Kommentar : EU-Verordnung: Steigende Anforderungen an die Antriebstechnik
Im Kern geht es darum, dass der Geltungsbereich deutlich erweitert wird und nun ein größeres Leistungsspektrum und zusätzliche Typen von Elektromotoren umfasst. Erstmals fallen auch Drehzahlregelungen unter die Bestimmungen. Diese Maßnahmen sollen zu Stromeinsparungen von 10 TWh pro Jahr und zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen von 3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr im Jahr 2030 führen.
Technische Neuerungen im Detail
Die Erweiterung der (EG) 640/2009 wird zukünftig für den direkten Netzbetrieb bestimmte Induktionsmotoren ohne Kohlebürsten, Kommutatoren, Schleifringe und elektrische Rotoranschlüsse, die wie bisher für den Betrieb bei einer sinusförmigen Spannung mit einer Frequenz von 50 Hz, 60 Hz oder 50/60 Hz ausgelegt sind, einschließen. Neu ist, dass auch achtpolige Motoren einbezogen werden (neben zwei-, vier- und sechspoligen). Die zugrundeliegende Nennspannung bleibt unverändert, sie liegt nach wie vor im Bereich zwischen 50 V und 1.000 V. Die Ausgangsleistung wurde allerdings deutlich erweitert und liegt künftig zwischen 0,12 kW und 1.000 kW (bisher 0,75 kW und 375 kW). Die Neuerung umfasst dabei aber nur Motoren, die für den Dauerbetrieb ausgelegt sind: die Betriebsklassen S1, S3 >= 80 % und S6 >= 80 % gemäß IEC 60034-1:2017. Erstmals erfasst sind nun auch Drehzahlregelungen mit Dreiphasen-Eingang und solche, die für den Betrieb mit einem Elektromotor ausgelegt sind, der sich innerhalb des Geltungsbereichs befindet. Die Gültigkeit der Verordnung ist dabei aber auf Geräte mit Wechselstromausgang beschränkt.
Umsetzung in zwei Etappen
Die Änderungen erfolgen in zwei Schritten. Ab dem 1. Juli 2021 gilt, dass die Energieeffizienz von Drehstrommotoren mindestens dem Wirkungsgrad IE3 entsprechen muss, sofern diese eine Nennleistung von mindestens 0,75 kW und maximal 1.000 kW haben, über zwei, vier, sechs oder acht Pole verfügen und keine Ex eb Hochsicherheitsmotoren sind. Drehstrommotoren, die den Kriterien unterliegen und über eine Nennleistung zwischen 0,12 kW und 0,75 kW verfügen, müssen mindestens den Wirkungsgrad IE2 besitzen.
Die zweite Stufe der Umsetzung tritt am 1. Juli 2023 in Kraft und beinhaltet Regelungen zu Ex eb Motoren. Die Energieeffizienz solcher Aggregate muss dann bei einer Nennleistung zwischen 0,12 kW und 1.000 kW sowie zwei, vier, sechs oder acht Polen mindestens IE 2 entsprechen, das gleiche gilt für Einphasenmotoren mit einer Nennleistung von 0,12 kW oder größer. Die Energieeffizienz von zwei-, vier- oder sechspoligen Drehstrommotoren, die keine Bremsmotoren, Ex eb Motoren mit erhöhter Sicherheit oder andere explosionsgeschützte Motoren mit einer Nennleistung zwischen 75 kW und 200 kW haben, müssen mindestens dem Wirkungsgrad IE4 entsprechen.
Energieeffizienz auf Anlagenebene
IE-4-Motoren allein machen noch keine effiziente Anlage. Um die gewünschte Energieeinsparung zu realisieren, müssen zudem die richtigen Komponenten für die jeweilige Anwendung ausgewählt und kombiniert werden. Dabei kommt es auch darauf an, dass nicht nur der Motor, sondern auch seine Ansteuerung zur Anwendung passen. Drehzahlverändernde Antriebe sollten nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie funktionsbedingt gebraucht werden oder signifikant Energie einsparen, etwa durch langen Teillastbetrieb. Bei Anwendungen mit fixer Drehzahl sind hingegen Motorstarter nach wie vor die prädestinierte Lösung.
Für die Beurteilung der Gesamtenergieeffizienz eines Antriebssystems liefert der EN 50598 eine gute Grundlage. Gegenstand dieser Norm sind Richtlinien für Antriebssysteme, Motorstarter, Leistungselektronik und deren angetriebene Einrichtungen. In Teil 2 der Norm, werden Indikatoren für die Energieeffizienz von Antriebssystemen und Motorstartern spezifiziert. Um die Gesamteffizienz eines Systems zu ermitteln, reicht es bei drehzahlgeregelten Antrieben nicht aus, die IE-Klassen von Frequenzumrichter und Motor zu kombinieren, stattdessen muss unter Berücksichtigung des Energieverlustes die Gesamteffizienz des Systems individuell berechnet werden.
Passende Komponenten wählen
Je nach Anwendungsfall, sollte ein Motorstarter oder Frequenzumrichter für den Betrieb von IE3- oder IE4-Motoren zum Einsatz kommen. Die Wahl hängt von der Betriebsart ab: konstant oder mit häufigen Starts und Stopps/Lastwechseln. Konstrukteure, die sich für einen drehzahlgeregelten Antrieb entscheiden, sollten darauf achten, dass der Frequenzumrichter auch für den Einsatz mit einem hocheffizienten Motor ausgelegt ist.
Da im Bereich der IE4-Motoren neben Drehstrom-Asynchronmotoren auch Permanentmagnet- und Synchron-Reluktanz-Motoren eingesetzt werden, benötigen die Frequenzumrichter entsprechend angepasste Regelalgorithmen. Aber auch beim Drehstrom-Asynchronmotor gibt es Veränderungen, sodass statt ohmscher, vermehrt induktive Widerstände vorherrschen. Ist der Frequenzumrichter nicht auf derartige Anforderungen ausgelegt, kann das zu Problemen führen, wie unzureichendem Drehmoment, lautem Betriebsgeräusch oder dem Extremfall, dass der Motor gar nicht anläuft.
Auch Motorstarter müssen für die erhöhten Anlaufströme der hocheffizienten Motoren ausgelegt sein, sonst kann es zu Fehlauslösungen der Schutzmechanismen und erhöhtem Verschleiß kommen. Schaltgeräte, die zusammen mit IE3- und IE4-Motoren eingesetzt werden, müssen sowohl die höheren Anlauf-, als auch Inrush-Ströme der hocheffizienten Motoren sicher beherrschen. Dazu gehört auch, dass die Motorenabsicherung zwischen dem Inrush-Strom des Motors und einem Störfall wie einem Kurzschluss unterscheiden kann.