Buchrezension : Wieso uns die Maschinen das Fürchten lehren

Jeder dritte deutsche Arbeitnehmer hegt Vorbehalte gegenüber künstlicher Intelligenz und lehnt den Einsatz von Assistenzrobotern ab. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Deutsche Robotik Spiegel. Die Ablehnung von Technik in der Arbeitswelt ist kein neues Phänomen, sie begleitet die Gesellschaft seit Beginn der Industrialisierung. So schafften es die sogenannten Maschinenstürmer, englische Fabrikarbeiter, die Anfang des 19. Jahrhunderts Papier-, Web-, und Spinnmaschinen zerstörten, zu zweifelhafter Berühmtheit– sie gelten bis heute als die Vertreter der primitivistischen Bewegung der Ludditen. Auch wenn die Geschichtsschreibung gegenüber dieser Gruppe ungerecht war, ging es ihnen doch in erster Linie um Arbeitsrechte und die eigene Selbstbestimmung, ist ihr Mythos beispielhaft für das, was Strassberg als kollektiven Affekt beschreibt.

Das Faszinosum Maschine ist fest in der menschlichen Kulturgeschichte verankert. Bevor die Maschinen in der Industrie eingesetzt wurden, dienten sie zum Gaudium der Massen – im Vordergrund stand die Zurschaustellung des Möglichen, nicht die Praktikabilität der Technik. So war es laut Strassberg die Kirche, die in den Automaten eine teuflische Verführung sah, die den Menschen die Anwandlung gebe, Leben ohne göttliches Zutun erschaffen zu können. Doch trotz aller Ablehnung des Klerus war es gerade die Kirche, die im Mittelalter auf die Überzeugungswirkung der Maschinen setzte. So schmückten unzählige Automaten die Kirchenwände und Altare – diese Ambivalenz in der Beziehung zwischen Religion und Technik sei bis heute erhalten geblieben.

Die Brücke zur Gegenwart schlägt Strassberg mit dem Siegeszug der künstlichen Intelligenz. Als sich Schachweltmeister Garry Kasparov 1997 zum ersten Mal einer Maschine geschlagen geben musste, brach eine regelrechte Massenpanik aus. Die Presse überschlug sich in Superlativen: Eine Gehirnmaschine sei erfunden worden, die Menschheit stehe an einem Wendepunkt! „Die Reihe der Bücher und Kongresse, der wissenschaftlichen und feuilletonistischen Artikel, die vor künstlicher Intelligenz warnen – und sie merkwürdigerweise gleichzeitig als Humbug entlarven wollen –, ist seither nicht mehr abgerissen“, schreibt Strassberg. Kasparov selbst fühlte sich durch die Reaktionen dazu genötigt, zur Verteidigung der KI auszurücken und veröffentlichte ein Buch, in dem er schreibt, dass sie den Menschen eher menschlicher mache. Sie nehme ihm alle automatisierbaren Leistungen ab und schaffe so Raum für eigene Kreativität.

Der Autor kommt zum Schluss, dass die Ablehnung der Maschine dadurch zu erklären sei, dass das Alleinstellungsmerkmal des Menschen, die Vernunft, bedroht sei. „Der Vergleich mit der Maschine ist schwieriger und beunruhigender als der Vergleich mit den Tieren, denn das Alleinstellungsmerkmal Vernunft hebt den Menschen über das Tier, im Vergleich mit der Maschine unterliegt er hingegen häufig“, so Strassberg. Mit immer ausgereifteren Technologien, die Mimik, Gestik, sogar das menschliche Denken nachahmen und sogar überflügeln, verschwimmen diese Grenzen weiter. Es sei in erster Linie eine Kulturfrage, die die Beziehung zwischen Mensch und Maschine bestimmt. So würde man in Japan den gesellschaftlichen Wert anhand der Nützlichkeit für die Allgemeinheit bewerten. Insofern sei man in Japan der Technik gegenüber viel offener. Das bestätigt Shibuya Mirai, ein KI-Bot, dem 2020 die Staatsbürgerschaft verliehen wurde.

Strassberg versucht mit seinem Buch einen Wandel in der Diskussion um Technik anzuregen. Es seien nicht die Dinge, die zu gesellschaftlichen Verhältnissen führen, sondern die Machtverhältnisse.