Coronavirus : Cyberattacke & Coronavirus: Wie Pilz mit zwei existenzbedrohenden Krisen umgeht
Der Cyberangriff vom Oktober letzten Jahres hätte das Ende des Unternehmens bedeuten können, das betont Thomas Pilz immer wieder – unter anderem bei der 50-Jahr-Feier der österreichischen Niederlassung im November, nachzulesen hier. Mit 42 Niederlassungen und Produktionsstätten auf allen Kontinenten ist der Sicherheitsspezialist aber auch von der aktuellen Corona-Krise massiv betroffen. Das beginnt bei eigenen Fabriken und Zulieferbetrieben in China und der weltweiten Vernetztheit der Lieferketten. Wie geht ein Unternehmen damit um, innerhalb von nur sechs Monaten zweimal am Rande des Abgrunds zu stehen – und was konnte man aus dem Cyberangriff für die Bewältigung der aktuellen Corona-Krise lernen?
Netze gefordert
„In jeder Krise ist es wichtig, zu kommunizieren und in Kontakt zu bleiben“, sagt David Machanek, Vertriebsleiter Österreich: „Während der Cyberattacke hat sich gezeigt, wie wichtig ein enger Austausch untereinander ist und wie wichtig es ist, einander fortlaufend zu informieren.“ Doch während die Cyberattacke die virtuelle Vernetzung innerhalb des Unternehmens wegen des IT-Ausfalls verunmöglichte, stehen jetzt genau jene Tools im Zentrum, die seither aufgebaut wurden: „Wir beschleunigen den ohnehin geplanten Roll-Out von weiteren Kollaboration-Tools wie Microsoft Teams, um noch leichter per Chat, Video- oder Telefonkonferenzen kommunizieren zu können.“ Denn der Corona-Virus nimmt den Mitarbeitern die Möglichkeit, einander persönlich zu begegnen. Auch Pilz lernt jetzt das „neue Arbeiten“ mit Home Office von allen, die nicht unbedingt vor Ort Hand anlegen müssen. Die dabei auftretenden Probleme sind die gleichen, die in dieser Situation viele haben: „Wir müssen wir nun Kommunikationswege in einem Ausmaß nutzen, mit dem auch die Onlineprovider nicht gerechnet haben. Dieser Ansturm hat offensichtlich zu einer massiven Beeinträchtigung in den Datenverbindungen geführt sowie zu Ausfällen von WLAN und mobilem Internet“, so Machane, der aber bereits eine Stabilisierung bei den Telekommunikationsnetzen zu erkennen glaubt.
Nachricht aus Jintan
Das dichte Netz an internationalen Niederlassungen brachte Pilz immerhin den Vorteil, schon sehr früh die Corona-Krise erkannt zu haben. Machanek: „Die Geschäftsleitung hat schon im Jänner entschieden, bis auf Weiteres keine Geschäftsreisen von Pilz-Mitarbeitern nach China zu erlauben, geplante Reisen zu stornieren und Besuche von chinesischen Gästen abzusagen.“ Die frühe Reaktion liegt am Pilz-Werk in Jintan, nur wenige hundert Kilometer vom Corona-Epizentrum Wuhan entfernt. Hier mussten die Betriebsferien, die traditionell rund um das chinesische Neuhjahrsfest angesetzt sind, aufgrund der Anweisungen der chinesischen Behörden um zwei Wochen verlängert werden. Das betraf auch den chinesischen Beschaffungsmarkt, da auch die Zulieferbetriebe geschlossen blieben. Pilz hat daher schon im Jänner einen Sonderstab gebildet, um die Lieferfähigkeit aufrecht zu erhalten. Machanek: „Dieser besteht aus Einkauf, Produktion und Vertrieb International, prüft rund um die Uhr die Verfügbarkeit von Bauteilen und beauftragt gegebenenfalls andere Lieferanten.“
Weltweit die gleichen Prozesse
Eine der Gegenmaßnahmen, die gleich zu Beginn gegriffen haben und die Lieferfähigkeit sicherstellten, war die Verlagerung von Teilen der chinesischen Produktion in die Werke in Ostfildern in Deutschland sowie nach Betschdorf im Elsaß. Das war nur möglich, weil Pilz weltweit nach den selben Prozessabläufen und mit den gleichen Maschinen und Arbeitsmitteln fertigt, sagt Machanek: „Somit konnten wir innerhalb weniger Tage die Produktion wichtiger Produkte verlagern und die Ausfälle so kompensieren.“
Ein weiterer wichtiger Lerneffekt, den Pilz während der Cyberattacke erlebt hat und auf die man nun als Erfahrungswert gelernt hat: „Wir konzentrieren uns auf die Verfügbarkeit von angefragten Komponenten und Dienstleistungen“, sagt Gerhard Stockhammer, Leiter des Customer Support in Wien. Konkret heißt das, dass die Stabilität des Lieferprozesses priorisiert wird – beginnend von der Lieferkette und der Produktion bis zur Auslieferung an den Kunden und die Reaktion auf Diensleistungsbedürfnisse. Stockhammer: „Unsere Technik und alle anderen Mitarbeiter, die nicht notwendigerweise im Büro sein müssen, arbeiten von zu Hause aus. Alle Maßnahmen zielen darauf ab, einen Beitrag zum Schutz von uns selbst und unseren Familien zu leisten.“
Das betrifft nicht nur die Lage vor Ort, sondern auch in den besonders betroffenen Gebieten. So habe Pilz noch im Jänner 2.000 Schutzmasken von Deutschland aus an alle Mitarbeiter in China und deren Familien geschickt. Pilz China hat auch, zusätzlich zu den staatlich verordneten Regeln, einen Gesundheitsfürsorgeplan für das Betreten und den Aufenthalt in den Firmengebäuden aufgestellt. In Italien wurde nach demselben Muster gehandelt: Besondere Hygienevorschriften wie stündliches Händewaschen und das Reinigen von Tischen und Möbeln wurden dort ebenso eingeführt wie die Pflicht für die Mitarbeiter, im Lager und im Expedit Masken und Handschuhe zu tragen. Stockhammer: „Diese Maßnahmen haben wir seitdem laufend auf andere betroffene Gebiete ausgeweitet.“
Die Folgen lassen sich auch bei Pilz noch nicht abschätzen: Eine international vernetzte, exportorientierte Branche wie die Automatisierungstechnik kann sich von der konkjunturellen Talfahrt nicht entkoppeln. Die Zahl der Werksschließungen in Österreich und Europa steigt täglich und weitet sich auf die ganze Welt aus. In Zahlen lässt sich das derzeit für niemanden beziffern, wichtig sei die rasche Reaktion auf neue Entwicklungen. Machanek: „Für die Kommunikation und Koordination haben wir intern zwei Krisenstäbe gebildet, die täglich die Lage neu bewerten und entsprechende Regelungen erarbeiten und kommunizieren.“