Von der Anlage in die Cloud : Daten verfügbar machen ist keine rein technische Angelegenheit

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Jan Metzner, Specialist Solutions Architect for Manufacturing bei AWS

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Seit 2006 gibt es Amazon Web Services, laut Marktanalysen derzeit die globale Nummer 1 bei den Cloud-Service-Providern. Diese Einschätzung bezweifelt kaum jemand, was angesichts eines für 2022 prognostizierten Jahresumsatzes von 82 Mrd. US-Dollar auch nachvollziehbar ist. Doch während sich AWS, seit 2020 auch in Österreich mit einem eigenen Büro vertreten, anfänglich vor allem mit Infrastruktur für IT-Cloud-Lösungen einen Namen gemacht hat, ist in den letzten Jahren die Dienstleistung für den produzierenden Bereich immer stärker in den Vordergrund gerückt. Ein Meilenstein dabei war die Initiative „AWS for Industrials“, die im Dezember 2020 vorgestellt wurde, und mit der der Fokus auf OT statt wie bisher IT manifest wurde. Seither bringt AWS mit hoher Geschwindigkeit neue Dienste für die produzierende Industrie auf den Markt. Für Jan Metzner, Specialist Solutions Architect for Manufacturing bei AWS, ist das eine logische Entwicklung: „Der Industriebereicht hatte auch davor schon einen hohen Stellenwert bei uns. Durch langjährige Partnerschaften mit Unternehmen wie beispielsweise Siemens haben wir auch viel Know-how in der Industrieautomatisierung gesammelt. Um unsere Kunden aus dem produzierenden Bereich noch besser unterstützen zu können, haben wir AWS for Industrial ins Leben gerufen – hier finden Kunden alles rund um die AWS Cloud, das für den Bereich Industrie von Bedeutung ist.“ Denn die Industrieproduktion steht für ihn vor der großen Herausforderung, „Digital Manufacturing“ als durchgängigen Prozess zu implementieren – technische, aber auch organisatorische.

Es kann nicht jeder produzierende Betrieb einen eigenen Data Scientist anstellen.

Zuerst die Verfügbarkeit, dann die Datenlösung

„Digital Manufacturing bedeutet für uns, eine digitale Nachvollziehbarkeit vom Design des Produkts über seine Herstellung bis zur Benutzung sicher zu stellen“, definiert Metzner die grundlegende Stoßrichtung. Dazu müssen IT- und OT-Systeme miteinander in enge Kommunikation treten, doch das tun sie bekanntlich noch nicht reibungslos – auf keiner Ebene, das weiß auch Metzner: „Wenn wir heute Daten aus verschiedenen Quellen entlang der Produktionskette durchgängig verfügbar machen wollen, ist das keine rein technische Angelegenheit.“ Das beginnt schon bei der Zusammenstellung der Teams aus IT und OT, bei der die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen berücksichtigt werden müssen. In der OT gibt es beispielsweise Sicherheitsanforderungen, die ganz anders sind als in der IT. Eine weitere Herausforderung ist die Sicherstellung von Anlagenverfügbarkeit. Metzner: „Wir müssen bei der Vernetzung von bestehenden Maschinen vorsichtig sein und dürfen die SPS, die zum Teil seit Jahrzehnten im Einsatz ist, nicht überfordern.“ Daher gilt zuallererst sicherzustellen, dass die Maschine rund läuft, etwa mittels zusätzlicher Sensorik und Predictive Maintainance. Erst dann ist an eine Anbindung an eine Datenlösung und die Auswertung der Daten zu denken.

Wir müssen bei der Vernetzung von bestehenden Maschinen vorsichtig sein.

Über 200 Cloud-Dienste

„Wenn wir Daten zur Analyse in die Cloud bringen, darf das nicht über öffentlich einsehbare oder gar ungesicherte Verbindungen gehen“, räumt Metzner mit dem größten Sicherheitsbedenken auf. Ganz im Gegenteil, an bestehenden Maschinen mit öffentlichen IP-Adressen herumzuspielen hält er für gefährlich. Die Lösung ist so einfach wie bekannt: Gateways, die nur auf die entsprechenden Daten zugreifen und diese über sichere Leitungen in die Cloud bringen. Und hier spielt dann AWS seine Kernkompetenz aus – die Bereitstellung von Cloud-basierten Services auf Basis der so gewonnen Daten. „Wir sind als Anbieter für die Services da“, betont Jan Metzner, „doch wir arbeiten auf dem Weg dorthin mit lokalen Partnern zusammen.“ Das bedeutet, dass Industrieunternehmen nicht immer direkt eine Geschäftsverbindung mit AWS eingehen, sondern für sie maßgeschneiderte Prozesse mit einem Partner entwickeln, und so zu Ergebnissen kommen, ohne gleich alles verändern zu müssen. Ein Beispiel ist etwa die Nutzung von Machine-Learning-Tools, die von AWS angeboten werden. „Es kann nicht jeder produzierende Betrieb einen eigenen Data Scientist anstellen und Know-how zu ML entwickeln“, sagt Metzner. Doch auf diesem Weg können Qualitätsanforderungen einer Anlage anhand echter Daten in der Cloud analysiert und die Prozesse trainiert werden, die dann an der Maschine ausgeführt werden. Oder, anders gesagt: „Die Produktion kann mit unserer Hilfe Machine Learning nutzen, ohne Machine Learning-Fähigkeiten im Unternehmen aufbauen zu müssen!“ Das betrifft auch andere Tools wie etwa Simulationen, die via AWS IoT TwinMaker möglich sind, oder die 2022 vorgestellte ASW Supply Chain. Diese cloudbasierte Anwendung unterstützt die Führungskräfte in der Lieferkette dabei, die Stabilität derselben zu ersetzen. Doch die bisher erwähnten Dienste sind längst nicht alles: Darüber hinaus bietet AWS derzeit schon über 200 verschiedene Cloud-Dienste an.

Hybrid-Erlebnis zwischen Edge und Cloud

Ist es auch denkbar, auf diesem Weg zur virtuellen SPS zu kommen? Ist die Maschinensteuerung aus der Cloud statt einer physischen SPS vor Ort denkbar? Jan Metzner ist da eher skeptisch: „Was ist, wenn die Verbindung abreißt? Bei diesen Überlegungen kommt es zuallerst auf die Latenzanforderungen an.“ Was AWS hingegen jetzt schon anbietet, sind viele Services, die im Edge-Bereich direkt laufen. Amazon Web Services liefert sogenannte Outpost-Racks und -Server, die die Leistungen On-Premise ausführen und zudem mit den gewünschten Cloud-Services verbunden werden können. Das bringt ein „Hybrid-Erlebnis“ aus Edge- und Cloud-Lösung, da dieselbe Hardwareinfrastruktur hier wie dort zum Einsatz kommt, und ist gedacht für Anforderungen mit niedrigen Latenzzeiten zur lokalen Datenverarbeitung und Datenresidenz. Auf dieser Basis ist theoretisch viel möglich, etwa die Virtualisierung von Hardware oder die Auslagerung von einzelnen Steuerungsaufgaben. Doch allzu sehr will sich Metzner damit gar nicht beschäftigen. Denn die eigentliche Frage, gerade bei bestehenden Anlagen, ist auf dem Weg zum „Digital Manufacturing“ ja ganz eine andere: „Was passiert in der Fabrik, und was kann ich in der Cloud machen?“ Hier ist genug zu tun – ohne die klassische Maschinensteuerung überhaupt anzugreifen.