Interview: Selim Kuljici : "Wir sehen uns als Enabler"

Hilscher Austria

Selim Kuljici ist ausgebildeter Mechatroniker und studierte in Steyr Produktion und Management. Er ist seit vielen Jahren in der Industrieautomatisierung tätig. Bevor er die Leitung von Hilscher Austria übernahm, war er Sales Manager bei der KEBA-Gruppe und Vertriebs- und Marketingleiter bei logi.cals.

- © Hilscher Austria

Wie hat sich die Niederlassung in Linz seit der Gründung entwickelt? 

Selim Kuljici: Die Entwicklung läuft gut. In den ersten beiden Jahren haben wir unseren Umsatz verdoppelt, im letzten Jahr konnten wir trotz der schwierigen Marktlage den Umsatz halten - und für dieses Jahr rechnen wir wieder mit einem leichten Wachstum. Am Anfang hatten wir nur wenige Großkunden, die mit netX beliefert wurden. Inzwischen konnten wir unsere Kundenbasis stark ausbauen und auch viele Neukunden im Embedded-Bereich gewinnen. Darunter sind auch vielversprechende Kunden, die mit kleineren Lösungen starten und in drei bis vier Jahren Wachstumspotenzial bieten. Zum Vergleich: 2021 hatte Hilscher vielleicht 15 Kunden in der Region, heute sind es rund 50. 

Wo sehen Sie die größten Zukunftsmärkte für Hilscher in Mittel- und Osteuropa? 

Kuljici: Ehrlicherweise muss man sagen, dass viele mitteleuropäische Unternehmen in diesen Ländern sehr aktiv sind. Viele deutsche, österreichische, italienische oder französische Unternehmen entwickeln und produzieren nicht mehr nur in ihren Heimatländern. Davon profitieren wir indirekt. Wir bringen unsere Technologie aktiv ein, profitieren aber auch passiv davon, dass es Ansprechpartner vor Ort gibt. Der Markt verlagert sich teilweise in diese Länder, was Vorentwicklung oder Produktwartung betrifft, sei es durch Partner oder eigene Niederlassungen. Das ist gut für uns, weil wir näher dran sind und diese bestehenden oder neuen Kunden direkt bedienen können. Hinzu kommt der Bekanntheitsgrad von Hilscher in Deutschland. Es gibt einige Firmen, die zum Beispiel in Ungarn produzieren und entwickeln. Wenn dort unsere Technik im Einsatz ist und Neuentwicklungen anstehen, sind wir gefragt.

Wir sehen SPE als wichtigen Trend und wir positionieren uns als Kommunikationsspezialist, der die Brücke von 10 Mbit zu 100 Mbit und zur Echtzeitkommunikation schlägt.

Auf Produktebene hat sich bei Hilscher in den vergangenen Jahren viel getan. Der neue SPE Media-Switch wurde unlängst in Shanghai mit einem Innovationspreis ausgezeichnet.

Kuljici: Wir sehen SPE als wichtigen Trend und wir positionieren uns als Kommunikationsspezialist, der die Brücke von 10 Mbit zu 100 Mbit und zur Echtzeitkommunikation schlägt. Wenn SPE auf der Feldebene eingesetzt wird, muss die Kommunikation nach oben in der Automatisierungspyramide weiterhin funktionieren. Ein SPE-Gerät nützt nichts, wenn die Anbindung an Profinet, EtherCAT etc. schwierig ist. Der SPE Media Switch ist ein Enabler, der es Geräten auf SPE-Ebene ermöglicht, nach oben zu kommunizieren: 10 Mbit auf 100 Mbit, später vielleicht auch Gigabit. Derzeit basiert es auf dem netX 90 Chip, der 100 Mbit unterstützt. Zusätzlich bieten wir ein Evaluation-Board für die SPE-Technologie an. Damit können Gerätehersteller Know-how aufbauen und eigene SPE-Geräte entwickeln und auf den Markt bringen. Auch hier sehen wir uns als Enabler: Standardisierung, kurze Time-toMarket. Ähnlich wie bei unseren Multi-Protokoll-Chips wollen wir den Geräteherstellern das Leben leichter machen.

Der SPE Media Switch von Hilscher hat auf dem 19. MM Modern Manufacturing - New Automation Forum den Preis in der Kategorie Innovatives Produkt gewonnen. Die Jury hob besonders hervor, dass das neue SPE-Gerät eine „schnelle und effiziente Methode" sei, um auf Basis der SPE-Technologie zusätzliche Sensordaten aus dem Feld z. B. einer SPS zur Verfügung zu stellen.

Der netX 900 wurde komplementär zum netX 90 vorgestellt. Heuer wurde das "Early Adapter"-Programm angekündigt ...

Kuljici: Ausgewählte Kunden werden bereits in diesem Jahr damit arbeiten können. Parallel dazu arbeiten wir an der Software, denn neue Chiptechnologien erfordern Anpassungen der Protokollstacks. Auch die Protokollorganisationen bewegen sich in Richtung Gigabit. Die Unterscheidung ist wichtig: netX 90 ist primär ein Slave-Chip, wenn auch mit Security-Funktionen. Der netX 900 bietet Gigabit, deutlich mehr Sicherheit und zusätzlich Master-Funktionalität. Wir müssen aber realistisch bleiben: Gigabit braucht nicht jeder Anwender. Die Technologie kann zwar alles abdecken, punktet aber vor allem weiter oben in der Pyramide. Auf der Feldebene reicht oft SPE mit 10 Mbit über weite Strecken. Daher ist der NetX 900 für die höheren Ebenen gedacht, während der netX 90 weiterhin parallel existiert und seine Berechtigung hat.

Bleiben wir kurz bei der Cybersicherheit. Was hören Sie derzeit von Ihren Kunden zur NIS-2-Richtlinie, die nun national umgesetzt werden muss? Spüren Sie ein erhöhtes Interesse?

Kuljici: Es herrscht eine gewisse positive Unruhe - jeder beschäftigt sich damit. Wir haben in Deutschland ein eigenes Team, das sich intensiv mit dem Thema und den Zertifizierungen beschäftigt. Mit unseren neuen Lösungen sind wir für die Zukunft gerüstet. Die Langlebigkeit macht es der Industrie nicht leicht, man kann Technologien wie Profibus, die immer noch weit verbreitet sind, wie wir an unseren Verkaufszahlen sehen, nicht einfach abschaffen. Es wird Möglichkeiten und Übergangsregelungen geben, um bestehende Installationen weiter zu betreiben.

Mit unseren neuen Lösungen sind wir für die Zukunft gerüstet.

Hilscher baut sein Partnerprogramm konsequent aus. So wurde kürzlich die Kooperation mit dem Linz Center of Mechatronics (LCM) aufgenommen. Was erhoffen Sie sich von dieser Partnerschaft? 

Kuljici: LCM ist sehr interessant, weil sie nah am Maschinenbau und an Forschung und Entwicklung sind. Die Zusammenarbeit kam über ein Projekt zustande: Ein Kunde war von unserer netX-Technologie überzeugt, hatte aber nicht die Ressourcen für die Umsetzung. Es ging um Embedded-Produkte, und durch die räumliche Nähe fiel der Name LCM. Wir haben schnell viele Überschneidungen festgestellt - Kommunikationstechnik, Antriebstechnik, Sensorik, IoT. Auch in der Forschung gibt es Berührungspunkte, aber noch keine aktiven Projekte. Da bin ich dran, denn Österreich hat interessante Forschungszentren wie die Silicon Austria Labs, mit denen wir bereits Innovationsgespräche geführt haben. Ich bin sicher, dass sich hier mittelfristig mehr ergeben wird, vielleicht im Bereich neuer Technologien.

Da Linz Center of Mechatronics wurde in das Patnernetzwerk von Hilscher aufgenommen. Dadurch wird die technische Expertise beider Unternehmen gebündelt, um noch fortschrittlichere industrielle Kommunikationsund Automatisierungslösungen zu entwickeln.

Kommen wir zu Ihrem Auftritt bei der SMART Automation in Linz. Was erwartet die Besucher am Hilscher-Stand?

Kuljici: Wir sind dieses Jahr wieder am Stand 411 vertreten. Wir zeigen dort unser gesamtes Portfolio, legen aber den Fokus auf die neuen Themen: SPE, Security, Gigabit und IoT. Natürlich sind auch unsere Standardprodukte wie netX-Technologie, Embedded Module, PC-Karten und Gateways zu sehen. Zum Thema IoT präsentieren wir den modularen Ansatz unserer netFIELD Lösung (HW/SW) mit RemoteManagement einer großen Flotte von Edge Gateways und Industrie PCs. Die Besucher können von uns Antworten auf diese Zukunftsthemen erwarten oder ihre Anliegen mit uns besprechen, die wir dann im Detail diskutieren. Durch unsere breite Präsenz in der Industrieautomation mit netX, Modulen und Chips haben wir viel Erfahrung gesammelt und bekommen ein schnelles Feedback von unseren Kunden.