Corona & die Lieferkette : Die Verfügbarkeit von Chips ist mittelfristig entscheidend
Malaysia hat 32 Mio. Einwohner und mit Stand 24. März 1.624 bestätigte Corona Fälle. Das ist nur unwesentlich mehr als in Tirol und insgesamt etwa nur ein Drittel der in Österreich bekannten Fälle. Auch die täglichen offiziellen Zuwachsraten im niedrigen zweistelligen Bereich sind mit Österreich vergleichbar, nur eben bei viermal so vielen Einwohnern. Sollte die Situation in Malaysia jedoch eskalieren und zu jenem Shutdown führen, den viele Teile der Welt momentan erleben, kann das gravierende Folgen für die Elektronik- und Automatisierungsbranche haben, glaubt Andreas Pfeiffer, Leiter für Kundenbetreuung und Marketing beim oberösterreichischen EMS-Anbieter Ginzinger electronic systems. Denn Malaysia ist nämlich zentral für das „Packaging“ von Chips. Die Chip-Hersteller aus aller Welt schicken ihre Produkte hauptsächlich in die hier angesiedelten Fabriken, um die Chips zum Schutz mit Plastik zu umhüllen. Ein angeordnetes Schließen der Fabriken, wie es im Jänner in China nötig war, hätte gravierende Auswirkungen für die Lieferfähigkeit der Chiphersteller und damit der gesamten darauf angewiesenen Verarbeiter.
Pufferlager für drei Monate
„Das ist eine Situation, die wir genau beobachten müssen“, sagt Andreas Pfeiffer. Auch von den Distributoren hat er dazu schon entsprechende Vorwarnungen erhalten. Für Ginzinger steht die Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit derzeit generell im Mittelpunkt. Mit Ausnahme der Chips sieht er mittelfristig dabei keine großen Probleme: „Unsere Läger sind gut gefüllt, wir haben sowohl bei Fertig- als auch Halbfertigwaren sowie bei Rohmaterial bis zu drei Monate gepuffert.“ Selbst wenn einzelne Zulieferer in der derzeitigen Situation für mehrere Wochen die Produktion herunterfahren oder gleich ganz auf Betriebsurlaub gehen, stellt das derzeit kein großes Problem dar. Viel Arbeit macht natürlich die Anpassung von Rahmenverträgen mit jedem einzelnen der vielen Lieferanten, aber produktionsseitig wird es erst eng, wenn die Supply Chain zwei bis drei Monate ausfällt.
Die Bedeutung der vielen Zulieferanten ist dabei sehr unterschiedlich zu bewerten: Für maßgefertigte Stifte, die von einem Galvaniseur aus der Region kommen, ist es recht einfach, einen Ersatz zu finden. Bei Widerständen und Kondensatoren ist die Zusammenarbeit mit den Distributoren relevant – und dann ist da eben noch die Frage nach den Chips, die auf längere Sicht den größten Unsicherheitsfaktor darstellt.
Branchenspezifische Herausforderungen
Der EMS-Anbieter Ginzinger beliefert sehr unterschiedliche Branchen, die derzeit mit ebenso unterschiedlichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Manche haben den Launch von Neuprodukten verschoben, weil die Möglichkeit zur Präsentation der Neuheiten durch die Absage von Messen derzeit nicht gegeben ist – wie etwa die Light & Building in der Gebäudetechnik. Andere produzieren zwar weiter, etwa Nutz- und Spezialfahrzeugsbauer, hätten aber das Problem dass ihre Produkte von der öffentlichen Hand abgenommen werden müssen, was derzeit nicht oder nur verzögert möglich ist. Umgekehrt läuft gerade bei jenen Unternehmen, die nach China liefern, das Geschäft wegen der sich dort entspannenden Situation gerade wieder gut an. Nahezu reibungslos funktionieren auch Entwicklungsprojekte, meint Pfeiffer: „Hier war Home Office für uns und unsere Mitarbeiter schon bisher nichts Neues, daher läuft das gut weiter.“ Denn natürlich sind alle Ginzinger-Mitarbeiter, die nicht in der Produktion benötigt werden, derzeit im Home Office. Mit aufgestockten Internet-Bandbreiten, einem eignen Server für Videokonferenzen – bei dem Spezialisten für embedded Linux kommt selbstverständlich ein Open-Source-System zum Einsatz, nämlich Jitsi – sowie entsprechende Vorsichtsmaßnahmen in der Produktion läuft der Betrieb weiter. „Wir fahren derzeit zwei nicht überlappende Schichten, achten auf Sicherheitsabstand und Hygienemaßnahmen – und vor allem darauf, dass immer eine Führungskraft anwesend ist“, so Pfeiffer. Das sei nicht in allen produzierenden Unternehmen der Fall, was sich sowohl auf die Motivation der Produktionsmitarbeiter als auch auf die Entscheidungsfähigkeit negativ auswirkt.
Erreichbarkeit und Lieferfähigkeit gewährleisten
Die Weichen für den Weg durch die Krise wurden bei Ginzinger electronic systems am 16. März gestellt. An diesem Montag beschloss die Geschäftsleitung, unter dem Eindruck der da noch völlig neuen Informationen vom Freitag davor, den Betrieb für den ganzen Tag zu schließen und in Krisensitzungen das weitere Vorgehen zu besprechen. „Oberste Prämisse ist es, die Erreichbarkeit für den Kunden zu gewährleisten und ihn möglichst ohne Unterbrechung weiter zu beliefern und unterstützen zu können“, fasst Pfeiffer den Grundtenor der Maßnahmen zusammen. Die Lieferfähigkeit ist gegeben – zumindest so lange Malaysia noch die Chips verpackt.