FEEI & IPCEI : Absicherung des Standorts
Marion Mitsch ist seit Jänner 2021 erste Frau an der Spitze des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie: Die studierte Betriebswirtin ist ausgewiesene Klima- und Umweltexpertin. Sie war seit 2015 Geschäftsführerin der UFH Holding und war dort unter anderem für den Aufbau der Sammel- und Verwertungsgesellschaften für Elektro-Recycling verantwortlich. Im Interview mit AUTlook spricht sie über Obsoleszenz als Kostenfrage, wie die Produktion für Schlüsseltechnologien in Europa gehalten werden kann, Eigenkapitalstärkung für die KMU-Zulieferindustrie und welche Rolle Smart Sensors oder Leistungshalbleiter bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen werden.
Frau Mitsch, Sie vertreten 300 Unternehmen der Elektro- und Elektronik-Industrie: Was ist für sie der gemeinsame Nenner?
Mitsch: Es geht für uns alle um die Absicherung des Standorts. Wir müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Produktion in Österreich zukunftsfit ist. Gerade durch die Pandemie haben wir die globalen Abhängigkeiten von den Lieferketten erkannt und die Notwendigkeit, technologische Souveränität in Europa zu halten. Für uns alle geht es darum, Forschung und Entwicklung zu fördern, da geht es in der Elektro- und Elektronikindustrie etwa um die IPCEI-Projekte, an denen sich unserer Mitgliedsbetriebe beteiligen.
Fördertopf: Schlüsseltechnologien für Industriestandort fördern
IPCEI steht für „Important Projects of Common European Interest“ und ist relativ wenig bekannt: Worum geht es dabei?
Mitsch: IPCEI ist ein europäisches Instrument, um Schlüsseltechnologien für den Industriestandort zu fördern und in Europa zu halten. Dieser Fördertopf wurde wettbewerbsrechtlich sehr sauber aufgesetzt: Jedes Unternehmen, das hier teilhaben möchte, muss viele Voraussetzungen erfüllen. Es muss bei der Technologie einen echten Engpass geben, es müssen Alleinstellungsmerkmale nachgewiesen werden sowie der essenzielle Bedarf, den Europa daran haben sollte. Dahinter ist ein komplexes Procedere, das für die Unternehmen recht aufwändig ist, aber eben sicherstellt, dass keine Marktverzerrung durch die Förderung eines im Wettbewerb stehenden Produkts stattfindet.
Es gibt drei IPCEI-Themen: Mikroelektronik und Batteriezellen laufen schon, Wasserstoff ist in Ausarbeitung. Wer aus Österreich ist bisher daran beteiligt?
Mitsch: Beim „IPCEI Mikroelektronik 1“, also dem ersten Förderungsdurchlauf, der 2018 gestartet wurde und zu dem Österreich im März diesen Jahres nach intensiven Bemühungen des FEEI nachträglich beitreten konnte, sind es drei: NXP, Infineon und AT&S. Dabei ging es um Themen wie energieeffiziente Chips, Leistungshalbleiter, Smart Sensors, optische Komponenten und Verbundmaterialien. Beim soeben startenden „IPCEI Mikroelektronik 2“, bei dem die Hearings laufen, haben aber schon an die 20 österreichische Elektronik-Hersteller Interesse bekundet!
Geht es bei IPCEI um ein „Reshoring“, also um ein Zurückholen von Produktionsschritten aus Asien nach Europa, oder um eine Absicherung bestehender Standorte?
Mitsch: Es geht definitiv um ein Absichern und ein Weiterentwickeln von bestehendem Know-how in Schlüsseltechnologien, ein Zurückholen nach Europa wird nicht mehr möglich sein. Mit IPCEI soll zukünftige Marktverzerrung verhindert werden: China hat seine Industrie in den letzten Jahren mit sehr hohen staatlichen Förderungen subventioniert, da gingen Milliarden in F&E – mit den daraus entstehenden Produkten überrollen die chinesischen Hersteller Europa einfach. Bei zukünftigen Technologien soll das nicht mehr passieren.
Krisen- und Obsoleszenz-Management
Dass die Pandemie einen Digitalisierungsschub gebracht hat, ist eine Binsenweisheit. Sind Ihre Mitgliedsbetriebe Profiteure oder selbst Leidtragende der Corona-Krise?
Mitsch: Eindeutig Profiteure. Es geht ja nicht nur in der persönlichen oder industriellen Kommunikation in Richtung digitaler Prozesse. Auch bei allem was mit dem Klimawandel zusammenhängt, bieten unsere Industrien entsprechende Werkzeuge und Hilfsmittel – etwa im Bereich Sensorik, Mess- und Steuerungstechnik. Die Digitalisierung wird einen großen Beitrag dazu leisten, dieses derzeit größte gesellschaftliche Problem zu lösen.
Ein Thema, mit dem industrielle Anwender von elektronischen Komponenten wie die Automatisierer immer mehr zu tun haben, ist das Obsoleszenz-Management. Häufig wird fehlende Zukunfts- und Planungssicherheit, aber auch Qualitätsmängel bei den Produkten beklagt. Wie stehen Sie als Lieferanten-Vereinigung dazu?
Mitsch: Die österreichischen Hersteller stehen gerade bei der Elektronik für qualitativ hochwertige Produkte. Sehr oft ist es eine Kostenfrage auf Anwenderseite: Wenn man nicht von einem europäischen Hersteller bezieht, sondern Komponenten deutlich billiger aus Asien bezieht, darf man sich nicht wundern, wenn diese eben keine 10 oder 15 Jahre halten. Das ist natürlich auch ein politisches Thema, wir wollen ja keine Wegwerfgesellschaft. Am besten ist der Abfall, der gar nicht erst entsteht. Aber ebenso gehört es dazu, wiederaufbereitetes Material als Sekundär-Rohstoff zu verwenden und so die Recycling-Quote zu steigern.
Was ist derzeit vor allem nötig, um durch die Krise zu kommen?
Mitsch: Wir blicken optimistisch in die Zukunft, aber was die Überwindung der Pandemie anbelangt haben wir als FEEI Forderungen für den „Weg aus der Krise“, der vor allem auf Planbarkeit pocht – eine klare Impfstrategie, Verlängerung der Kurzarbeit, Investitionsanreize, einheitliche Reisebestimmungen in Europa, und nicht zuletzt Eigenkapitalstärkung für die Zulieferindustrie, speziell die kleineren Betriebe, damit unsere Lieferketten im Inland auch in Zukunft aufrecht bleiben. Der Aufschwung wird kommen, doch die Folgen der Krise werden uns noch lange beschäftigen.
Über den FEEI
Der FEEI – Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie vertritt die Interessen von rund 300 Unternehmen, knapp 70.000 Beschäftigten und einem Produktionswert von über 18 Milliarden Euro in Österreich. Damit spricht der FEEI für den zweitgrößten Industriezweig Österreichs.