Studie : EY-Studie: Wien ist Digitalisierungshotspot
Die Bedeutung digitaler Technologien für das Geschäftsmodell mittelständischer Unternehmen ist gegenüber dem Vorjahr erneut leicht gewachsen: 80 Prozent der Betriebe weisen ihnen inzwischen eine mittelgroße oder sehr große Bedeutung zu – vor einem Jahr noch lag der Anteil bei 77 Prozent. 29 Prozent (Vorjahr: 30 %) bewerten die Rolle der Digitalisierung sogar als sehr groß. Auf Platz Eins im Relevanz-Ranking liegen Finanzdienstleister (51 %), gefolgt von Transport, Verkehr und Energie (34 %), Schlusslicht ist der Real-Estate-Sektor (10 %).
Bereits 2020 hatte die Corona-Pandemie einen Digitalisierung-Schub in Österreich ausgelöst, der sich auch im Folgejahr erneut bemerkbar gemacht hat. Obwohl sich vergangenes Jahr Homeoffice, virtuelle Zusammenarbeit und digitales Umdenken bereits vielerorts gut manifestiert haben, geben auch heuer fast drei von vier befragten Mittelständlern (73 %) an, dass die Wichtigkeit digitaler Technologien durch die COVID-19-Krise noch weiter gestiegen ist. Lediglich jedes 50. Unternehmen stellt hingegen eine gesunkene Bedeutung fest.
„Viele Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass die digitalen Veränderungen, die aufgrund der Corona-Pandemie sehr rasch notwendig waren, zahlreiche Vorteile bieten und oft nun gar nicht mehr wegzudenken sind. Dennoch gilt es, sich nicht auf dem implementierten Status quo auszuruhen, denn der Technologiebereich entwickelt sich stetig weiter. Um auf der Überholspur zu bleiben, ist auch weiterhin Mut zu digitaler Transformation gefragt“, so Gunther Reimoser, Country Managing Partner bei EY Österreich.
Hälfte der Mittelständler plant keine digitalen Investitionen
„Möchte man weiterhin mit der Digitalisierung Schritt halten, sind Investitionen unverzichtbar“, ergänzt Axel Preiss, Leiter der Unternehmensberatung bei EY Österreich. Aktuell kommen digitale Technologien vor allem im direkten Kundenkontakt zum Einsatz (78 %), gefolgt von der Nutzung mobiler Endgeräte (52 %). Rund jeder sechste Mittelständler in Österreich (16 %) will in den kommenden zwei Jahren Cloud Computing im eigenen Unternehmen einsetzen, zwölf Prozent wollen Data Analytics einführen und jedes zehnte Unternehmen (10 %) setzt auf Künstliche Intelligenz. Trotz des Digitalisierungsschubs will fast jeder zweite Mittelständler (49 %) in den kommenden zwei Jahren keine zusätzlichen digitalen Technologien im eigenen Betrieb umsetzen.
Immerhin acht von zehn Mittelständlern (81 %) sehen derzeit keine hindernden Faktoren, die sie von einer Investition in die Digitalisierung des eigenen Geschäfts abhalten. Bei gewünschten, aber nicht durchführbaren Investitionen macht vor allem der Fachkräftemangel einen Strich durch die Rechnung: Jedes elfte befragte Unternehmen (9 %) nennt fehlendes Personal als Investitionshemmnis Nummer Eins, rund jedes 14. befragte Unternehmen (7 %) begrenzte finanzielle Ressourcen. Fehlendes Know-how wird nur von sechs Prozent der Betriebe als Hindernis genannt. „Über alle Branchen hinweg haben 83 Prozent Probleme damit, geeignete Fachkräfte zu finden – das hat auch Auswirkungen auf geplante Digitalisierungsprojekte, die durch fehlendes Personal nur langsam oder gar nicht vorankommen“, führt Preiss aus. Die Verfügbarkeit von Fachpersonal für das Vorantreiben von digitalen Technologien ist derzeit am eingeschränktesten in Oberösterreich (18 %), gefolgt von Tirol und Vorarlberg (je 17 %).
Bundeshauptstadt als Digitalisierungshotspot
Im Bundesländer-Ranking liegen Unternehmen mit Sitz in Wien vorne: 41 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Digitalisierung bereits jetzt eine sehr große Rolle für das eigene Geschäftsmodell spielt, für weitere 39 Prozent eine mittelgroße. Dahinter folgen Betriebe in Oberösterreich (31 % sehr wichtig, 52 % wichtig) und Vorarlberg (30 % sehr wichtig, 43% wichtig). Vergangenes Jahr lag Vorarlberg noch auf dem ersten Rang: 40 Prozent der Vorarlberger Mittelständler gaben 2020 an, dass die Digitalisierung sehr wichtig für das eigene Geschäftsmodell sei. Das Schlusslicht bildet heuer Niederösterreich (18 % sehr wichtig, 64 % wichtig).
KMU ziehen nach – Digitalisierung nicht mehr vorrangig Thema nur großer Unternehmen
Digitale Technologien sind für die Geschäftsmodelle von größeren Mittelständlern mit Jahresumsätzen jenseits der Zehn-Millionen-Grenze inzwischen lediglich geringfügig wichtiger als für Unternehmen mit Jahresumsätzen von weniger als zwei Millionen Euro: Der Anteil der Unternehmen, der digitalen Technologien eine mittelgroße oder sehr große Bedeutung beimisst, liegt bei größeren Unternehmen mit 82 Prozent nicht viel höher als bei Unternehmen mit Jahresumsätzen unter zwei Millionen Euro (78 Prozent).
Bislang verfolgten große und kleine Player der österreichischen Wirtschaft oft sehr unterschiedliche Wege, was den Stellenwert der Digitalisierung für das eigene Geschäft anbelangt. Diese Lücke hat sich nun merklich verringert: Während 2020 jedes zweite Unternehmen mit Jahresumsätzen von mehr als 100 Millionen Euro (56 %) digitalen Technologien eine sehr große Rolle für das eigene Geschäftsmodell zuschrieb, war es bei kleineren Unternehmen (Jahresumsatz unter 30 Millionen Euro) nur jedes vierte (26 %) – ein Unterschied von 30 Prozentpunkten. „Durch fast zwei Jahre Pandemie haben sich nun auch viele kleinere Betriebe von den Pluspunkten der Digitalisierung überzeugen lassen und diese im Arbeitsalltag teilweise fest verankert – der Skepsis ist ein Wille zur Veränderung gewichen. KMUs haben erkannt, dass sie den digitalen Absprung schaffen müssen, um nicht auf der Strecke zu bleiben und die Konkurrenz vorbeiziehen zu lassen“, erklärt Reimoser.
Auch wenn sich die meisten Unternehmen – unabhängig von der Umsatzkategorie – einig sind, dass dem technologischen Fortschritt eine große Bedeutung zuzuschreiben ist, sehen immer noch vor allem große Unternehmen Chancen in der zunehmenden Digitalisierung. Größere Mittelständler mit Jahresumsätzen jenseits der Zehn-Millionen-Marke bewerten die steigende Digitalisierung im Durchschnitt deutlich häufiger als Chance als kleinere Unternehmen (82 % versus 70 %).
Wirft man einen Blick auf das Bundesländer-Ranking, so sehen vor allem Kärntner und Oberösterreichische Betriebe die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft als Chance (je 87 %), in Wien (9 %) und dem Burgenland (8 %) empfindet sie hingegen knapp jedes zehnte Unternehmen als Bedrohung.
Als Bedrohung werden digitale Technologien nur von einer Minderheit betrachtet – bei kleineren Unternehmen mit Jahresumsätzen von weniger als zwei Millionen Euro liegt ihr Anteil bei neun Prozent, bei größeren Unternehmen bei lediglich zwei Prozent.
Nicht nur bei der Umsatzgröße, sondern auch quer durch die einzelnen Sektoren gibt es Unterschiede bei der Chancen-Bewertung: Unternehmen aus dem Gesundheitssektor (87 %) und aus den Bereichen Transport, Verkehr und Energie sowie Tourismus (je 84 %) sind besonders chancen-orientiert. Im Handel- und Konsumgüterbereich, der Industrie (je 7 %) sowie dem Real-Estate-Sektor (8 %) machen sich auch Wahrnehmungen einer Bedrohung durch die digitale Transformation breit.
Digitales Österreich: gute Noten für Standort, Transportsektor am zufriedensten
63 Prozent der mittelständischen Betriebe in Österreich bewerten die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung bezogen auf den eigenen Standort als positiv – das sind deutlich weniger als vor einem Jahr, als der Anteil bei 72 Prozent lag. Nur jedes zehnte Unternehmen (10 %) bewertet sie als ausgezeichnet. Fast jeder Dritte (31 %) bezeichnet die Rahmenbedingungen als mittelmäßig, sechs Prozent geben eine schlechte Note ab.
Vor allem die Leistungsfähigkeit der digitalen Infrastruktur – also der Zugang zu hohen Bandbreiten und Handyempfang – wird von fast drei Viertel (74 %) positiv bewertet. Die meisten guten Bewertungen stammen aus Salzburg (82 % sind zufrieden), gefolgt von Tirol (81 %). Kärnten (67 %) belegt den letzten Platz im Zufriedenheits-Ranking.
Mit den Kooperationspartnern vor Ort sind 67 Prozent zufrieden, mit den gebotenen Fördermöglichkeiten 68 Prozent. Auch hier ist Salzburg auf Platz Eins – der Zugang zu Fördermöglichkeiten wird von drei Viertel (74 %) positiv bewertet, Kärnten bildet erneut das Schlusslicht (62 %).
„Eine stabile und leistungsstarke Digital-Infrastruktur wird für Unternehmen zu einem immer wichtigeren Standortfaktor. Das schnelle und mittelfristige Ziel sollte es daher sein, die digitale Infrastruktur auch in den aktuell noch oft unterversorgten ländlichen Regionen bestmöglich voranzutreiben. Ein kontinuierlicher, flächendeckender Ausbau ist für den Wirtschaftsstandort Österreich eine Investition in die Zukunft: Nur mit einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur kann es eine Chancengleichheit in allen Regionen geben“, so Preiss.