MMP / Mensch Maschine Produktion : Der Roboter als Motivator in der Produktion

Wenn es einem Sportler an Motivation mangelt, nutzen das beste Training und die teuerste Ausbildung nichts. Dasselbe gilt für die Arbeitswelt: Ein Facharbeiter kann noch so gut ausgebildet und mit den modernsten Arbeitsgeräten umgeben sein – wenn er nicht mehr als das nötigste tut, weil er nicht motiviert ist, werden ein paar Prozent auf die volle Produktivität fehlen.

Das Forschungsprojekt RobPerMot geht dazu einen völlig neuen Ansatz: Wie können Roboter zusätzliche Motivationsanreize geben? Gelingt das, wird die Schnittstelle Mensch/Maschine neu definiert werden. Ein Interview mit den Projektpartnern Manfred Tscheligi (AIT/Austrian Institute of Technology), Christian Wögerer (Profactor) und Markus Skorsch (Sportunion NÖ) über Analogien zur Formel 1, die Motivationsstrategien von Gunnar Prokop, den Menschen im Mittelpunkt und die Abgrenzung zur "social robotic".

Erste industriell vewertbare Projektergebnisse werden am 14. Oktober 2021 auf dem MMP-Symposium vorgestellt werden.

Motivation im Zentrum

Sport, Rehabilitation und industrielle Arbeitsumgebungen – bei RobperMot untersuchen Sie drei doch sehr unterschiedliche Lebenswelten. Was ist die Idee dahinter?

Christian Wögerer: Der Grundgedanke war, dass bei allen drei Domänen die Motivation eine große Rolle spielt. Wir wollen untersuchen, welche Auswirkungen physische Robotersysteme auf die Motivation haben können. Wir starten im Sport, weil dieser Bereich und insbesondere die Sportiunion sofort Interesse am Thema gezeigt hat. In der Rehabilitation gibt es manchmal noch die Befürchtung, dass man Therapeuten durch Roboter ersetzt werden soll – was definitiv nicht das Ziel ist –, und in der industriellen Produktion wird die Motivation der Mitarbeitenden derzeit noch nicht als unmittelbar brennendes Problem gesehen.

Außerdem gibt es in der Wirtschaft doch schon existierende Anreizsysteme, von Bonifikationsmodellen bis zu Gamification …

Manfred Tscheligi: Ja, allerdings sind diese Tools noch sehr traditionell. Der Einsatz von Robotern für die Motivation wäre weit nach vorne gedacht. Embodiment in Form eines technischen Artefaktes, das ist eine völlig andere, weitergehende Interaktion als bisher bekannt.

Ergebnisoffener Innovationsprozess

Was hat die SportUnion als Sportverband an dem Thema gereizt?

Markus Skorsch: Für uns im ersten Schritt gar nicht so sehr die Motivation, sondern die Innovation des Projekts. Wir sind der größte Sport-Landesverband Österreichs mit über 1.000 Vereinen als Mitgliedern, und haben zuletzt beispielsweise auch viel in Richtung Digitalisierung getan. Bei RobperMot war es so, dass wir in allen Vereinen bei denen wir dazu angefragt haben auf offene, interessierte Ohren gestoßen sind. Uns ist es wichtig, das als ergebnisoffenen Innovationsprozess zu sehen, bei dem wir noch gar nicht wissen was herauskommt, aber wo der Roboter sicher nicht der Konkurrent des Trainers ist.

In welchem Bereich setzen sie mit dem Projekt als erstes an?

Skorsch: In der SportUnion haben wir rund 200 Sportarten auf unterschiedlichsten Leistungsniveaus, das geht vom polysportiven Turnen über Breitensport bis hin zum Spitzensport. In diesen drei Bereichen sind die Anforderungen völlig unterschiedlich, deshalb werden wir da drei Cluster gebildet, in denen wir unterschiedliche Projekte durchführen werden.

Wo denken Sie, dass die Motivation per Roboter die größten Erfolgsaussichten hat?

Skorsch: Eindeutig im Leistungssport. Da geht es ums Ausfeilen der Techniken, ums Herauskitzeln der letzen paar Prozent – da kann ein Roboter als direkter Ansprechpartner und Feedback-Geber sehr wertvoll sein. In den Vereinen des Breitensport geht es viel mehr um die soziale Komponenten, um die Geselligkeit, weniger um die Leistungsmotivation.

Prozesse entwickeln und in der industriellen Produktion ausrollen

Das erinnert mich an die Formel 1, wo die Autoindustrie unter höchsten Belastungen Technologien erprobt, die dann später in PKWs eingesetzt werden. Ist das so ähnlich gedacht?

Tscheligi: Ja! Es geht darum, Prozesse für einzelne Anwendungsfälle zu entwickeln und dann in anderen Bereichen auszurollen, etwa der industriellen Produktion. Zentral ist dabei die physische Intervention eines humanoiden Roboters, der ganz real und aktiv im Raum ist. Wir schauen uns an, welche Auswirkungen so ein Ansatz haben kann.

Speziell im asiatischen Raum sind Assistenzroboter in der Gastronomie oder im Handel schon sehr weit verbreitet. Haben Sie sich da Anregungen geholt?

Tscheligi: Bei der social robotic in Asien geht es stark darum, Menschen durch Roboter zu ersetzen – sei es an der Hotelrezeption oder bei der Verkaufsberatung im Einkaufszentrum. Bei RobperMot wollen wir hingegen wissen, wie sich die zusätzliche phyische Präsenz eines Roboters auf die Motivation des Menschen auswirkt. In diesem Projekt geht es um Persuasion, um Behaviour-Change. Mit diesem auf Verhaltenspsychologie basiertenn Nudging-Ansatz haben wir meines Wissens nach ein Alleinstellungsmerkmal.

Es geht also nicht darum, eine menschliche Arbeitskraft zu ersetzen, sondern ihr etwas hinzuzufügen?

Tscheligi: Ja, genau. Das autonome Fahren ist hier ein gutes Beispiel: Da bin ich zwar selbst kein Pilot mehr wie früher, aber ich fahre dennoch wohin. Ich werde nicht ersetzt, nur meine Rolle im Auto ändert sich. Das Auto fährt ja nicht ohne mich von A nach B.

Müssen Industrieroboter funktional aussehen?

Was für ein Roboter kommt in dem Projekt zum Einsatz?

Wögerer: Wir verwenden einen handelsüblichen, kommerziell verfügbaren Roboter. Im ersten Schritt stellt uns das Museum für Arbeitswelt in Steyr ihren „Pepper“ zur Verfügung. Aber es geht uns nicht um die Hardware, sondern darum, diesen Roboter mit sozialen Kompetenzen auszustatten und daraus Rückschlüsse zu ziehen, wie man solche Roboter etwa auch für den Einsatz in der industriellen Produktion designen kann.

Tscheligi: Roboter im Industrieeinsatz sind in der Regel nicht humanoid, während humanoide Roboter derzeit für andere Bereiche eingesetzt werden. Aber ist das eine Trennung, die unbedingt aufrecht bleiben muss? Müssen Industrieroboter so funktional aussehen wie sie es derzeit tun, oder kann man die mit anderen Elementen anreichern, um mehr Effekte und Synergien zu erzielen?

Wie wird das Projekt mit der SportUnion konkret ablaufen?

Wögerer: Wir beginnen mit drei Workshops in den drei Clustern, die Herr Skorsch schon angesprochen hat – also Leistungs-, Breiten- und Gesundheitssport. Dabei erfassen wir die jeweiligen Anforderungen und programmieren die IT-Systeme so, dass wir den Roboter und die Peripherie, also die Bediengeräte, verbinden und mit entsprechenden Funktionen ausstatten können. Es geht ja wie gesagt nicht um die Roboter-Hardware, sondern um die Entwicklung von reproduzierbaren IKT-Systemen.

Keine Angst, ersetzt zu werden

Was erhofft sich die SportUnion von dem Projekt?

Skorsch: Wir haben abgesehen von den Corona-Einschränkungen zwei Engstellen im täglichen Betrieb. Das ist zum einen die Verfügbarkeit von Sportstätten, die nur mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgebaut werden können. Zum anderen sind es die zur Verfügung stehenden Trainer. Wir bieten zwar mehr als 50 Aus- und Fortbildungskurse im Jahr an, um hier mehr qualifizierte Trainer und damit mehr Sportangebote bieten zu können. Es ist aber trotzdem zu wenig. Unsere Trainer haben keine Angst, ersetzt zu werden, aber es gibt eben oft Situation und Gruppengrößen wo fachliche Anleitung wirklich schwierig wird. Hier kann technische Unterstützung wirklich hilfreich sein. Ganz wichtig ist es uns auch, darum auch die Workshops zu Beginn, dass der einzelne Trainer dass auch wollen muss. Er oder sie entscheiden, ob sie mit einem Roboter arbeiten wollen. Wir konnten auch den Motivator im Trainingsbereich schlechthin als Unterstützer gewinnen: Gunnar Prokop wird das Projekt begleiten.

Welche Rolle wird Gunnar Prokop, dem legendären Handballtrainer, zukommen? Wird auch die sehr direkte Ansprache der Sportler, für die er bekannt ist, in die Motivationsstrategie des Roboters einfließen?

Skorsch: Seine jahrzehntelange Erfahrung im Spitzensport ist für uns sehr wertvoll. Da sie seinen Motivationsstil ansprechen: Der Umgangston im Spitzensport hat sich in den letzten Jahrzehnten sicher gewandelt, er ist aber immer noch rauer als in anderen Bereichen. Es geht sicher nicht darum, seinen persönlichen Stil auf den Roboter zu übertragen, sondern Wege zu finden wie Roboter und Trainer gemeinsam als Team auftreten und einander ergänzen können. Und glauben Sie mir: Auch im Gesundheitssport geht es nicht nur darum, dass der Trainer alles möglichst sanft und vorsichtig vorbringt. Gerade hier brauchten die Leute oft eine klare Ansprache.

Tscheligi: Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf externe Einflüsse. Genau das wird von uns methodisch erhoben. Es geht darum, ein künstliches Artefakt wie einen Roboter so einzusetzen, dass er in der Synergie mit dem menschlichen Trainer zusätzliche Elemente in die Interaktion einbringt.

Weiterführende Anwendungsszenarien schaffen

Wie wird die wissenschaftliche Begleitung des Projekts ablaufen?

Wögerer: Es werden voraussichtlich zwei Masterarbeiten vergeben. Die eine wird aus dem Bereich Elektrotechnik sein, die andere auf der Sportwissenschaft. Dafür gibt es viel Interesse. Wir sind mit dem Projekt generell auf allen Ebenen auf wesentlich mehr Zustimmung gestoßen, als ich es am Anfang für möglich gehalten hätte. So habe ich zum Beispiel schon viele Forschungsprojekte eingereicht, aber dass es – wie bei diesem – in der Evaluierung außer dem Ausbessern von zwei Rechtschreibfehlern keinen einzigen Einwand gab, das habe ich noch nie erlebt.

Wann sind erste Ergebnisse zu erwarten?

Tscheligi: Wir werden erste Ergebnisse im Rahmen des MMP-Symposiums am 14. Oktober 2021 präsentieren. Entsprechend dem Thema „Mensch-Maschine-Produktion“ werden wir insbesondere jene Erkenntnisse aus der robotergestützten Motivation vorzeigen, die sich in die industrielle Produktion übertragen lassen. Unser Ziel ist, Showcases für weiterführende Anwendungsprozesse in der Industrie zu schaffen.