IT-Kolloquium des OVE : 5G in der Industrie: Ein großer Sprung, aber kein Muss
Eines ist sicher: 5G wird sich in der Industrie durchsetzen. Das bestätigten die Experten, die in ihren Vorträgen mit Praxisbeispielen die Vorteile des Kommunikationsnetzes der fünften Generation vorstellten. Die hohe Zuverlässigkeit, die niedrige Latenz und deutlich höhere Energieeffizienz eröffnen neue Möglichkeiten, die auch in der Industrie zu einem Entwicklungssprung führen werden.
Es gehe nicht mehr um den Medienkonsum, sondern um das Vordringen in neue drahtlose Märkte, kommentierte einführend Christoph Mecklenbräuker von der TU Wien, der durch die Veranstaltung führte. "Im Grunde sehen wir eine Technologie, die die Kooperation in unserer Gesellschaft fördert."
Autarke Zugverbindungen
Thomas Zemen vom Austrian Institute of Technology präsentierte zahlreiche Forschungsprojekte, mit denen der neue Funkstandard in der Praxis erprobt wird. Insbesondere Digitale Zwillinge spielen dabei eine große Rolle. So führt die hohe Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit von 5G dazu, dass kabellose Anbindungen jetzt auch in hochsensiblen Bereichen eingesetzt werden können. Etwa bei Robotern, im Straßenverkehr oder in der Zugtechnik. So wird aktuell in Kooperation mit der ÖBB ein Pilotprojekt durchgeführt, bei dem eine Nebenbahn vollkommen entkoppelt gesteuert wird. "Die ganze Sicherheitstechnik wird remote ausgeführt. Es gibt keine Lichtsignale, nur Züge, Weichen und Bahnübergänge. Das ist ein großer Hoffnungsmarkt für die Bahnindustrie," so Zemen.
Sicherheit im Straßenverkehr
Laut Ivona Brandic von der TU Wien ist die Latenz für viele Anwendungen, die derzeit in Pilotprojekten getestet werden, zu hoch. "Viele Methoden, die wir aus der Informatik kennen, funktionieren hier einfach nicht. Die Herangehensweise ist nicht mehr reaktiv sondern proaktiv." Als konkretes Beispiel, wo durch 5G nicht nur ein technologischer Sprung gelingen würde, sondern potenziell auch Menschenleben gerettet werden könnten, nannte Brandic ein Projekt aus Wien. Mit einem intelligenten Ampelsystem, das den Verkehr aus der Vogelperspektive überwacht, könnte so zum Beispiel in Echtzeit dem Fahrer angezeigt werden, ob ihn beim Abbiegen Hindernisse erwarten. Aber auch in hochsensiblen Bereichen wie der Medizin würden laut Brandic neue Möglichkeiten entstehen – wie etwa in Spitälern, wo Gesichtserkennungssysteme Türen in Echtzeit automatisch steuern könnten.
Campuslösungen
Alexander Wachlowski von A1 gab einen Überblick über den Stand des Ausbaus des 5G-Netzwerkes in Österreich. Aktuell gibt es eine Abdeckung von 68 Prozent. Doch die Zukunft werde eine Kombination aus dem vorhandenen 4G-Netz und 5G sein. In der Industrie hingegen werden immer mehr Campuslösungen zum Einsatz kommen. "Private Netze sind die Lebensversicherung, wenn das öffentliches Netz ausgelastet ist", so Wachlowski.
Aus diesem Grund fordert Andreas Luftensteiner von Kapsch BusinessCom ein eigenes Frequenzspektrum für die Industrie, wie es zum Beispiel in Deutschland der Fall ist. "Der Boom von 5G geht erst dann los, wenn die Industrie in Europa eine eigene Frequenz bekommt." Insofern sei es verständlich, dass die Skepsis in der Industrie noch hoch sei. Doch die Richtung stehe fest: "WIFI ist unserer Meinung nach nicht für die Industrie geeignet. 5G bietet hier die notwendige maximale Flexibilität", so Luftensteiner.
Soziologische Perspektive
Eine interdisziplinäre Betrachtung der Digitalisierung mahnte Herwig Klima von den Verbund Services ein. Genauso wie nicht jeder technologische Fortschritt nur positive Auswirkungen auf die Gesellschaft habe, muss 5G nicht für jeden Anwendungsfall die richtige oder notwendige Lösung sein. "Alles was nicht da ist, kann nicht kaputt gehen – keep it small and simple", so Klima. Auch wenn der technologische Fortschritt verlockend sei, müsse man vermeiden, sich in Abhängigkeiten zu begeben. "5G wird in der Wirtschaft Einzug halten. Wichtig ist aber, dass für uns die autarke Telekom-Infrastruktur vorhanden bleibt." Es sei auch wichtig, in der Gesamtbetrachtung auch die Sozialwissenschaften einzubeziehen.