Datenhoheit : Katulu-Gründer Kühne-Schlinkert über den Einstieg in die KI

Sie bieten eine einfache Lösung an, um KI in der Industrie zu implementieren. Was sind die technischen Herausforderungen und Anforderungen für Unternehmen, um überhaupt in Sachen KI einsteigen zu können?

Michael Kühne-Schlinkert: Es gibt zunächst ein Grundproblem, beim Einsatz von KI in der Industrie: Die Unternehmen wollen ihre Daten nicht teilen. Das ist natürlich nicht nur auf die Industrie begrenzt. Aber wir sehen das vor allem bei Industrieunternehmen, deren USP ist, dass sie einen Prozess in Perfektion ausführen können. Das führt dazu, dass ganz viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, alleine ausreichend Daten zu generieren, um sinnvolle Optimierungen durchzuführen. Hinter diesem Problem stehen viele unterschiedliche Motive, wieso Daten nicht geteilt werden. Zum einen sind das rechtliche Bedenken, die personenbezogene Daten betreffen. Es gibt auch technische Herausforderungen, die man in der Regel auch lösen kann, aber hinter den Bedenken stehen wirtschaftliche Überlegungen. Und drittens sind die strategischen Gründe. Die Unternehmen wollen ihre Wettbewerbsstellung sichern und lehnen es ab, ihre Daten zu teilen. Und all diese Faktoren machen den Einsatz von KI in der Industrie unnötig schwer.

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Michael Kühne- Schlinkert ist Gründer und CEO von Katulu. - © Katulu
„Die Anforderungen für KI werden von den meisten sehr überschätzt“

In der Industrie gibt es ein Nebeneinander von Edge und Cloud. Aber die Unternehmen lehnen diese Anbindung an eine Cloud ab. Sehen Sie das auch so?

Kühne-Schlinkert: Absolut. Das ist auch der Punkt, der uns von diesen KI-Lösungs-Anbietern unterscheidet. Wir haben diese Erfahrungen aus unseren Projekten gemacht. Wir haben in der Industrie schon viele Projekte umgesetzt, wo genau das der Knackpunkt war – die Unternehmen fühlen sich damit einfach nicht wohl. Und deswegen verfolgen wir mit unserer Lösung den Ansatz, dass wir sagen, die Daten verbleiben im Unternehmen und müssen nicht geteilt werden. Stattdessen anonymisieren und verschlüsseln wir unsere Modelle und übertragen nur die Veränderungen. Wir verhindern dadurch, dass Rückschlüsse auf Prozesse oder gar Know-how möglich sind. Die Technologie, auf der unsere Lösung basiert, nennt sich Federated Learning oder auch dezentrale KI.

Mit welchen Use-Cases haben Sie zu tun? KI in der Industrie umfasst ja mittlerweile weit mehr als den Klassiker der Predictive Maintenance …

Kühne-Schlinkert: Das stimmt. Wir haben am Anfang sehr viel Predictive-Maintenance- Projekte gemacht. Inzwischen ist für uns das zentrale Thema die Qualität. Dabei unterscheiden wir zwei Fälle. Einerseits geht es darum, den Prozessablauf innerhalb eines Unternehmens zu optimieren. Wir ermöglichen, von anderen Unternehmen zu lernen, wodurch die Unternehmen Prozesse optimieren und dadurch eine höhere Qualität erzielen können. Andererseits geht es aber auch um das Optimieren von Wertschöpfungsketten, die sich über Unternehmen hinweg erstrecken. Bei einem mehrstufigen Fertigungsprozess erfolgen die Produktionsschritte in unterschiedlichen Unternehmen, und diese Schritte werden oft sehr isoliert betrachtet und optimiert. Damit hat man natürlich eine sehr starke Einschränkung. Mit unserem Konzept „Produce to Model“ kann ich als Zulieferer genau nach den Anforderungen, die sich aus der Verwendung bzw. Anwendung meines Bauteils im Endprodukt meines Abnehmers ergeben, produzieren. Dadurch habe ich eine ganz andere Möglichkeit, meinen Prozess anzupassen und die Qualität genau auszurichten.

Man kann schon mit geringen Datenmengen anfangen und sich mit externer Beratung schnell weiterentwickeln.

Wie groß ist das Optimierungspotenzial durch KI?

Kühne-Schlinkert: Das hängt natürlich vom Anwendungsfall ab. Das gängige Ziel ist es, dass man den Ausschuss reduziert und die Kosteneffizienz steigert. Da kann man mit KI eine Ausschuss-Reduktion von zehn Prozent erreichen, was sich dann aber auch auf den Materialbedarf positiv auswirkt. Grundsätzlich ist wichtig zu verstehen, dass man mit dezentraler KI deutlich höhere Optimierungen erreichen kann, weil man eine deutlich bessere Datenlage hat. Und das Ganze kann man in Bereiche bringen, wo man pro Maschine mehrere tausend Euro im Jahr einsparen kann.

KI kommt langsam auch im Mittelstand an. Was sind Ihre bisherigen Erfahrungen?

Kühne-Schlinkert: Meine Erfahrung ist, dass die Anforderungen von den meisten sehr überschätzt werden. Man kann schon mit geringen Datenmengen anfangen und sich mit externer Beratung schnell weiterentwickeln. Entscheidend ist, wie man das Ganze dann in ein Produkt bringt und skaliert. KI ist längst kein Neuland mehr, der entscheidende Punkt ist, dass man einfach starten muss, und die Erkenntnis, dass gewisse Problemstellungen nur gemeinsam mit anderen zu bewältigen sind.