibt, steht die ökonomische Nachhaltigkeit für die dauerhafte Sicherung unserer Wohlstandsgrundlage.

134 der 169 UN-Nachhaltigkeitsziele können indes von der Nutzung von KI profitieren, sofern Rebound-Effekte vermieden werden. Nur 59 können demgegenüber negativ durch KI-Nutzung beeinflusst werden, was vor allem durch den enormen Energieverbrauch zu erklären ist.

Jonathan Rutschinski, Projektmanagement Softwareprojekte bei Mircromata

Nachhaltigkeit durch Datenminimalismus

Der Einsatz von KI für Nachhaltigkeitszwecke ist vielfältig. KI kann zum Beispiel eingesetzt werden, um ökonomische und ökologische Zielsetzungen zu verknüpfen. Darunter fallen Themen wie Ressourcenverbrauch, Anlagenauslastung, Ausschussreduzierungen, Durchlaufzeiten, Wartungsprozesse und die Emissionsreduktion. Operativ umgesetzt wird das durch die Planung, Durchführung und Kontrolle KI-getriebener Maßnahmen zur Optimierung der geschäftsrelevanten Systeme – etwa in der Produktion oder im Dienstleistungssektor.

Der Einsatz von KI-as-a-Service kann also mehr Nachhaltigkeit ermöglichen – vorausgesetzt, dass das Ziel, für das sie eingesetzt wird, selbst nachhaltig ist. Das heißt auch, dass die durch die KI-Nutzung entstandene Suffizienz nicht an anderer Stelle wieder zunichte gemacht wird, indem dann dort mehr Energie und Ressourcen verbraucht werden, oder der Ressourcenverbrauch bei der KI-Nutzung höher ist als die Einsparung, die der von ihr optimierte Prozess überhaupt erzielen kann.

Eine oft unberücksichtigte aber essenzielle Ressource stellt die Datennutzung dar. Die Verarbeitung und Nutzung von Daten, z. B. beim Training der KI, ist erst dann effizient, wenn gut kuratierte und übersichtliche Datensätze bevorzugt genutzt werden. Ebenso sollten unnötig komplexe und damit energieaufwendige Modelle gemieden werden, wenn energie-effizientere Modelle ebenso gute Ergebnisse liefern. Viele Nutzungsfelder von KI lassen sich zudem mit klassischen Algorithmen ebenso gut bedienen.

Nachhaltigkeitskriterien und Anwendungsfelder

Für Unternehmen, die nicht selbst im Bereich der Softwareentwicklung tätig sind, kann es sinnvoll sein, auf extern bereitgestellte KI-Lösungen inklusive Labeling-Verfahren zurückzugreifen. Diese können cloudbasiert zur Verfügung gestellt werden und setzen weniger eigene Entwicklungsarbeit, Investitionen und Know-how voraus (KI-as-a-Service). Voraussetzung hierfür sind sichere IT-Strukturen im Unternehmen, hohe Datenschutzanforderungen und Vertrauen in den Dienstleister.

Ob eine Implementierung eigener KI-Modelle sinnvoll ist, gilt es anhand konkreter Nachhaltigkeitskriterien abzuwägen. So sollten der Energieverbrauch und die Einsparungspotentiale anhand von Effizienzmetriken analysiert werden: also die entstehenden CO2- und Treibhausgasemissionen, der indirekte Ressourcenverbrauch, das Innovationspotenzial. Auch Inklusion und Barrierefreiheit sind Effizienzkriterien und müssen berücksichtigt werden.

Die Anwendungsfelder von KI sind wie gesagt vielfältig und reichen von der Energie- und Ressourceneffizienz über die Entscheidungsunterstützung und die Qualitätssteigerung bis hin zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Steigerung von Teilhabe und Inklusion, letzteres ist auch im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit von Bedeutung.

Idee eines KI-Kodex

Wie lässt sich indes ein nachhaltiger, verantwortungsvoller und wertschöpfender Einsatz von KI im eigenen Unternehmen sicherstellen? Ein nützliches Rahmenkonzept ist das Erstellen eines KI-Kodex.

Gemeint ist damit die Definition und die Umsetzung klarer Leitlinien für den praktischen Umgang mit KI. Nicht nur, um die damit verbundenen Potentiale optimal zu nutzen. Sondern auch, um Sorgen und Risiken zu minimieren. Dabei sollten alle Mitarbeitenden einbezogen werden, um tragfähige und nachvollziehbare Guidelines zu entwickeln. Denn Leitlinien, die keine Akzeptanz in der Belegschaft und damit auch keine Anwendung finden, sind nutzlos. Denn egal, ob wir vorhandene KI-Modelle nutzen oder selbst welche entwickeln: Datenschutz und Datenminimalismus sollte nicht dem Zufall überlassen, wer Wert auf eine rechtssichere und nachhaltige Geschäftskultur legt. Gleiches gilt auch für die Potenziale und Anwendungsfälle von KI, die dann besonders wertschöpfend sind, wenn sie sachgerecht und zielgerichtet eingesetzt werden. Bei all dem kann ein KI-Kodex wichtige Orientierung bieten.