Künstliche Intelligenz : Embedded-KI: Der Wegbereiter der Dezentralisierung
Derzeit gibt es ein Nebeneinander von Edge und Cloudlösungen. Die großen Hyperscaler sind mit eigenen Services in das Segment der Industrie eingestiegen. Sie sagen, dass Embedded- KI hier klar das größere Potenzial hat. Was wird sich schlussendlich durchsetzen?
Viacheslav Gromov: Es wird eine Mischlösung aus allen Welten geben, verteilt je nach Anwendungsfall. Wir beobachten eine zunehmende Dezentralisierung. Gerade auch wegen der aktuellen politischen Umstände will man nicht nur auf die Cloud setzen, sondern eine dezentrale Denkweise verfolgen. Das macht uns die Natur auch vor und zudem ist es ressourcenschonend. Embedded-KI ist noch ein vergleichsweise junges Feld, das vollkommen lokal arbeitet und echtzeitfähig ist – es braucht also keinerlei Netzwerkanbindung. Das ist die Voraussetzung für viele Produktionsmaschinen, denn die Echtzeitfähigkeit kann bei der Cloud nicht gewährleistet werden. Die Verbindung kann jederzeit abbrechen, die Kosten sind enorm und die Analysefähigkeit ist klar eingeschränkt.
Ein Faktor, der jedenfalls für Embedded- KI spricht, ist die verringerte Datenmenge und eine größere Systemsicherheit. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage nach dem Energieverbrauch. Steigt mit Embedded-Lösungen der Verbrauch nicht enorm?
Gromov: Es ist sogar umgekehrt, weil man keine Energie für die Übertragung von großen Datenmengen an die Cloud benötigt. Man erspart sich auch die großen Server, die im Background laufen, man integriert die KI auf Low-Power-Chips. Die Ressourcenbeschränkung, mit der Embedded-KI auskommen muss, führt immer zur Konsequenz, dass die Systeme sehr stromsparend sind.
Man ist vollkommen unabhängig von externen Quellen, die gerne in anderen Ländern liegen. Zudem ist man von Lieferkettenproblemen nicht so stark betroffen.
Resiliente Produktion vor allem für kritische Infrastrukturen wird nicht nur durch den Ukrainekrieg zu einem immer wichtigeren Thema. Wie ausfallsicher sind Embedded-Lösungen?
Gromov: Die Funktion ist alleine dadurch gewährleistet, dass die Platine versorgt ist, und hängt nur von den lokalen Sensoren ab. Man ist also vollkommen unabhängig von externen Quellen, die gerne in anderen Ländern liegen. Zudem ist man von Lieferkettenproblemen nicht so stark betroffen, weil man Embedded-KI relativ einfach auf den Chips diverser Hersteller integrieren kann.
Deswegen werben wir für individuelle Lösungen, die mittlerweile auch nicht mehr sehr aufwendig sind.
Der Klassiker der KI in der Industrie ist Predictive Maintenance. Nun sagen Sie, dass die meisten Unternehmen von den Möglichkeiten überrascht sind. Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es noch?
Gromov: Die meisten Use-Cases sehen wir im Bereich der menschlichen Interaktion mit Maschinen – beispielsweise die Gesichts- oder Gestenerkennung, im Safety-Bereich oder bei der Funktionsoptimierung. Das sind alles Felder, die jetzt neu aufkommen, durch die steigenden Ressourcen an der Netzwerkkante oder im lokalen System.
Sie empfehlen Unternehmen individuelle Systemanfertigungen. Aber sind nicht gerade diese hochskalierten normierten Produkte eine Möglichkeit für Klein- und Mittelbetriebe, um kostengünstig in KI einzusteigen?
Gromov: Es gibt beide Wege. Jedoch sind die allgemeinen Lösungen reine Entwicklerwerkzeuge – man kann also wie mit einem Legobaukasten ohne Expertise ein System zusammenstellen. Wir erleben aber, dass solche Systeme bei den Unternehmen meistens nicht aufgehen, weil schon kleine Veränderungen an der Maschine oder den Spezifizierungen das System zum Erliegen bringen können. Deswegen werben wir für individuelle Lösungen, die mittlerweile auch nicht mehr sehr aufwendig sind.
Besonders bei KI sehen wir, dass sehr unausgeglichen vorgegangen wird.
Der Halbleitermarkt ist seit längerer Zeit ausgetrocknet. Wird man der hohen Nachfrage überhaupt nachkommen können?
Gromov: Es gibt derzeit unterschiedliche Prognosen zur Entwicklung des Halbleitermarktes. Daher fällt es selbst Fachleuten schwer, die Lage einzuschätzen. Der Produktzyklus eines typischen Maschinenbauers liegt zwischen drei und sieben Jahren. Im Vergleich dazu sind wir deutlich flexibler. Wir können unsere Prototypen innerhalb von sechs Monaten herstellen und bei der Produktion zwischen verschiedenen Herstellern hin und her springen, wenn es notwendig ist. Insofern ist die Versorgung gewährleistet.
Vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission den Entwurf für den AI-Act vorgestellt, der auch für die Industrie sehr wichtig ist. Wie stehen Sie zum Entwurf und sehen Sie die Gefahr, dass sich Europa mit Überregulierung einen Wettbewerbsnachteil einbrockt?
Gromov: Ich sitze in diversen Gremien und kenne auch die Entwürfe. Entscheidend ist, dass sich die Waagschalen im Gleichgewicht halten. Besonders bei KI sehen wir, dass sehr unausgeglichen vorgegangen wird. Zum Beispiel beim Thema Datenaustausch – das wird überreguliert. Da gibt es zu viele Hürden. Es gibt zum Beispiel Einschränkungen bei der Auswertung der Körpergröße von Personen. Und im Bereich der Zertifizierungen fehlen noch strukturelle Vorgaben. Das führt dazu, dass sich die technischen Möglichkeiten, die wir bereits haben, nicht entfalten können.