one cable automation : "SPE wird sich durchsetzen"

„Für die Definition eines Standards ist mehr nötig als die Einigung auf ein Steckgesicht.“

„In den vernetzten Maschinen für Industrie 4.0-Anwendungen wird der Bedarf an Sensorik stark steigen.“

Dieter Sandula, Produktmanager bei binder
© binder

Single Pair Ethernet (SPE) ermöglicht rasante Datenübertragung bei geringem Installationsaufwand und bietet im industriellen Umfeld zahlreiche Einsatzmöglichkeiten. Ein besonders großer Vorteil ist es, mehrere Funktionen in ein Kabel packen zu können: Die "one cable automation", die für Energieverorgung und Datenübertragung bis zum kleinsten Sensor nur mehr einen Minimalaufwand an Verkabelung treiben muss, wird damit möglich.

Steckverbinder-Spezialist binder sieht in SPE eine große Zukunft. Das Unternehmen hat sich aber - im Gegensatz zu den meisten Unternmen aus dem Feld der industriellen Kommunikation - noch keiner der beiden großen konkurrierenden Lobby-Organisationen für Single Pair Ethernet angeschlossen, also weder der SPE System Alliance noch dem SPE Industrial Partner Network.

Im Gespräch mit AUTlook erläutert SPE-Experte Dieter Sandula, seit 2014 als Produktmanager bei binder tätig, welche Verunsicherungen er am Markt ortet, warum ein neues Steckgesicht technisch gar nicht zwingend notwendig wäre – aber warum die damit verbundene Miniaturisierung trotzdem einen Riesenvorteil verspricht.

SPE wird gerne als das „missing link“ für Industrie 4.0 beschrieben. Haben Sie auch so hohe Erwartungen an diese Technologie?

Dieter Sandula: Mittel- bis langfristig sieht binder die Anwendung Single Pair Ethernet als die beste Lösung an, mit der an bestimmten Stellen Daten kostengünstig übertragen werden können. Es ist für uns die fehlende Komponente, die Industrial Ethernet wirklich voranbringen wird, denn die Stärke der Technologie ermöglicht eine große Kostenersparnis. Derzeit müssen wir uns der Herausforderung stellen, dass unterschiedliche Steckgesichter für diese Entwicklung im Umlauf sind. Das wird die Umsetzung nicht einfacher machen. Aber grundsätzlich bin ich persönlich der Meinung: Ja, SPE wird sich durchsetzen.

Sie sprechen „bestimmte Stellen“ im Produktionsprozess an. Welche meinen Sie konkret? Welche Branchen werden besonders profitieren?

Sandula: Ich sehe große Vorteile im Bereich der Sensorik. Das ist nicht branchenspezifisch eingeschränkt, denn in den vernetzten Maschinen für Industrie 4.0-Anwendungen wird der Bedarf an Sensorik generell stark steigen. Diese Sensoren müssen verkabelt werden und in Echtzeit Daten liefern. Eng damit verbunden ist der Trend in Richtung Energieeffizienz. Da sind die Sensor- und Gerätehersteller gefordert, kleinere und effizientere Module anzubieten. Dies wird ein weiteres großes Eintrittstor für SPE. Wir bei binder werden schon seit längerer Zeit mit der Miniaturisierung konfrontiert und haben vermehrte Anforderungen von Kunden für kleinere, effizientere Steckverbinder.

Neutralität bei SPE vs. SPE

binder ist Spezialist für den Bereich Steckverbindung. Warum sind Sie nicht einer der beiden Interessensgruppen beigetreten, die sich gebildet haben – also dem SPE Partner Network oder der SPE System Alliance?

Sandula: Wir haben mit vielen gesprochen – vor allem mit Kunden. Diese sind gemeinsam mit den Anwendern die für uns relevanten Stakeholder und derzeit etwas verunsichert. Es handelt sich hierbei um ein sehr komplexes Thema, das von möglichst vielen Seiten zu evaluieren ist. Es muss eine solide technische Basis und eine Referenz für die Datenübertragung geschaffen werden. Für die Definition eines Standards ist mehr nötig als die Einigung auf ein Steckgesicht, was auch mit den internationalen Gremien, wie IEEE und TIA geschieht. Sobald die entsprechenden Normen vollständig verabschiedet sind, werden wir die Sachlage neu bewerten.

Welches der aktuell am Markt diskutierten Steckgesichter sollte stärker im Mittelpunkt stehen?

Sandula: Für die Anforderungen der Sensorik wäre der Standard M8 vom Formfaktor und der Leistungsfähigkeit her ideal. Es sind jedoch noch einige Details zu prüfen, zum Beispiel welche Wandstärken benötigt werden, wie sich die Kontakte zu den Gewinderingen verhalten oder wie die genaue Positionierung der Kontakte definiert ist. Lassen wir uns überraschen, welche Steckgesicht-Entwürfe bei den Normen -5 bzw. -6 schlussendlich vorgesehen sind.

Sie haben die beiden Steckgesichter -5 und -6 angesprochen, die ja nicht kompatibel sind und letztlich die Trennlinie zwischen dem SPE Industrial Partner Network und der SPE System Alliance markieren. Mittlerweile wurde -7 als Entwurf nachgereicht. Ist dieser sogenannte „-7“ besser? Welcher wird sich durchsetzen?

Sandula: Welcher Standard technologisch zu bevorzugen ist, können wir nicht abschließend beurteilen. Wir vertreten jedoch die Meinung, dass -7 aus technischer Sicht vermutlich am sinnvollsten ist. Einer der Vorteile betrifft das Thema „Power over Dataline“. Die mit SPE transportierbare Leistung reicht für die Sensorik, aber einer Ersparnis auf der Verkabelungsseite steht bei den anderen Entwürfen eine aufwändigere Hardware gegenüber, da die Daten auf- und demoduliert werden müssen. Bisher hat sich das bereits existierende „Power over Ethernet“ noch nicht so durchgesetzt, wie es im Vorfeld erwartet wurde. Es werden nach wie vor getrennte Leitungen stärker eingebaut, weil der Aufwand recht hoch ist. Bei EtherCAT ist es einfacher möglich, denn hier können die Spannungsniveaus getrennt bearbeitet werden. -7 bietet hier einen sinnvollen Kompromiss, da bei Bedarf auch entsprechende Powerleitungen platziert werden können.

Enorme Bauraumeinsparung

Der Konflikt hat sich am Steckgesicht entzündet. Braucht es überhaupt neue Steckgesichter, lässt sich SPE nicht mit bestehenden Lösungen realisieren?

Sandula: Man kann in der Regel auf einen Standard zurückgreifen und diesen adaptieren. Es geht jedoch auch darum, Platz einzusparen. Ein SPE-Stecker mit den neuen Steckgesichtern wird enorme Bauraumeinsparung mit sich bringen, da die Stecker deutlich kleiner werden. Ein weiteres spannendes Themenfeld könnte Hotplugging, also das Trennen der Steckverbindung unter Spannung, werden.

Warum halten Sie das für wichtig?

Sandula: Die meisten Anwender haben schon einmal einen Steckverbinder unter Last getrennt oder gesteckt. Wir entwickeln nicht gezielt in diese Richtung, sind jedoch aufmerksam, wie wir die Fehlerpotenziale in den einzelnen Anwendungsmärkten abfangen können.

Wie weit ist binder bei der SPE-Entwicklung?

Sandula: Aus den bereits genannten Gründen haben wir noch keine verkaufsfähigen Produkte, da wir uns in diesem Prozess in einer abwartenden Position befinden. Natürlich haben wir Entwicklungen gestartet und können mit unserem Fachwissen, als einer der Markführer im Bereich der Rundsteckverbinder, bereits auf bestehende Technologien zurückgreifen, um möglichst zeitnah zur Serienreife zu gelangen.

Serienreife in ein bis zwei Jahren

Wann wird es genug marktfähige Produkte für SPE geben, dass der Einsatz tatsächlich Fahrt aufnimmt?

Sandula: Wir gehen davon aus, dass es in ein bis zwei Jahren Serienanwendungen geben kann. Allerdings müssen die Anwendungen am Markt auch vorhanden sein. Zielführend wäre ein harmonisierter globaler Standard, der von den Systemherstellern gemeinsam mit den Anwendern entwickelt wird.

Anfangs haben Sie gemeint, dass sich SPE bestimmt durchsetzen wird. Können Sie zum Abschluss nach all den detaillierten Punkten zusammenfassen, warum Sie das glauben?

Sandula: Wenn wir von „one cable automation“ sprechen, dann ist SPE prädestiniert dafür. Ein Kabel, in das ich mehrere Funktionen hineinpacken kann, ist ein Riesenvorteil.