Interview: Gerald Steinbauer-Wagner : „Die Zukunft liegt in der Kooperation zwischen Mensch und Maschine“
Welche Pläne verfolgen Sie als neuer Präsident der GMAR?
Gerald Steinbauer-Wagner: Zum einen lege ich großen Wert auf die Vernetzung, aber ich sehe uns auch als Kommunikationskanal zwischen Firmen, Forschern, Anwendern und der öffentlichen Hand. In Zusammenarbeit mit den verschiedenen Ministerien gilt es, Förderungen an Land zu ziehen. Andererseits müssen wir bestmögliche Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung ermöglichen. Genau das ist der Auftrag der GMAR. Wir haben in den vergangenen Jahren einige Formate eingeführt, mit denen wir zu Austausch innerhalb der Branche anregen. Mir ist sehr wichtig, dass wir auch zwischen den Bundesländern vermitteln, denn in Österreich gibt es leider ein gewisses Maß an Silodenken und dem versuchen wir mit Besuchen in den Regionen entgegenzuwirken.
Was sind aktuell die wichtigsten Themen, die bei Ihnen am Institut und bei der GMAR diskutiert werden?
Steinbauer-Wagner: Der größte Bereich, den wir haben, ist die Fertigung mit allen ihren Teilbereichen. Es gibt aber auch eine Reihe neuer Themen, die in den vergangenen Jahren vermehrt vorkommen, wie die Kreislaufwirtschaft und die Automatisierung von ganzen Lieferketten. Das ist derzeit ein sehr großes Thema und es wird auch von der öffentlichen Hand unterstützt. Es gibt aber auch Querschnittsthemen wie Standards, Normen und Sicherheit. All die Systeme, an denen derzeit gearbeitet wird, kombinieren Hardware mit Software und das muss entsprechend zertifiziert werden.
In den Nischenmärkten sind wir sehr gut aufgestellt, in der Breite fehlt uns wahrscheinlich einfach die Größe.
Interessant finde ich, dass Sie Künstliche Intelligenz nicht genannt haben …
Steinbauer-Wagner: Ich erwähne KI gar nicht explizit, weil ich das als Teil des Ganzen ansehe. Heute kann man gar nicht mehr automatisieren ohne dem Einsatz von KI. Und das ist tatsächlich ein Schwachpunkt in Österreich, es gibt generell ein gewisses Missverständnis für KI und die Anwendungsmöglichkeiten. Derzeit gibt’s es ja einen großen Hype um Chat GPT, aber das sind für uns gar nicht die interessanten Anwendungen. In der Produktion geht es um Bilderkennung oder die Optimierung von Abläufen.
Wie schätzen Sie Österreich als Standort für Automatisierungstechnik und Robotik ein?
Steinbauer-Wagner: Ich glaube grundsätzlich sind wir nicht so schlecht aufgestellt und ein Indikator dafür ist ja, dass wir in Österreich ein hohes Wohlstandsniveau haben - das basiert ja zum großen Teil auf unseren Anlagenbauern und der industriellen Anwendung. In den Nischenmärkten sind wir sehr gut aufgestellt, in der Breite fehlt uns wahrscheinlich einfach die Größe. Wir haben auch gute Ergebnisse im Bereich der Forschung: Computer Vision, Machine Learning, alle diese Dinge beherrschen wir sehr gut. Was uns aber fehlt, das sind die großen Forschungsprojekte und Konsortien. Insofern sollten wir hier den europäischen Gedanken verfolgen und auf internationale Kooperationen setzen. Innovation ist ja eine Kette. Und die reicht von der Grundlagenforschung bis hin zur Applikation - da sprechen wir von einem Zeitsfenster von 30 Jahren. Dieses visionäre Denken fehlt mir in Österreich.
Man kann sich aber auch fragen, wie kompensiere ich diese schwindende Menge von Arbeitskraft durch Automatisierung.
Das Mandat des Österreichischen Rates für Robotik und Künstliche Intelligenz ist Ende 2021 ausgelaufen, seitdem hat man nichts mehr gehört. Welche Projekte werden derzeit mit der Regierung verhandelt?
Steinbauer-Wagner: Es gibt aus der Branche eine Reihe an Wünschen und Herausforderungen, die wir kanalisieren und an das Ministerium weiterleiten. Wir bewegen uns aber eher auf der strategischen Ebene und versuchen eine allgemeine Roadmap zu entwickeln. Für die Umsetzung ist dann schlussendlich die Politik zuständig.
Robotik und Automatisierung werden teilweise als Ausweg aus dem eklatanten Fachkräftemangel in Österreich angesehen. Sehen Sie hier konkrete Bemühungen seitens der Politik?
Steinbauer-Wagner: Sie sprechen hier einen wunden Punkt an. Man muss nämlich aufpassen, wie man das formuliert. Es gibt den Arbeitskräftemangel und den kann ich jetzt in zweierlei Richtungen adressieren. Einerseits kann natürlich versuchen, die besten Köpfe aus der ganzen Welt zu uns zu holen. Das wird aber langfristig nicht funktionieren, weil wir in allen entwickelten Ländern einen demografischen Wandel beobachten und diese Lücke wird sich weiter auftun. Man kann sich aber auch fragen, wie kompensiere ich diese schwindende Menge von Arbeitskraft durch Automatisierung. Im Endeffekt wird es wahrscheinlich eine Mischung aus beiden Strategien geben, da sich natürlich nicht alle Tätigkeiten automatisieren lassen. Es ist mir deswegen auch wichtig zu betonen, dass es nicht unser Bestreben ist, die Mitarbeiter wegzurationalisieren. Die Zukunft liegt in der Kooperation zwischen Mensch und Maschine.
Mit dem Programm Enaris (Education and Awareness for Intelligent Systems) bringen Sie diese Zukunftsthemen mit kostenlosen Workshops auch in die heimischen Schulen. Wie schätzen Sie das Interesse der Jugend ein?
Steinbauer-Wagner: Das ist zweigespalten. Was sehr gut funktioniert, sind die Besuche an den Schulen und die informelle Erwachsenenbildung. Wir haben früh erkannt, dass die Lehrer sehr gut als Multiplikatoren funktionieren. Wir geben den Lehrern also das Werkzeug in die Hand, mit dem sie in ihren Schulen das Wissen weitergeben können. Was momentan noch nicht so gut funktioniert, ist die Allgemeinheit zu erreichen. Da fehlt uns noch ein Konzept, wie man ein Grundwissen über KI der breiten Bevölkerung vermittelt. Das ist entscheidend, denn wenn die Menschen verstehen, was KI wirklich kann und was dahinter steckt, dann können auch die Ängste abgebaut werden.