Dieser Bedarf soll vorwiegend aus dem Ausland gedeckt werden – die deutsche Bundesregierung schätzt, dass 80 bis 90 Prozent des in Deutschland benötigten Wasserstoffs bis 2030 importiert werden müssen. Man will sich also von Russland unabhängig machen, begibt sich aber in die Abhängigkeit von Ländern wie Saudi- Arabien, wo die ersten Produktionsstätten schon gebaut werden?
Exenberger: Die Produktionsmöglichkeiten für grünen Wasserstoff sind viel diversifizierter als bei fossilen Energieträgern. Wenn Sie Saudi-Arabien ansprechen: Die sind nicht nur mit Öl und Gas gesegnet, sondern auch mit viel Sonne. Sie werden also sehr günstig grünen Wasserstoff produzieren können. Das ist natürlich ein großer strategischer Vorteil. Auf der anderen Seite, und da habe ich ein großes Vertrauen in die EU, hat man aus den Fehlern, die man mit Russland gemacht hat, hoffentlich gelernt. Man sollte sich also nicht wieder zu abhängig machen von wenigen Anbietern. Allerdings glaube ich, dass der Bedarf so groß sein wird, dass man um eine europäische Infrastruktur nicht herumkommen wird. Wir haben hier noch sehr großes Potenzial im Bereich von Solar- und Windenergie, das wir unbedingt ausschöpfen müssen.
Wie schätzen Sie das Potenzial von Frankreich ein? Anders als in Deutschland wird hier die Nuklearenergie weiter stark ausgebaut, die ja von der EU-Kommission seit Neuestem als „grün“ eingestuft wird …
Exenberger: Die französische Energieproduktion ist viel protektionistischer und auf Eigenständigkeit ausgelegt. Das ist auch einer der Gründe, wieso die Atomkraft da so eine große Rolle spielt. Für uns ist klar, dass wir auf grünen Wasserstoff setzen wollen, und da kommt Atomkraft nicht in Frage. Ich persönlich halte sie auch für viel zu teuer, wenn man sich die Folgekosten ansieht.
Wasserstofftechnik ist eine große Zeitverschwendung, sagt Tesla-CEO Elon Musk. Wenn man sich die Effizienz im Bereich Automotive anschaut, ergibt das Sinn. Eine Brennstoffzelle kann aktuell nur 40 Prozent des Wasserstoffs in elektrische Energie umwandeln. Autos mit Batterie liegen hingegen bei 80 Prozent. Verstehen Sie seine Kritik?
Exenberger: (lacht) Wenn es Elon Musk einmal schafft, eine Rakete in den Orbit zu schicken, die nicht mit Wasserstoff befüllt ist, dann können wir gerne darüber reden... Wenn man sich heute anschaut, wozu Ölprodukte eingesetzt werden, dann kann man sagen: Das alles kann man mit Wasserstoff 1:1 ersetzen. Angefangen bei der Kosmetik über Plastikprodukte bis hin zu Flugkraftstoffen. Deswegen ein klares Plädoyer von meiner Seite: Alles, was sich elektrifizieren lässt, sollte man auch elektrifizieren. Aber es gibt viele Bereiche, da wird man auch dauerhaft nicht ohne einen neuen grünen Energieträger auskommen.