Industrielle Vernetzung : Die Automatisierungspyramide hat ausgedient – oder doch nicht?

Die Linzer Industrie Informatik, einer der führenden österreichischen MES-Anbieter, hat 2019 mit der Einführung der Fertigungsplattform „cronetworld“ auch das Ende der klassischen Automatisierungspyramide verlautbart. Doch wie es scheint, ist die Botschaft noch nicht überall angekommen. Denn viele Industrieunternehmen setzen weiterhin auf das altbewährte Modell. „Damals wie heute war und ist unsere klare Aussage, dass sich die Automatisierungspyramide, so wie wir sie heute kennen, nach und nach auflösen wird. Dass dieser Prozess mit Anfang 2022 noch nicht abgeschlossen ist, war uns auch damals bewusst“, erklärt CTO Bernhard Falkner.

Doch alleine aus wirtschaftlicher Sicht, würde ein Zögern einen Wettbewerbsnachteil nach sich ziehen, ist der Automatisierungsexperte überzeugt. „Wer in Zukunft einen Wettbewerbsvorteil erhalten möchte und mit dem Markt mithalten will, der muss seine Prozesse ebenso dynamisch gestalten. Klassische MES-Funktionen können dabei in einem stabilen Kern bleiben, sofern diese weitgehend offen sind, um sie mit individuellen Prozessen verbinden zu können.“

Bernhard Falkner: „Wer in Zukunft einen Wettbewerbsvorteil erhalten möchte und mit dem Markt mithalten will, der muss seine Prozesse ebenso dynamisch gestalten.“

Der Kunde entscheidet

Szenenwechsel nach Graz zum Automatisierungslieferanten AutomationX. Alfred Preitler, Leiter der Projektabwicklung, sieht die Diskussion mit gemischten Gefühlen, ins Kondolenzbuch der Automatisierungspyramide hat er sich definitiv noch nicht eingetragen. „Die Aufgaben bleiben grundsätzlich dieselben – messen, steuern, regeln, bedienen, überwachen, optimieren usw. Die Pyramide ist aus meiner Sicht eine gute verständliche Weise, wie man das Ganze darstellt und wie man die Ebenen abgrenzen kann, damit man es modular ausführen kann. Durch die Entwicklungen der vergangenen Jahre ist es natürlich zu einer Vermischung gekommen.“

Preitler geht davon aus, dass es noch eine ganze Weile ein Nebeneinander der Modelle geben wird, entscheiden werde schließlich aber der Kunde. „Mittelfristig wird sich das Modell durchsetzen, wo der größte Nutzen für den Kunden dabei rauskommt. Wir als Automatisierungslieferant, der eigene Systeme entwickelt, sehen genau das: Die Kunden bestehen auf den bewährten Systemen, mit denen sie sich auskennen. Und wir versuchen darüber hinaus neue Technologien zu integrieren und erst wenn der Kunde den Nutzen für sich erkannt hat, kommt es zur Weiterentwicklung.“

Preitler
Alfred Preitler: „Mittelfristig wird sich das Modell durchsetzen, wo der größte Nutzen für den Kunden dabei rauskommt.“ - © KANIZAJ 2018

Eine Frage der Datensicherheit

Beim oberösterreichischen Hochleistungsautomatisierer STIWA sieht man die Weiterentwicklungen in der Branche, doch eine Abkehr von der klassischen Pyramide beobachtet man nicht. Als besondere Herausforderung wird das Thema der Datensicherheit gesehen. „Im Grunde geht es bei der Diskussion darum, wie die Daten von A nach B kommen. Gemäß unserem Unternehmensmotto `comlpetely integrated` wollen wir dementsprechend auch die Datenhoheit haben“, so Peter Sticht, Geschäftsführender Gesellschafter der STIWA Holding.

Dass sich die Theorie von der Praxis unterscheidet macht Sticht am Beispiel der zahlreichen Cloudanbieter fest: „Viele Unternehmen wittern jetzt das große Geschäft, aber ob die Industrie wirklich schon so weit ist … Es beschäftigen sich natürlich alle damit, aber ich habe bisher noch kein Unternehmen entdeckt, das seine Daten in eine Cloud hochladen will. Wir haben sehr viele Kunden, die international aufgestellt sind und Daten weltweit hin und her schieben, aber keines der Unternehmen macht das über eine Cloud“, so Sticht.

Peter Sticht: „Es beschäftigen sich natürlich alle damit, aber ich habe bisher noch kein Unternehmen entdeckt, das seine Daten in eine Cloud hochladen will.“