KI als wertvolle Unterstützung : Automatisierte Entscheidungen in der Politik – mehr Macht für KI?

Helmut Küchenhoff

Der deutsche Statistiker Helmut Küchenhoff setzt sich für den Einsatz von KI bei politischen Entscheidungsfindungen ein.

- © LMU

Die Coronapandemie zeigt eindrucksvoll, welchen Stellenwert statistische Modelle in der Entscheidungsfindung der Politik haben. Tagesaktuell werden von Statistikern Datenberge analysiert, um den Verlauf der Pandemie vorherzusagen und damit der Politik eine möglichst gute Entscheidungsgrundlage zu geben.

Doch der Einsatz von Technologie in der Politik ist nicht Neues. Schon im antiken Griechenland, der Wiege der Demokratie, wurden wichtige Ämter mit dem "Kleroterion" unter den Bürgern verlost. Oskar Morgenstern und John von Neumann haben mit der Spieltheorie die Basis für mathematisch berechnete Strategien in der internationalen Diplomatie geschaffen. Durch den stetig steigenden Digitalisierungsgrad in der Gesellschaft werden auch die Möglichkeiten für den Einsatz von KI in der politischen Entscheidungsfindung immer größer. Diese neuen Möglichkeiten diskutierte der deutsche Statistikprofessor in einer KI-Lecture der Ludwig-Maximilians-Universität München.

KI beliebter als Politiker

KI als Grundlage für automatisierte politische Entscheidungen: Utopie oder Dystopie? Laut einer Studie von European Tech Insides befürworten 51 Prozent der EU-Bürger den Austausch von Parlamentariern – also gewählten Volksvertretern – mit einer KI, die auf der Grundlage von Daten ihre Interessen durchsetzt und optimiert. Unter den jungen Befragten (29-34 Jahre) sind es sogar 60 Prozent.

Datengestützte politische Entscheidungen werden in der Theorie also sehr gut angenommen – doch laut dem Statistikprofessor wird es nicht dazu kommen. Die Unsicherheiten von statistischen Berechnungen im Bereich der Politik seien viel zu groß, die Zielkriterien zu unklar.

Laut einer Studie von European Tech Insides befürwortet die Mehrheit der jungen EU-Bürger den Austausch von Parlamentariern mit einer KI, die datengestützt Entscheidungen trifft.

- © European Tech Insides

KI-gestützte Politikprojekte

Die KI wird bereits bei vielen Entscheidungen in der Politik eingesetzt. Neben dem prominenten aktuellen Beispiel der statistischen Modellierungen der Ausbreitung von Corona, nennt Küchenhoff das Beispiel des "Wahlomat", einer KI-Applikation, mit der man die eigenen politischen Präferenzen mit den Wahlprogrammen der Parteien abgleichen kann. Die unüberschaubare Menge an Parteiprogrammen – aber auch Parteien – würde die korrekte Wahlentscheidung erheblich erschweren. Da kann eine KI eine entscheidende Hilfe sein.

Sie würden dem Algorithmus nicht die Wahlentscheidung überlassen, aber die KI kann hier eine nützliche Hilfe sein, um sich zu informieren.
Helmut Küchenhoff

Rein aus technologischer Sicht wäre ein automatisiertes System der politischen Entscheidungen durch eine KI eine Möglichkeit. Doch der entscheidende Punkt sei die Umsetzung der Entscheidungen, so Küchenhoff. Der Statistiker räumt auch mit einigen Irrtümern im Zusammenhang mit datengestützten Analysen auf, die vor allem durch die Pandemiebekämpfung zum großen Thema wurden. "Einerseits gibt es den Irrtum, dass es nicht genügend Daten gibt. Das stimmt nicht. Es gibt genügend Daten, man muss sie nur richtig auswerten. Und zweitens wird immer davon gesprochen, dass die Politik auf die Wissenschaft hört. Aber in der Wissenschaft gibt es keine einheitliche Meinung, es gibt durchaus unterschiedliche Haltungen", so der Statistiker.

Dementsprechend spricht sich Küchenhoff dafür aus, dass KI in der Politik zunehmend als zusätzliches beratendes Instrument eingesetzt werden sollte, um möglichst evidenzbasierte Entscheidungen treffen zu können. Diese Entscheidungen werden aber nach wie vor von gewählten Repräsentanten getroffen – zu groß sei die Unsicherheit mit KI-Systemen und die Akzeptanz für "Blackbox-Algorithmen", die Entscheidungen schwer oder gar nicht nachvollziehbar machen, würde in einer Demokratie auf wenig Akzeptanz stoßen.