Module Type Package : Der Schlüssel zu Modularität und Unabhängigkeit
Welche Herausforderungen sehen Sie generell bei der Automatisierung von Prozessanlagen und welche Rolle spielt dabei die modulare Produktion?
Bernhard Korten: Bei der Automatisierung von Prozessanlagen gibt es verschiedene Herausforderungen, wie die Integration diverser Steuerungssysteme, die Berücksichtigung regulatorischer Anforderungen und die Flexibilität bei der Anpassung an neue Prozesse oder Produkte. Die modulare Produktion kann hier eine wichtige Rolle spielen, da sie die Integration von vorgefertigten und getesteten Modulen ermöglicht und somit die Komplexität und den Zeitaufwand bei der Inbetriebnahme von Prozessanlagen reduziert. Zudem bietet die Modularisierung auch eine höhere Flexibilität und Anpassbarkeit an neue Anforderungen sowie eine verbesserte Qualitätskontrolle durch standardisierte Prozessabläufe. Genau hier kommt dann auch die Technologie von MTP (Module Type Package) zum Einsatz.
Was wird durch MTP ermöglicht?
Korten: Durch die Verwendung von MTP wird eine herstellerunabhängige Sprache etabliert, die es ermöglicht, dass jedes Gerät in der modularen Produktion diese Sprache spricht. Dies erleichtert die Integration verschiedener Systeme und ermöglicht einen universellen Standard, der von allen genutzt werden kann. Insbesondere in der Biotechnologie und im Prozessbereich, in dem Single-Use-Applikationen häufig eingesetzt werden und sich Prozesse schnell ändern können, ist die Möglichkeit, Module einfach neu anordnen und miteinander verbinden zu können, von großer Bedeutung. Mithilfe von MTP können Laboranten nun eigenständig und ohne Programmierkenntnisse diese Aufgaben bewältigen. Eine weitere Herausforderung bei der Modularisierung besteht in der digitalen Beschreibung der einzelnen Module. Diese kann mit MTP und der Softwareplattform zenon spielend leicht durch einfaches „Drag & Drop“ im übergeordneten Process Orchestration Layer (POL) gelöst werden, indem Module einfach zusammengefügt, neu angeordnet und miteinander verknüpft werden.
Ziel ist es, dass in Zukunft alle Geräte standardmäßig mit der MTP-Fähigkeit ausgeliefert werden. durch diese Fähigkeit können neue Geräte nahtlos in bestehende Systeme integriert werden, was Zeit und Kosten spart. Plug & Produce wird somit zur Realität.
Mit der Veröffentlichung von zenon 11 wurden ja ganz gezielt auch Branchen außerhalb der Prozessindustrie ins Auge gefasst. Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es in diesen Bereichen?
Korten: MTP kommt aus dem Life-Sciences- Bereich , wo immer mehr maßgeschneiderte Produkte in sehr kleinen Losgrößen hergestellt werden müssen. Ähnliche Herausforderungen sehen wir beispielsweise auch in der Lebensmittelindustrie. Nehmen wir zur Veranschaulichung den Brauprozess – hier geht es um ähnliche Anlagen und Prozesse, aber in einem viel größeren Maßstab. Wir stehen in Kontakt mit einigen bekannten Lebensmittel- und Getränkeherstellern und entwickeln neue Ideen. Der Ball ist definitiv ins Rollen gekommen. Wir arbeiten bereits seit 2015 mit dem MTP-Standard und sehen ein zunehmendes Interesse von großen Unternehmen, die abwarten, wie sich die Technologie entwickelt und wie sie von der Branche angenommen wird.
Mit MTP sollen die Produktionskosten um 40 Prozent gesenkt und die Entwicklungszeit halbiert werden. Wie kommt diese enorme Produktivitätssteigerung zustande?
Korten: Diese Werte stammen von NAMUR, dem internationalen Anwenderverband für Automatisierung und Digitalisierung der Prozessindustrie. Es ist wichtig anzumerken, dass auch die Flexibilität in der Produktion mit MTP um 80 Prozent gesteigert werden kann. Anlagenhersteller müssen normalerweise spezielle Abteilungen unterhalten, die es möglich machen, verschiedene Geräte miteinander kommunizieren zu lassen. Mit MTP fällt diese Notwendigkeit komplett weg. Ziel ist es, dass zukünftig alle Module MTP-fähig ausgeliefert werden, wodurch enorm viel Geld und Zeit gespart werden kann, um ein neues Gerät in das System einzubinden. Das bedeutet auch, dass man sich keine Gedanken mehr über verschiedene Protokolle machen muss, denn mit der MTP-Datei stehen alle relevanten Daten sofort zur Verfügung. Diese beinhalten historische Daten, Alarm- und Ereignisdaten und das bereits aufgesetzte HMI-Design. Somit können Prozesse einfach und schnell auf Knopfdruck gestartet werden.
Der Trend geht eindeutig in Richtung Plug-and-Produce und mit MTP sind wir auf dem richtigen Weg.
Was sind die Ziele der Kunden, die sich an Sie wenden?
Korten: Unsere Kunden haben in der Regel das Ziel, ihre Produktionsprozesse zu optimieren und effizienter zu gestalten. Wir unterstützen sie dabei, indem wir ihnen Lösungen anbieten, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Mit MTP bieten wir eine innovative Lösung an, die es unseren Kunden ermöglicht, ihre Modularisierungsprojekte erfolgreich umzusetzen und somit die Produktion zu verbessern. Der Trend geht eindeutig in Richtung Plug-and-Produce und mit MTP sind wir auf dem richtigen Weg. Unsere jahrelange Erfahrung und unser Knowhow im Bereich der Automatisierung sind ein großer Vorteil für unsere Kunden und ermöglichen es uns, ihnen maßgeschneiderte Lösungen zu bieten.
Wenn jemand auf Sie zukommt und ein Modularisierungsprojekt durchführen möchte, wie läuft dann eine solche klassische Integration in der Praxis ab?
Korten: Da die MTP-Norm noch in der Entwicklungsphase ist, gibt es derzeit viel Raum für Zusammenarbeit und Entwicklung von Anwendungsmöglichkeiten. Wir arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen, um gemeinsam Ideen zu entwickeln und Proof-of-Concepts durchzuführen. Unser MTP-Gateway ermöglicht eine einfache Umrüstung von Bestandsgeräten auf MTP, was eine kosteneffektive Option darstellt. In der Praxis ist es oft der Ausgangspunkt, da Bestandsgeräte nicht unbedingt entsorgt werden müssen, um mit dem neuen Standard arbeiten zu können. Mithilfe unserer umfassenden Erfahrung und innovativen Lösungen können wir unseren Kunden bei der nahtlosen Integration von MTP in ihre Produktionssysteme behilflich sein. Immer mehr Unternehmen erkennen die Vorteile von MTP und setzen auf diesen Standard, um ihre Produktion zu optimieren. Aber in Zukunft, wenn sich der Standard weiter etabliert, wird es natürlich so sein, dass diese Geräte schon MTP-ready ausgeliefert werden.
Und das Kernstück ist das MTP-File, eine XML-Datei mit Parametern, die automatisch erstellt wird …
Korten: Genau, da es sich um eine sehr umfangreiche Datei handelt, haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir unseren Kunden die Bearbeitung erleichtern können. Daher haben wir die MTP-Suite entwickelt, die unter anderem den MTP-Editor beinhaltet. Dieser Editor beinhaltet eine benutzerfreundliche Bedienoberfläche, mit welcher Kunden ihre MTP Datei auf einfache Weise erstellen können. Es können Funktionen wie die Kommunikation, die Archivwerte und Dienste definiert werden. Die Konfiguration liegt somit vollständig in den Händen des Endanwenders und ermöglicht eine einfache Anpassung der Module an die individuellen Anforderungen des Kunden.
So modularisiert Merck seine Prozessentwicklung
In der chemischen und pharmazeutischen Industrie werden die Produktlebenszyklen immer kürzer. Für die einfache Erstellung und Änderung von Anlagenkonfigurationen und das schnelle Upscaling vom Labor in die Produktion suchte Merck daher eine neue Lösung. Mit zenon ist es dem Unternehmen gelungen, die Modularisierung nach dem MTP-Standard in einem übergeordneten Process Orchestration Layer (POL) zu realisieren. Die Time-to-Market wird durch den flexiblen Einsatz der Module deutlich beschleunigt.
Die Highlights im Überblick:
Beschleunigung der Time-to-Market • Kosteneinsparung durch schnellere Entwicklungszeiten • Flexible Anlagenkonfiguration mittels Orchestrierung • Hohe Reproduzierbarkeit von Versuchsaufbauten • Schnelles Upscaling vom Labor bis zur Produktion • Laboranten benötigen keine Programmierfähigkeiten