Blog : Losgröße 1: Wo stehen wir?

Die individualisierte Fertigung ist ein wichtiger Aspekt von Industrie 4.0. Möglich wird die Herstellung von Einzelstücken zu den Kosten einer Serienfertigung durch die enge Verzahnung von Prozessen aus Einkauf, Verkauf, Logistik und Produktion, die dabei weitestgehend autonom ablaufen sollten. Derzeit ist rund jeder siebte Industriebetrieb schon dazu in der Lage, zu marktfähigen Kosten mit der Losgröße 1 zu fertigen. Das sagt der gerade erhobene „Industrie 4.0 Index 2019“ der Unternehmensberatung Staufen AG, für die wir zusammen mit den Experten von Staufen Digital Neonex GmbH mehr als 300 Industrieunternehmen in Deutschland befragt haben. In den nächsten Jahren wollen weitere Unternehmen zur individuellen Fertigung übergehen: 28 Prozent in den kommenden zwei bis fünf Jahren, weitere 15 Prozent in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren. Nur 14 Prozent der Befragten glauben, dieses Ziel nie verwirklichen zu können.

Wo Losgröße 1 nicht relevant ist

Gut ein Viertel der Unternehmen gab an, dass Losgröße 1 bei ihren derzeitigen Produkten nicht relevant sei. Dabei handelt es sich in erster Linie um Zulieferer einfacher Teile und Komponenten. Bei der Herstellung von Schrauben, Metallstiften oder auch einfachen elektrischen Bauteilen wie Schaltern und Lampenfassungen gehört die Massenproduktion in statischen Produktionslinien nach wie vor zum Kerngeschäft. Im Umkehrschluss sind aber eben knapp drei Viertel der Industriebetriebe davon überzeugt, dass auch ihr Portfolio von der enormen Flexibilität einer individualisierten Fertigung profitieren würde. Dass der Weg dahin nicht einfach ist, wird allerdings auch dadurch deutlich, dass der Anteil der „Losgröße-1-Unternehmen“ sich gegenüber der Vorjahresstudie nicht erhöht hat. Doch das dürfte sich in den kommenden Jahren ändern. Schließlich sagen laut aktuellem Industrie 4.0 Index sieben von zehn Unternehmen, dass die individualisierte Fertigung sowohl für sie als auch für ihre gesamte Branche ein wichtiges strategisches Thema ist.

Wer sich mit Losgröße 1 schwer tut

Spielt die Individualisierung nach Kundenanforderungen im Maschinen- und Anlagenbau traditionell eine sehr große Rolle, hadert die Automobilindustrie noch etwas mit dem Begriff Losgröße 1. Geschuldet ist diese Skepsis möglicherweise dem Marken- und Produktverständnis der Branche. Immerhin lebt der Endkundenmarkt stark von einer persönlichen Identifikation mit Automodellen. Damit ist man geneigt, auch sehr stark modifizierte Produkte als Teil einer Serie wahrzunehmen. Dennoch tut sich gerade in der Automobilindustrie derzeit eine ganze Menge. So gehen die Hersteller immer mehr zu einer kundensynchronen Fertigung mit flexiblen Losgrößen über. Dabei ist die Anzahl der unterschiedlichen Lose durch das Angebot in den Konfiguratoren nahezu unbegrenzt. Darüber hinaus haben auch Moden wie beispielsweise Tendenzen zu bestimmten Farben eine hohe Bedeutung und nehmen Einfluss auf die Losgrößen. Die Herausforderung für die Automobilhersteller ist, diese Form der Herstellung möglichst schnell kostenoptimal umzusetzen.

Warum der Weg zu Losgröße 1 hart ist

So erfolgreich einzelne Unternehmen mit der Losgröße 1 bereits auch sind – vielen Betrieben steht noch ein harter Weg bevor. Denn Industrie 4.0-Konzepte entfalten erst dann ihr ganzes Potenzial, wenn die gesamte Wertschöpfungskette einbezogen ist. Noch bestehen in gewachsenen Betrieben vielerorts digitale Brüche, Schnittstellen also, über die Maschinen nicht autark kommunizieren können. Aber erst eine durchgängig homogene IT-Infrastruktur von der Administration über die Fertigungsroboter bis hin zum Produkt ermöglicht wirtschaftlich erfolgreiche Individualisierungsstrategien.