Technologieentwicklung : Mehr modulare Effizienz für Erneuerbare

Wasserstoff ist der energiepolitische Hoffnungsträger schlechthin. Das zeigen schon alleine die Zahlen, die die Europäische Kommission in ihre letzten Sommer veröffentlichte „Wasserstoffstrategie“ geschrieben hat. Demzufolge soll bis 2024 innerhalb der EU eine Elektrolyseleistung von mindestens 6 Gigawatt und die Erzeugung von 1 Mio. Tonnen erneuerbarem Wasserstoff unterstützt werden. Das ist aber nur der erste Schritt des Drei-Stufen-Plans: Von 2025 bis 2030 muss die Elektrolyseleistung auf mindestens 40 GW erhöht sowie 10 Mio. Tonnen erneuerbarer Wasserstoff erzeugt werden. Ab dann wird es strategisch ein wenig nebulos. Denn ab 2030 sollen die Technologien für erneuerbaren Wasserstoff dann „ausgereift“ sein und in großem Maßstab in allen Sektoren, in denen die Dekarbonisierung schwierig ist – also vor allem in der Industrie, die bisher Erdgas oder fossil erzeugten Wasserstoff als Produktionsmittel verwendet – eingesetzt werden. Noch schwammiger erscheint nur die Formulierung, die diesen drei Punkten vorausgestellt wird: Demnach ist die Entwicklung von erneuerbarem Wasserstoff aus Solar- und Windenergie zwar vorrangig, kurzfristig jedoch seien andere Formen von CO2-neutralem Wasserstoff erforderlich, um die Emissionen rasch zu senken und die Entwicklung des Marktes zu unterstützen.
Kaufkraftabfluss droht auch bei Wasserstoff
„Die Diskussion rund um die Europäische Wasserstoffstrategie hat sich zu einer veritablen Saalschlacht entwickelt“, konstatiert Theo Zillner mit angemessen trockenem Humor. Der gelernte Maschinenbauer ist stellvertretender Abteilungsleiter für Energie- und Umwelttechnologien im Bundesministerium für Klimaschutz. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich von Erneuerbaren Energie und der Energieeffizienz. Aus diesem Blickwinkel betrachtet er auch die Diskussion rund um den Hoffnungsträger Wasserstoff, der die Bruchlininien zwischen den Mitgliedsländern der EU deutlich offenlegt. So setzt etwa Polen, das Land mit der stärksten Kohleindustrie in der Union, auf die Verwendung von Kohlestrom für die Elektrolyse. Frankreich möchte seine Nuklearkraftwerke als Stromlieferant für diesen energieintensiven Prozess nutzen, und welche Länder dann auf Gas als Antriebsenergie setzen lässt sich dann auch ausrechnen. Kritisch sieht Zillner auch die Idee, die Produktion von Solarstrom und dem daraus resultierendem grünen Wasserstoff (im Gegensatz zu blauem Wasserstoff, für den nicht-erneuerbare Energien eingesetzt werden) der Einfachheit halber in sonnenreiche, menschenarme Regionen näher am Äquator zu legen. „Einer der wesentlichen Kritikpunkte an der fossilen Energiewirtschaft ist der Kaufkraftabfluss in den arabischen Raum“, meint Zillner. Die damit verbundene Abhängigkeit von Ländern mit unterentwickelten demokratischen Systemen ist eine starke Triebfeder für den Aufbau eines nachhaltigen, erneuerbaren und lokal orientierten Energiesystems – und dann Wasserstoff statt Öl importieren? Die österreichische Position lässt sich für Zillner auf einen einfachen Nenner bringen: „Wir sind für grünen Wasserstoff.“
Grün ersetzt blau
Das heimische Ziel sieht den Aufbau von 1-2 GW Elektrolysekapazität bis 2030 vor. Bei einer positiv geschätzten Umwandlungseffizienz von 75 Prozent ergibt das maximal 7,5 TWh Wasserstoff im Jahr. Zum Vergleich: Der Inlandsverbrauch an fossilem Wasserstoff, der vor allem in industriellen Prozessen eingesetzt wird, beträgt derzeit rund 4,6 TWh. Will man Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Industrie einsetzen, also etwa Erdgas durch Wasserstoff ersetzen, ist ein Vielfaches davon nötig: Alleine die heimische Stahlindustrie würde an die 17 TWh im Jahr benötigen. „Wir haben beim Wasserstoff ein Mengenproblem“, sagt Zillner, und warnt davor, alle Chips auf das Wasserstoffthema zu setzen. Wasserstoff, insbesondere die grüne Variante davon, müsse energieintensiven Industrieprozessen vorbehalten bleiben, um dort eine punktuelle Dekarbonisierung zu ermöglichen. Also genau dort, wo jetzt schon blauer Wasserstoff eingesetzt wird, etwa in der Raffinierie, in der Chemieindustrie oder in der Kunststoffproduktion.
Punktuelle Einsatzmöglichkeiten
Gar nichts hält der Energieexperte somit von der Idee, den aufwändig produzierten Wasserstoff etwa für die Raumwärme zu nutzen, für die ausreichend andere Technologien und genügend erneuerbare Energieträger zur Verfügung stehen. Denn bei der Elektrolyse, einem gut bekannten und erforschten Prozess, stoße man an chemische und physikalische Grenzen. Zillner: „Um Wasserstoff- vom Sauerstoff-Moleküle zu trennen, ist nun mal eine gewisse Energiemenge nötig, die auch durch weitere Forschungsarbeiten nicht unterschritten werden kann.“ Es gehe darum, die punktuell richtigen Einsatzmöglichkeiten zu finden. So habe etwa ein oberösterreichische Wechselrichterspezialist, der seit vielen Jahren an innovativen PV-Anwendungen forscht und schon vor fast 10 Jahren erste Wasserstoffanwendungen präsentierte, einen vielversprechenden Ansatz gewählt. Ausgehend von der Tatsache, dass Elektrolysatoren in Volllast am besten laufen, und die volatile Sonneneinstrahlung in Betracht ziehend, hat das Unternehmen einen modularen Elektrolysator entwickelt. Davon können bis zu zwölf hintereinander geschalten und je nach Sonneneinstrahlung in Betrieb genommen werden – so laufen sie jeweils im optimalen Betriebszustand, was die Effizienz der Elektrolyse deutlich erhöht. Einen ähnlichen Ansatz gibt es auch in anderen erneuerbaren Energiegewinnungsbereichen, etwa bei Pumpspeicherkraftwerken.
Simulation und Steuerung
Für den effizienten Betrieb von modular aufgebauter Erneuerbaren Energiegewinnung sieht Zillner noch drei weitere Anforderungen: Es braucht Automatisierungs- und Steuerungssysteme, die das Zusammenspiel der Module sicherstellen. Weiters ist eine gute Simulation nötig, die etwa lokale Wetterprognosen mit einbezieht, sowie ein systemischer Ansatz, der über die Systemgrenzen der eigenen Anlage hinausdenkt und die Ressourcenverwendung der Umgebung miteinbezieht – etwa Abwärme von Produktionsmaschinen, Überschussenergie von PV-Anlagen oder Heizkesseln. Zillner: „Die Energiegemeinschaften, die nach dem kommenden EAG (Erneuerbaren Energie Gesetz) erstmals die gemeinsame Nutzung von lokal verfügbarer Energie möglich machen werden, werden jede Menge an neuen Steuerungs- und Sensortechniken benötigen, um die kleinen Energiemengen messen, verteilen und abrechnen zu können.“
Zurück zum Menschen
Christian Wögerer, Netzwerkkoordinator bei der oberösterreichischen Forschungsgesellschaft, beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Themen rund um Erneuerbare Energien. „Ich habe oft das Gefühl, dass heute am selben Punkt angesetzt wird wie damals.“ Als Beispiel nennt er Forschungsprojekte zu Biogas oder CO2-Rückgewinnung, die immer wieder ähnliche Anläufe unternehmen. Das sei zwar sinnvoll, aber „dafür braucht man einen langen Atem“ – denn eine rasche Umsetzung in marktreife Produkte sei da einfach nicht zu erwarten. Doch ein Perspektivenwechsel hätte da einige neue, zukunftsträchtige Ansätze gebracht. Gerade bei den Energiegemeinschaften lässt sich das gut zeigen: „Wir brauchen bedienbare Geräte!“, betont Wögerer. Nur wenn Energiegewinnung, Verteilung und Abrechnung auch transparent und intuitiv nutzbar sind, könne das volle Potenzial genutzt werden. Es geht für ihn auch hier um kognitive Assistenzsysteme, die den Betreibern zeigen, wie sie einfach Energie sparen oder effizienter einsetzen können. Wögerer: „Dazu verfolgen wir einen transdiziplinären Ansatz, der den Menschen und seine Nutzungsgewohnheiten wieder in den Mittelpunkt stellt.“ Vor lauter Technologieorientierung sei auf Interface, auf die Schnittstelle zum Menschen lange vergessen worden: Das rückt jetzt wieder in den Mittelpunkt. Theodor Zillner pflichtet dem bei und verweist auf das Forschungsthema „Energy Transition 2050“, das der Klima- und Energiefonds ausgeschrieben hat, um Themen der Akzeptanz und der Steuerung von Veränderungsprozessen im Energiesystem besser handhaben zu können.