Zähe Verhandlungen : Was bedeutet die KI-Richtlinie für die Industrie?

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Die EU-Richtlinie soll auch anderen Regierungen als Vorlage dienen, Regeln für ihre eigene KI-Industrie aufzustellen.

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Eigentlich sollte Donnerstagvormittag das Ergebnis der Verhandlungen, die seit Monaten zwischen Kommission, Rat und Parlament geführt werden, präsentiert werden – doch das Ringen um ein Resultat geht weiter. Vertreter der Industrie haben die Befürchtung, dass die Definition von KI im KI-Gesetz zu weit gefasst ist und auch einfache Anwendungen wie einfache Berechnungen in einer Tabellenkalkulation umfasst. Aber auch das Verbot von Gesichtserkennung im Zusammenhang mit KI soll ein weiterer Hemmschuh für die europäische Industrie sein, wird befürchtet.

Vor allem die Risikokategorien für KI-Systeme werden kritisiert. Zu unscharf seien die Definitionen von Künstlicher Intelligenz und sogenannten Hochrisiko-KI-Systemen. Die Regulierung gehe weit über lernende Systeme mit ihren spezifischen Risiken hinaus und berge die Gefahr einer Regulierung von Software im Allgemeinen.

KI als Wettbewerbsvorteil

„Wenn es kommt, wie es aktuell geplant ist, legt das die Branche lahm“, ist AITAD-Chef Viacheslav Gromov überzeugt. Auch Jörg Hesselink, Gründer und CEO DC Smarter, lieg spricht Klartext: „Europa braucht weiterhin Handlungsspielraum für Innovation. Nur so gelingt es, mit globalen Entwicklungen Schritt zu halten.“ Als posotives Beispiel nennt er Singapur.

Der hohe Grad der Digitalisierung ist in Singapur überall spürbar. „Ein riesiger LED-Wasserfall, gigantische LED Screens und ein komplett digitaler Einreiseprozess – schon die Ankunft am Flughafen in Singapur fühlt sich an wie ein Reise in die Zukunft. Als ich dann beim ersten Restaurantbesuch von einem Roboter überholt wurde, der gerade das Geschirr zum Spülen brachte, war klar, hier wird Innovation gelebt“, erklärt Jörg Hesselink.

2014 gründete der Premierminister Singapurs Lee Hsien Hong die Smart Nation Group. Die öffentliche Verwaltung sollte mit der Digitalisierung der Prozesse voranschreiten und zum Vorbild für Unternehmen und Organisationen werden. Kontinuierlich kletterte das Land seitdem auf der Liste der innovativsten Nationen nach oben, 2023 erzielte man Platz 5 im Global Innovation Index (GII). Im UN-E-Government Index belegte Singapur unter 163 Staaten Rang 12.

Viacheslav Gromov (links) ist Gründer und Geschäftsführer von AITAD. Das Unternehmen entwickelt elektronikbezogene künstliche Intelligenz (Embedded-KI), die in Geräten und Maschinen lokal und in Echtzeit definierte Aufgaben übernimmt. Er ist Verfasser zahlreicher Beiträge sowie diverser Lehrbücher im Halbleiterbereich.

Die wichtigsten Anwendungsfälle in der Industrie

Die Industrie steht vor einer Revolution, die durch die Integration von künstlicher Intelligenz in eingebetteten Systemen vorangetrieben wird. Diese Technologie, die als Embedded-KI bekannt ist, hat das Potenzial, die Art und Weise, wie Unternehmen in der Fertigungs- und Produktionsbranche arbeiten, nachhaltig zu verändern. Dabei werden die Sensoren, also die Augen, Ohren, Nase und Haut – der Industrieanwendungen intelligenter, können tiefere Zusammenhänge, Schieflagen erkennen oder gar vorhersagen. Gromov nennt nennt acht Bereiche, in denen KI in 2024 eine entscheidende Rolle spielen wird:

  • Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen

In der modernen Industrie sind die Steigerung der Effizienz und die Senkung der Betriebskosten von entscheidender Bedeutung. Embedded-KI ermöglicht die Optimierung von Produktionsprozessen in Echtzeit. Maschinen und Anlagen können mithilfe von Sensoren und Algorithmen kontinuierlich nach Zuständen und Anomalien überwacht werden, um Engpässe zu erkennen, Abläufe zu optimieren und Ressourcen effizienter einzusetzen. Dies führt zu erheblichen Kosteneinsparungen und einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.

  • Predictive Maintenance

Ein herausragender Anwendungsfall von Embedded-KI in der Industrie ist die oft genannte, aber immer noch wenig angewandte vorbeugende Wartung. Durch die Integration von Sensoren und Datenanalyse innerhalb der Produktionsanlagen können Unternehmen den Zustand von Maschinen in Echtzeit ohne Datenleaks nach außen überwachen. Wenn Anomalien oder Abnutzungserscheinungen auftreten, kann die Wartung im Voraus geplant werden, um ungeplante Ausfallzeiten zu minimieren. Dies erhöht die Lebensdauer der Anlagen und senkt die Instandhaltungskosten durch Planbarkeit und neue Geschäftsmodell-Entwicklungen erheblich.

  • Qualitätskontrolle und Ausschussminimierung

Embedded-KI ermöglicht eine präzise Qualitätskontrolle während des Fertigungsprozesses. Kameras und Sensoren wie Lidare, Radare oder solche für Spektrografie und Ultraschall können Produkte in Echtzeit überwachen und Mängel oder Abweichungen von den Standards erkennen. Fehlerhafte Produkte können frühzeitig identifiziert und aus dem Produktionsprozess ausgeschleust werden, was die Qualität erhöht und den Ausschuss minimiert. Zudem ist direktes Feedback für die Ausschussminimierung in Echtzeit ein bedeutender Vorteil, da so Fehleinstellungen und Fehlbedienung oder Lieferantenmängel mehr Transparenz bekommen und folglich weniger Schaden anrichten.

  • Autonome Roboter und Automatisierung

In der industriellen Fertigung spielen autonome Roboter eine wichtige Rolle. Embedded-KI ermöglicht es diesen Robotern, Aufgaben wie Materialtransport, Inspektion und Montage autonom auszuführen. Sie können sich in Echtzeit an veränderte Bedingungen anpassen, da lokale KI mit Varianz robust umgehen und komplexe Aufgaben ohne menschliche Intervention bewältigen kann. Dies steigert die Produktivität und Präzision.

  • Energieeffizienz und Nachhaltigkeit

Die Überwachung und Steuerung des Energieverbrauchs ist ein weiterer Bereich, in dem Embedded-KI einen großen Einfluss hat. Industrieanlagen können mithilfe von KI-Algorithmen den Energieverbrauch optimieren, indem sie den Bedarf an Heizung, Kühlung und Beleuchtung dynamisch je nach Situation anpassen. Gerade die Metering-Branche ist direkt betroffen, während Maschinen- und Anlagenbauer dies indirekt in ihren Prozessen für sich nutzen können. Dies trägt nicht nur zur Senkung der Betriebskosten bei, sondern auch zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks der Industrie.

  • Sicherheit am Arbeitsplatz

Embedded-KI kann auch dazu beitragen, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu verbessern. Durch die kontinuierliche Überwachung von Gefahren und unerwünschten Ereignissen können frühzeitig Warnungen ausgelöst und präventive Maßnahmen ergriffen werden, um Unfälle zu verhindern und die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen. Zudem ist intelligente User Interaction durch Gesten-, Personen- und Spracherkennung ein Feature, welches die Interaktion effizienter gestaltet und dem Fachkräftemangel entgegenwirkt.

  • Anpassungsfähigkeit und Skalierbarkeit

Ein weiterer Vorteil von Embedded-KI ist die Anpassungsfähigkeit und Skalierbarkeit. Unternehmen können die Integration von KI in ihren Produktionsprozessen schrittweise vorantreiben und die Technologie nach Bedarf dezentral und ohne Cloud-Systeme und Folgekosten erweitern. Dies ermöglicht trotz benötigter Hardware eine flexible Implementierung, die den individuellen Anforderungen jedes Unternehmens gerecht wird.

  • Wettbewerbsvorteil und Innovation

Unternehmen, die Embedded-KI frühzeitig übernehmen, können einen erheblichen Wettbewerbsvorteil erlangen. Die Fähigkeit, Daten in Echtzeit zu verarbeiten und fundierte Entscheidungen zu treffen, ermöglicht Innovationen in Produkten und Dienstleistungen ohne Abhängigkeiten von Netzwerken, Lieferanten und Infrastrukturanbietern. Dies öffnet neue Geschäftsmöglichkeiten, verstärkt die Resilienz und stärkt die Marktposition.