Lapp : Zurück zum einfacheren Kabel

Seit den 1990ern ist Ethernet die unumstrittene Nummer eins in lokalen Datennetzen. Doch während der Erfolg in der IT zu einem großen Teil auf eine einheitliche Standardisierung zurückzuführen ist, sieht es in den Fabriken anders aus als in den Büros. Mittlerweile gibt es mehr als 20 Industrial Ethernet Systeme, die miteinander inkompatibel sind. Hinzu kommen über 50 Feldbus-Systeme, die von Anbietern von Automatisierungstechnik favorisiert werden und ebenfalls meist nicht kompatibel sind. Feldbus-Systeme sind in Fabriken weit verbreitet, weil sie als robuster gelten. Sie übertragen kleinere Datenpakete als Ethernet, sind dafür aber echtzeitfähig. Das ist wichtig bei zeitkritischen Abläufen in Maschinen, die mit Ethernet bisher nur bedingt möglich sind. Doch dass die Zukunft auch in Fabriken Ethernet gehört, legen die Marktdaten nahe. Industrial Ethernet wächst derzeit mit 22 Prozent pro Jahr, Feldbus-Systeme legen nur noch mit sechs Prozent zu. Die Zahl der Ethernet-Installationen in Fabriken überholen derzeit die von Feldbussen. Das hat mit der zunehmenden Vernetzung und Digitalisierung zu tun, die eine Auflösung der Automatisierungspyramide zur Folge hat.

Auflösung der Automatisierungspyramide

Unter der Automatisierungspyramide versteht man die Ebenen in der Fabrikkommunikation, mit der Feldebene als unterster Ebene. Über der Feldebene liegen die Steuerungsebene, die Prozessleitebene, die Betriebsleitebene und zuoberst die Unternehmensebene mit ihren ERP-Systemen. Bisher hatten diese Ebenen unterschiedliche Funktionen, daher arbeiteten dort auch unterschiedliche Programme. Sensordaten mussten sich von einer Ebene zur nächsten nach oben hangeln, umgekehrt sickerten Planungsdaten ebenenweise nach unten. Mit der Auflösung der Pyramide verschwinden diese Ebenen, die Kommunikation erfolgt in flachen Hierarchien. Jeder redet mit jedem – ERP-Systeme können direkt auf Sensoren an der Maschine zugreifen und so erfahren, ob es zu einer Störung kommen könnte, die die Lieferfähigkeit beeinflusst. Das geht allerdings nur, wenn auch die Verbindungstechnik das Schubladendenken überwindet. Daher hält das im Büroumfeld etablierte Ethernet auch in der Produktion Einzug hält.

Ein-Kabel-Lösungen

Verbindungsspezialist Lapp beobachtet den Markt für Industrial Ethernet seit vielen Jahren und hat zwei Trends ausgemacht, die künftig größere Bedeutung am Markt bekommen werden. Ein Trend sind Hybridleitungen, so genannte Ein-Kabel-Lösungen. Dabei handelt es sich um Leitungen, die Kabel unterschiedlicher Funktionen in einem Mantel vereinen, in der Regel sind dies Anschlussleitungen für Servoantriebe mit integrierten Feedbackleitungen zur Abfrage der Sensoren.

Ein zweiter Trend ist das Downsizing. Waren beim bisherigen Ethernet zwei oder vier Adernpaare notwendig, kann durch Single Pair Ethernet über ein Adernpaar bis zu 1 Gbit/s übertragen werden. Der Anwender profitiert von reduziertem Installationsaufwand und erzielt Platz- und Kostenvorteile. Die dazu notwendige Hardwareentwicklung auf der Chip-Seite ist in der Automobilindustrie vorangeschritten und kann adaptiert werden. Kosten, Robustheit und die durch die geringeren Datenraten größeren möglichen Längen sprechen dafür, dass Single Pair Ethernet auch in der Industrie an Bedeutung gewinnen wird. Auch sonst setzt sich bei den Anwendern die Erkenntnis durch, dass nicht jeder Sensor mit einer 10GBit/s fähigen Leitung angeschlossen werden muss. Eine Ethernet-Leitung mit Single Pair schafft zwar nur 1 Gbit/s, aber das reicht für viele Anwendungen auf der Feldebene aus. Die allermeisten Sensoren liefern geringe Informationsmengen, manche melden nur hin und wieder ein An/Aus-Signal.

Downsizing bei den Leitungen

Laut Unternehmensberatung Roland Berger steigt die Nachfrage nach Sensoren bis 2020 um 17 Prozent pro Jahr, gleichzeitig sinken die Preise jährlich um acht Prozent. Das wird die Nachfrage nach kostengünstigen Verbindungslösungen befördern. Allerdings sind Leitungen für Single Pair Ethernet noch nicht verfügbar, zumindest nicht für den Einsatz in der Industrie. Die Automobilindustrie setzt ähnliche Leitungen bereits in Fahrzeugen ein, für industrielle Anwendungen fehlen aber noch Standards. Um die kümmern sich neu gegründete Arbeitsgruppen. Erste Serienprodukte für Single Pair Ethernet werde es in zwei bis drei Jahren geben, kündigt Lapp-Entwicklungsleiter Guido Ege an.