Smart Grid
Das Thema für die Energieversorgung der Zukunft? Smart Grid ist ein sehr dehnbarer Begriff. Wo beginnt ein Smart Grid und wo endet es bzw. was muss es können? Fragen, auf die Dipl.-Ing. Robert Tesch, MBA, Divisionsleiter bei Siemens Österreich Antworten hat.
Herr Tesch, Smart Grid ist derzeit in aller Munde – was versteht man unter Smart-Grid nun eigentlich?
Dipl.-Ing. Robert Tesch, MBA, Divisionsleiter Energie Automation Siemens AG Österreich: Grundsätzlich versteht man unter Smart Grid, wie die bestehenden Verteilnetze für die Anforderungen der Zukunft gerüstet werden können. Dank des Klima und Energiefonds, der Projekte zu diesem Thema massiv fördert, ist in Österreich derzeit sehr viel im Gang. In diesen Projekten geht es beispielsweise darum, wie man künftig verhindern kann, dass Versorgungsnetze überlastet werden, wenn an einem Trafostrang zum Beispiel sehr viele Photovoltaikanlagen einspeisen. Diese Themen beschäftigen die Verteilnetzbetreiber intensiv, denn wenn man in diese Richtung nichts unternimmt, gefährdet man letztendlich die Netzversorgung.
Wo muss dann Ihrer Meinung nach begonnen werden, ein Smart Grid aufzubauen?
Tesch: Der dringendste Bedarf besteht darin, die zahlreichen kleinen erneuerbaren Energieträger in das aktuelle Verteilnetz einzubinden. Österreich hat sich ja in der Energiestrategie folgende Ziele gesetzt: 16% CO2-Einsparung, 34% ökologische Energieerzeugung vom Gesamtbedarf bis zum Jahr 2020. Schon allein dafür wird man einiges unternehmen müssen, um diese Ziele erreichen zu können und dafür brauchen wir eine gut funktionierende Verteilnetzautomatisierung.
Ein zweiter wichtiger Bereich – ebenfalls von der EU getrieben – ist das Thema Smart Metering. Hier geht es der EU etwa um Liberalisierung, mehr Wettbewerb, flexible Tarife oder Anbieterwechsel. Die neue, intelligente Zählergeneration ist insgesamt eine wichtige Voraussetzung für Smart Grids. Für Siemens ist der Smart Meter ein Device, das die »Augen« und »Ohren« im Niederspannungsnetz bildet, um den Netzbetreibern aktuelle Zustandsmeldungen zu übermitteln.
Erst wenn diese Infrastruktur steht, wird man beginnen können, darauf Services anbieten zu können. In Deutschland gibt es bereits Anbieter, die heute schon zeitvariable Tarife auf Basis von intelligenten Zählern bereitstellen.
Man muss also wirklich bei den Privatpersonen, die mit ihren PV-Anlagen in das Netz einspeisen beginnen und Schritt für Schritt das Verteilnetz weiter ausbauen.
Tesch: Das klassische Versorgungsnetz ist ja bis dato »stumm« und »taub« – es meldet nicht, welche aktuellen Vorgänge gerade passieren. Deshalb wissen viele Verteilnetzbetreiber gar nicht, was es bedeutet, viele Photovoltaik- oder Windanlagen auf der Niederspannungsseite einzukoppeln.
Niederspannungsseitig sind heute viele Ortsnetzstationen nicht kommunikationsfähig. Dafür wird es möglicherweise in Zukunft sehr kostengünstige und effiziente Lösungen geben.
Auf der Mittel- und Hochspannungsseite ist der Ruf nach einem Smart Grid nicht sehr laut, denn diese Netze sind hochintelligent – vollautomatisiert, vollüberwacht und eingebunden in Energymanagementsysteme. Hochspannungsseitig gibt es andere Herausforderungen.
Stichwort Energietransportwesen?
Tesch: Genau. Tatsache ist, dass die aktuellen Netze für den Transport von Energie großangelegter Erneuerbarer Energiequellen derzeit nicht ausgelegt sind. Denn für diese »neuen« zusätzlichen Energieformen wurden diese Leitungen nicht dimensioniert. In Europa spricht man von fehlenden 3.500 km Hochspannungsleitungen – auch dieses Thema bleibt in Zukunft spannend.
Welche Treiber sehen Sie neben erneuerbaren Energien noch für das Thema Smart Grid?
Tesch: Der klassische Treiber war bestimmt die erneuerbare Energiewirtschaft. Wobei es sich dabei allerdings nur um einen indirekten Treiber handelt, denn losgetreten wurde diese Thematik von der EU mit dem Klimapaket. Wenn es das nicht gäbe, würde es auch keine geförderten »Ökostromtarife« und dergleichen geben.
Es gibt aber auch durchaus Beispiele, wo Smart Grid-Netzwerke ohne Druck »von oben« entstanden sind. Ein italienischer Netzbetreiber beispielsweise hatte sehr viele Störungen in seinem Netz, was natürlich mit enormen Kosten verbunden war. Diesen Umstand kann man in den Griff bekommen, wenn man das Netz mit entsprechenden Automatisierungsfunktionalitäten und Messsensorik ausstattet. In diesem Beispiel hat sich gezeigt, dass sich diese Maßnahme rechnet. Es konnten gewaltige Einsparungen erzielt werden. Per Definition hat das zwar nichts mit Smart Grid zu tun, aber letztendlich geht es genau darum – das Verteilsystem intelligenter zu machen, smarter zu machen, als es bisher ist.
Worin liegen Ihrer Meinung nach die Herausforderungen bei der Standardisierung eines Smart Grids?
Tesch: Die Einbindung des Prosumers ist beispielsweise nicht standardisiert. Das heißt, es fehlt die Definition der Schnittstellen von Gebäuden zum Versorgungsnetz hin.
Können Sie das Projekt der Modellregion Salzburg etwas näher erläutern?
Tesch: Das Projekt der Modellregion Salzburg ist sehr breit aufgestellt. Es werden fast alle Themen untersucht, die im Rahmen von Smart Grid interessant sind. Dabei geht es beispielsweise um die Aussteuerung des Niederspannungsnetzes und den sinnvollen Einsatz von Batterien von Elektroautos, die ja in Last-schwächeren Zeiten als Energiespeicher genutzt werden können. Oder wie man die Blindleistung bei verteilten Kraftwerken regeln kann und vieles mehr.
Was muss ein Smart Grid in Österreich Ihrer Meinung nach erfüllen?
Tesch: Die Hauptaufgabe eines Smart Grids in Österreich muss sein, die erneuerbaren Energieerzeuger klaglos in die bestehende Infrastruktur einzubinden. Das wird auch notwendig sein, sonst wird es schwer, die angestrebten Klimaziele zu erreichen. Im Idealfall wird der Stromkonsument davon nichts bemerken.
In der nächsten Phase, wenn Smart Metering ausgebaut ist, werden auch flexible Stromtarife Realität werden und möglicherweise auch Geschäftsmodelle, die darauf aufbauen, mit Überschuss- oder Mangelenergie auch Geschäfte machen zu können.
Was sich daraus allerdings entwickeln wird, steht in den Sternen.
Apropos Sterne – was kommt in nächster Zukunft?
Tesch: Was der Konsument auf jeden Fall merken wird, ist der Rollout von Smart Metern. Wir erwarten, dass dieser Rollout in Österreich 2012/2013 beginnen wird. Es bereiten sich de facto alle EVUs darauf vor.
Herr Tesch, wir danken für das Gespräch!