Robotik-Verband : Industrie 5.0 wertet den Blaumann auf

Es werde keine menschenleeren Fabriken geben, sagt Helmut Schmid, Vorstand des im Jänner 2021 neu gegründeten Robotik-Verbands: „Es wird auch in Zukunft viele manuelle Tätigkeiten in der Produktion geben.“ Das ist für ihn die Essenz der Idee „Industrie 5.0“: Dass der Mensch sich auf das konzentrieren soll, was er am besten kann – kreativ sein, entscheiden, haptisch sensible Tätigkeiten ausführen –, und dabei von Automatisierungslösungen wie Cobots unterstützt wird. Mehr noch: „In Zukunft wird der Blaumann die Roboter bedienen und ihnen die Tätigkeit vorgeben, statt sie selbst durchzuführen. Das wird zu einer Aufwertung der manuellen Arbeit führen!“

Plattform für KMUs mit Automatisierungsambitionen

Schmid war lange Jahre in führenden Positionen beim Cobot-Weltmarktführer Universal Robots tätig. Seit seinem Ausscheiden berät er Start-up und investiert auch selbst als Business Angel in aussichtsreiche Ideen. Vor allem aber ist er die treibende Kraft hinter dem Robotik-Verband, der sich dezidiert als Plattform für KMUs mit Automatisierungsambitionen sieht. „Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen fühlen sich von den großen Verbänden nicht wirklich angesprochen und vertreten“, so Schmid, der selbst mehrere Jahre im Vorstand des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer) war: „Der VDMA macht einen hervorragenden Job, nur beginnt für den der Mittelstand bei 3.500 Mitarbeitern.“ Gerade KMUs seien aber noch wenig automatisiert und bräuchten eine ganz andere Ansprache als Großunternehmen und Konzerne: Austausch auf Augenhöhe, neutrale Beratung und niederschwellige Angebote zur automatisierten Unterstützung in der Produktion.

Arbeiter durch Cobots freispielen

Den Cobot sieht Helmut Schmid für KMUs als „idealen Einstieg in die Automatisierung“. Das hat vor allem mit dem Arbeitsmarkt und der demographischen Entwicklung zu tun. In den kommenden 10 Jahren wird in Mitteleuropa die Lücke an verfügbaren Arbeitskräften noch weiter aufgehen als bisher. Ein Beispiel: Schweißer seien kaum mehr zu finden, aber diese Tätigkeiten könnten oft auch von einem Roboter übernommen werden. Wenn nun der Arbeiter im Blaumann, anstatt selbst zu schweißen, einen oder mehrere Cobots anleitet, ist das eine Unterstützung für ihn, wertet seine Arbeit auf und spielt ihn für andere, höherwertige Tätigkeiten frei. Dasselbe gilt für Entgraten, Schleifen oder Polieren.

„Die Zukunft in der Automatisierung muss Do-it-Yourself sein“

„In vielen Werkshallen sind wir noch lange nicht bei Industrie 4.0 angekommen, da finden wir oft noch Industrie 2.0 oder 2.5“, sagt Schmid. Die Digitalisierungslücke müsse erst geschlossen werden, eine Vernetzung der Bestandsmaschinen sei vor allem in KMUs noch lange nicht abgeschlossen. Das müsse den betroffenen Unternehmen einfach wie möglich gemacht werden. Schmid: „Die Zukunft in der Automatisierung muss Do-it-Yourself sein“. Das kann ein Cobot sein, der von der Stange gekauft und ohne Programmierkenntnisse auf die gewünschten Tätigkeiten eingeschult werden kann. Das kann auf einer höheren Ebene aber auch für ganze Produktionsprozesse gelten, für die Risikoanalysen und Zertifizierungen nötig seien: „Am besten wäre eine einfach zu bedienende Online-Plattform, wo der einzelne Unternehmer seinen Prozess als digitalen Zwilling abbilden und evaluieren kann.“

Robotik-Verband lädt zur Mitgliedschaft ein

Der Robotik-Verband diskutiert und entwickelt solche Themen gemeinsam mit seinen Mitgliedern. Derzeit zählt man 150 Mitglieder: Hersteller, Anwender und Integratoren, aber auch interessierte Einzelpersonen und Vertreter von Hochschulen, die sich mit Automatisierung und Robotik im KMU-Umfeld beschäftigen. Neben Schmid bringen mit Ex-Fanuc-Vorstand Olaf Gehrels und Safety-Consultant Christoph Ryll weitere ausgewiesene Experten ihr Know-how in den Verbandsvorstand ein. Und ja, auch wenn der Verband ein „Deutsch“ im Namen trägt, sind Teilnehmer aus Österreich oder der Schweiz explizit eingeladen: „Wir haben jetzt schon Mitglieder und Teilnehmer bei unseren digitalen Kamingesprächen aus Österreich!“, so Schmid.