Market-X : Ein kräftiges Lebenszeichen der Gaia-X-Community in Wien
Das große Interesse an der Veranstaltung zeigt uns, dass Gaia-X eine sehr große Chance hat, zu überleben", meinte Tobias Höllwarth vom Management Board Gaia-X Hub Austria, einleitend als er einen ganzen Reigen an Initiativen und Projekten eröffnete. Tatsächlich ist die Entstehungsgeschichte von Gaia-X mit Stolpersteinen gefpflastert – von der umstrittenen Involvierung der IT-Giganten AWS, Microsoft und Co. bis zur Coronapandemie, die die Entwicklung stark eingebremst hat. Doch nun sei man in der Umsetzungsphase, Gaia-X kommt endlich in der Praxis an.
Erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde Gaia-X im Oktober 2019. Damals war die Rede von einer europäischen Mondlandung in der Digitalpolitik, um nicht alternativlos von den großen IT-Konzernen aus den USA und China abhängig zu sein. Die auf Gaia-X basierenden Anwendungen sollen einen sicheren Datenaustausch über Branchen und Länder hinweg ermöglichen - auf Basis des europäischen Rechtsrahmens. Für die Infrastruktur werden bestehende Angebote über Open-Source-Anwendungen und offene Standards miteinander vernetzt.
Was ist Gaia-X?
Gaia-X ist eine europäische Initiative, die von Unternehmen und Forschungseinrichtungen sowie von Politik und Verwaltung in vielen EU-Mitgliedstaaten getragen wird. In einem gemeinschaftlichen Prozess entwickelt Gaia-X Regeln, Richtlinien und Spezifikationen für den vertrauenswürdigen Datenaustausch in föderierten Systemen und stellt Unternehmen Software als Open Source zur Verfügung. Zudem werden Compliance-Mechanismen implementiert, um die definierten Vereinbarungen für einen vertrauenswürdigen Datenaustausch sicherzustellen. Dies ermöglicht die schnelle und einfache Entwicklung neuer datengesteuerter Geschäftsmodelle und trägt zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen bei.
Umsetzung in österreichischer Hand
Für die Umsetzung des Riesenprojektes ist als COO der Österreicher Roland Fadrany zustänfig. Er sieht "eine riesige Chance für europäische Firmen, die in diese Nischen vorstoßen". Natürlich sei es auch für Microsoft und Co. technisch möglich hier mitzumischen, allerdings müssten sie einen Teil ihrer momentanen Autonomie aufgeben und sich "bis zu einem gewissen Grad dem Willen europäischer Werte beugen". Sie seien dann beispielsweise verpflichtet zu beschreiben, wo die Rechenzentren sind, wie diese betrieben werden und welche Mitarbeiter Zugriff auf die Daten haben. Deshalb herrsche hier noch Zurückhaltung in der Umsetzung.
Wie global die Wertschöpfungsketten inzwischen sind, zeige sich eindrucksvoll in der Automobilindustrie. Umso wichtiger sei es, dass sich Unternehmen beim Datenaustausch darauf verlassen könnten, dass Zusagen, wo und wie Daten gespeichert und verarbeitet werden, auch eingehalten werden. Zwar würden Unternehmen in der Automobilbranche teilweise schon seit vielen Jahren zusammenarbeiten, bestimmte Schnittstellen nutzen und sich dadurch vertrauen. Mit dem Trend zur Elektromobilität sei aber plötzlich die Energiewirtschaft als wichtiger Akteur hinzugekommen. Bei den Ladestationen sei die Verwaltung ein neuer Partner.
"Hier brauchen Industrie, Energiewirtschaft und Verwaltung eine Austauschmöglichkeit oder einen Rahmen. Und hier kommt die digitale Clearingstelle ins Spiel", erklärt Fadrany. Je nach gewählter Ebene könne man damit steuern, wem man welche Daten anvertraut.
Zwei neue Leuchtturmprojekte
Als einer der "Leuchttürme"von Gaia-X gilt das österreichisch-deutsche Forschungsprojekt "EuProGigant". Es widmet sich dem Aufbau eines standortübergreifenden, digital vernetzten Ökosystems und soll zeigen, wie eine vernetzte Produktion mit sich selbst organisierenden und stabilisierenden Eigenschaften ausgestattet werden kann. Ein Anwendungsbeispiel ist die Fertigung von ideal zueinander passenden Bauteilen, die durch die Vorgabe von engen Toleranzen aber oft zu Überproduktionen führe.
Fadrany stellte im Rahmen der Market-X-Konferenz in Wien zwei neue Leuchttürme vor:
- GAIA-X 4 Future Mobility
Die Projektfamilie GAIA-X 4 Future Mobility ist in der Domäne Mobilität des deutschen Gaia-X Hub angesiedelt. Der Fokus der 6 Projekte liegt auf der Gaia-X-basierten Umsetzung zukünftiger Mobilitätsanwendungen. Aufgrund der Produktnähe der Anwendungen ist die datenbasierte Vernetzung mit Herstellern, Zulieferern, Dienstleistern und Nutzern besonders wichtig. Bei GAIA-X4 Future Mobility engagieren sich ca. 80 Akteure aus allen Anwendungs-, Forschungs- und Themenbereichen der Mobilität, insbesondere der Informations- und Kommunikationstechnologien.
- Omega-X
Das von der EU finanzierte Projekt OMEGA-X zielt darauf ab, auf der Grundlage gemeinsamer europäischer Normen einen Energiedatenraum zu schaffen. Dieser wird eine föderierte Infrastruktur, einen Datenmarktplatz und einen Dienstleistungsmarktplatz umfassen, die die gemeinsame Nutzung von Daten durch verschiedene Interessengruppen einschließen und ihren Wert für konkrete Anwendungsfälle im Energiebereich demonstrieren, während gleichzeitig die Skalierbarkeit und Interoperabilität mit anderen Datenrauminitiativen gewährleistet wird.
OMEGA-X wird einen Energiedatenraum entwickeln, der es einer Vielzahl von Akteuren ermöglicht, Daten und Dienste gemeinsam zu nutzen und gleichzeitig Datenschutz, Sicherheit und Souveränität zu gewährleisten. Damit soll insbesondere das derzeitige Problem der geringen Verfügbarkeit von Daten für innovative Anwendungen im Energiesektor und darüber hinaus angegangen werden.