Kommentar : 5G auf dem Prüfstand für die Industrie – was ist in Zukunft möglich?

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5G erhebt bekanntlich den Anspruch die Mobilfunkkommunikation zu revolutionieren und das nicht nur im öffentlichen Mobilfunkbereich. Bisher war der Einsatz derartiger Technologien als Funkkommunikation in der Industrie, vor allem im Automatisierungsumfeld wegen zu schlechter Netzabdeckung, fehlender Echtzeitfähigkeit und nicht garantierter Bandbreite undenkbar. Anders bei 5G. Es könnte eine interessante Technologie für die Industrie werden. Die Gründe: geringe Latenzen von bis zu 1ms sprechen für Echtzeitfähigkeit, eine Grundlage für automatisierte, schnelllaufende Produktionsprozesse. Erhöhte Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit des Netzes, verbesserte Lokalisierungsfunktionen, Teilnehmer von bis zu 1 Mio. Endgeräte pro km² mit Spitzen-Datenraten bis zu 10/20 Gbits im Up-/Downlink und nicht zuletzt die zentrale gesteuerte Vergabe von lizensierten Frequenzen für die Industrie. Mit 5G könnten also geschützte und sichere Netze auf Firmengeländen aufgebaut werden. Anwender könnten Industrial Ethernet, TSN und 5G effizient verbinden. Damit würde die OT- und IT Welt immer näher zusammenrücken. Mobilfunkbetreiber säßen auf einmal an einem Tisch mit Maschinenbauer. Aktuell steht 5G noch am Anfang der Markteinführung mit dem Aufbau öffentlicher Netze. Erste Entwicklungen für industrielle Geräte sind gestartet. Die für echtzeitkritische industrielle Anwendungen interessanten Funktionen kommen erst noch. Es ist zu erwarten, dass sich durch Verbesserung in der Latenzzeit das Anwendungsspektrum in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird.

Funk in der Industrie – neue Optionen

Funktechnik in der Industrie gibt es schon lange. WLAN und Bluetooth werden bereits für Anwendungen wie Handheld Scanner oder fahrerlose Transportsysteme (FTS) standardmäßig eingesetzt. Vereinzelt wird Funk auch für echtzeitkritische Anwendungen zur Übertragung von Feldbussen und Steuerungsdaten über drahtlose Verbindungen verwendet. Die Ziele die Anwender durch den Einsatz von Funksystemen erreichen wollen, sind vielfältig. So kann in bewegten Anwendungen innerhalb von Maschinen, wo Kabel durch ständige Bewegung verschleißen, mittels drahtloser Datenübertragung der Verschleiß reduziert werden. Des Weiteren ist für mobile Anwendungen, bei denen Kabel die Mobilität einschränken, die Funktechnik ein Problemlöser.

In weiteren Anwendungen des Produktionsumfelds konnten sich Funksysteme bisher nur bedingt durchsetzen. Dies liegt insbesondere daran, dass die Vorteile von Funk bezogen auf die Anforderungen in der Industrie oft einen Einsatz nicht rechtfertigten, denn industrielle Produktionsprozesse benötigen Steuerungsdaten in Echtzeit. Mit den vorhandenen Funktechnologien aber war die Übertragung von Echtzeitdaten für die SPS Steuersignale nur für relativ langsam laufende Prozesse zuverlässig machbar.

Verbindungszuverlässigkeit steigern und neue Einsatzbereiche erschließen

5G bringt nun Mechanismen mit, welche die Verbindungszuverlässigkeit steigern soll und macht damit Hoffnung, dass 5G als Funktechnik in weitere industrielle Anwendungen vordringen kann. Das verspricht beispielsweise die 5G-Funktion MMIMO (Massive Multiple In Multiple Out). MMIMO bedeutet, dass wesentlich mehr Antennen als bisher (UMTS/LTE) zum Einsatz kommen. Diese Technik ermöglicht auch das sogenannte Beamforming. Die Teilnehmer können sich dabei quasi von mehreren Signalen das Stärkste aussuchen. Das ermöglicht eine bessere Abdeckung und damit eine höhere Verbindungsstabilität. Gleichzeitig sind mehr Teilnehmer – mit weniger Energieverbrauch und, wenn nötig, höherer Bandbreite möglich. Mit 5G wird TSN (Time Sensitive Network) als Echtzeitprotokoll eingeführt. TSN, das bereits seit längerem für industrielle Netzwerke diskutiert wird, soll auch 5G echtzeitfähig machen. Damit werden, im Endausbau von 5G, Kommunikationszyklen von <1 Millisekunde möglich sein. Verglichen mit heutigen Funktechnologien wären wesentlich dynamischere Prozesse drahtlos steuerbar.

Weitere wichtige Kriterien für einen Einsatz in der Fertigung sind Einfachheit und Wartungsfreundlichkeit. Automatisierer sind meistens keine IT-Fachkräfte, und der sichere Betrieb eines WLAN-Netzwerks stellt bereits heute viele vor enorme Herausforderungen. Generell gilt: Maschinelle Kommunikationsfehler sollten ohne lange Produktionsausfälle, beispielsweise in der Nachtschicht, durch das Wartungspersonal ohne tiefgehendes IT Wissen behebbar sein. Hier muss sich die Funktechnik mit der Einfachheit der Kabelnetze messen lassen: Ein defektes Kabel oder ein Switch ist heute mit üblichem Elektrikerwissen einfach und schnell tauschbar.

Lapp hat am VDMA 5G Leitfaden mitgearbeitet

Lapp, Spezialist für integrierte Lösungen im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie, beschäftigt sich schon länger sehr intensiv mit dem Thema 5 G und weiß inzwischen klar: kein Funk ohne Kabel. Lapp sieht 5G als Ergänzung seiner Lösungen und nicht als Bedrohung. Deshalb hat das Unternehmen den VDMA bei der Erstellung eines praxisnahen Leitfadens gerne unterstützt. In der aktuellen Veröffentlichung wurde mit den Augen von Maschinen- und Anlagenbauern der effektive Nutzen anhand von verschiedenen Anwendungsfällen bewertet. Lapp saß hierfür mit Anwendern und Herstellen gemeinsam am Tisch. Unterstützt wurden die Partner durch das Fraunhofer IIS, das neutrales Technologiewissen und Methodik beigesteuert, Anwendungsfälle im Plenum gesammelt und die Fähigkeiten von 5G daran gespiegelt hat. Lapp hat zwei Anwendungsfälle mitgestaltet und sich dabei mit Marktbegleitern an einen Tisch gesetzt und offen die Chancen von 5G diskutiert. Ergebnis: Viele Anwendungen lassen sich mit 5G realisieren, müssen aber nicht, wie beispielsweise bereits existierende Lösungsansätze von Lappund anderen Herstellern für Predictive Maintenance zeigen. Bei anderen Anwendungsmöglichkeiten müssen die anstehenden 5G Releases 16 und 17 zeigen, ob die Echtzeitfähigkeit von 5G dafür wirklich ausreicht.

Optionen für 5G im Maschinenbau

Insgesamt wurden im 5G-Leitfaden des VDMA zehn unterschiedliche Anwendungsfälle aus dem Industrieumfeld beschrieben. Bei den Anwendungsfällen „Echtzeitfähige Datenstrecken in verschleißbehafteten Anwendungen“ und „M2M / Remote IO mit Feldbus“ hat Lapp mitgearbeitet. Für den Einsatz von 5G ist aber besonders der Anwendungsfall „Fahrerlose Transportsysteme (FTS)“ interessant.

Fahrerlose Transportsysteme (FTS) stellen, als Ergebnis des Leitfadens, eine der gut geeigneten Anwendungen für 5G dar. Zum einen sind die benötigten Latenzzeiten in einem Bereich, der mit 5G möglich ist. Zum anderen wird 5G voraussichtlich eine kürzere Roamingdauer als das heutige WLAN erlauben. Die Roamingdauer ist die Zeit, die für die Übergabe eines Teilnehmers von einem Access Point zum nächsten benötigt wird. Ist sie zu lang, bleibt das FTS stehen. Bei WLAN-Strecken kann dies 30-50ms dauern. Mit Einsatz von 5G sind diese Zeiten deutlich niedriger, da das An- und Abmelden entfällt. Weiterer positiver Effekt: Mit 5G sind wesentlich geringere Latenzzeiten (das ist die Verzögerungszeit beim Transport eines Datenpakets) als bei WLAN möglich. Somit wird der störungsfreie Betrieb eines FTS zusätzlich gesichert. Eine weitere interessante Eigenschaft von 5G ist die Lokalisierungsfunktion, welche mit Release 15 noch mit 20 Meter und mit Release 16 bereits 3 Meter zum Ziel hat. Mit den Folge-Releases wird von einer weiteren Verbesserung der Genauigkeit ausgegangen, womit ein Einsatz für FTS zunehmend interessanter wird.

Ein weiterer möglicher Anwendungsfall ist die Übertragung eines Ethernet-basierten Feldbusses wie zum Beispiel Profinet über 5G. Die Funktechnik könnte dabei direkt in einem dezentralen EA System (=Remote IO) integriert sein. Dies wiederum würde die Anbindung und Übertragung von mehreren Sensoren bzw. Aktoren erlauben. In bewegten Anwendungen, wo Feldbusleitungen in Schleppketten oder an Robotern verschleißen, könnten die Signale über Funk ohne Verschleiß übertragen werden. Bereits mit Release 15 würde die mögliche Latenzzeit von 5ms dafür ausreichen. Jedoch nicht für schnelle Regelung von Servo-Antrieben.

Position von Lapp zu 5G

Ob die kabellose Fabrik eine Utopie ist oder nicht, wird sich in den nächsten Jahrzehnten zeigen. Lapp ist sich der Auswirkungen von 5G auf die Vernetzung und Datenkommunikation der Zukunft bewusst und bereitet sich darauf vor. Spannend sind für Lapp nicht nur die Veränderung der Datenkommunikation im Automatisierungsumfeld, also direkt in der Maschine und Anlage, sondern auch der notwendige Ausbau der Infrastruktur in den einzelnen Ländern und in den Fabriken, den sogenannten Backbones. Mehr Glasfaser, mehr Kupferleitungen und neue Antennenmasten und Access Points. Die Infrastruktur für 5G in den Städten und Gemeinden muss auch zukünftig verkabelt werden. Der gewünschte Bewegungsfreiraum in den Fabriken durch drahtlose Lösungen wird durch Kabel ermöglicht, denn die Access-Points in den Hallen hängen weiterhin daran. Lapp ist überzeugt, dass 5G und alle anderen existierenden Funktechnologien eine ideale Ergänzung zu drahtgebunden Kommunikationslösungen darstellen, jede mit ihren eigenen spezifischen Vor- und Nachteilen. 5G wird vieles verändern, aber auch nicht alles ändern. Die Mobilität von Kommunikationsteilnehmern in industriellen Anwendungen wird auf jeden Fall vorangetrieben.

Um die Synergie aus kabelgebundenen und drahtlosen Netzwerken zu nutzen, arbeitet Lapp an industriellen Funklösungen. Ein Beispiel ist das IoTKey System von Lapp. Ein System, das vollständig kabellos Sensordaten in die Cloud übertragen kann. Der IoTKey besteht aus 3 Kernkomponenten: LoRa-Transmitter, GSM Gateway und IoTKey Cloud Portal. Das Besondere dabei ist die Kombination mehrerer Funktechnologien und die Nutzung der jeweiligen Vorzüge. LoRa ist ein besonders energiesparendes Funksystem zur Übertagung der Sensordaten. Es erlaubt einen komplett autarken Betrieb per Batterie von bis zu mehreren Jahren ohne Batterietausch. Das Gateway selbst überträgt die LoRa Sensordaten ins GSM Mobilfunknetz. Dadurch wird eine Nutzung des Systems an beliebigen Standorten mit Mobilfunkversorgung möglich. Eine Portierung des IoTKey Systems auf 5G kann für die Zukunft das Anwendungsspektrum erweitern. Spannend ist auch die Kombination von TSN mit 5G. Lapp sieht im Bereich des Etherline Access Industrial Ethernet Switch-Portfolios TSN als wichtige Zukunftstechnologie. Durch TSN über 5G wäre damit eine durchgängige Echtzeitkommunikation der drahtgebundenen zu den drahtlosen Netzwerken denkbar.

Aber auch bei der kabelgebundenen Übertragung geht die Entwicklung weiter. Single Pair Ethernet steht in den Startlöchern. Mit dieser neuen Technologie lässt sich Ethernet über nur zwei Kupferadern anstatt wie bisher über 4 oder 8 Adern übertragen. Damit wird die Wirtschaftlichkeit in der unteren Feldebene weiter verbessert. Daran muss sich 5G messen lassen. Lapp wird die Entwicklung von 5G weiter aufmerksam verfolgen und die Einsatzmöglichkeit für weitere sinnvolle Anwendungsfälle prüfen.