Technologie-Trend : Wie Radarsensoren die Effizienz in Produktion und Automatisierung steigern

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© Fraunhofer IAF

Sensoren sind die Basis für die Automatisierung von Produktionsprozessen. Bislang spielen radarbasierte Sensoren eine untergeordnete Rolle in der Industrie: Bis jetzt. Auf der Hannover Messe 2019 präsentiert das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF) neue Radartechnologien für industrielle Anwendungen.

Vorteile von Radar

Die Vorteile von Radar liegen an sich auf der Hand: Im Vergleich zu optischen Sensoren sind Radarsysteme unempfindlich gegenüber schlechten Sichtverhältnissen und im Gegensatz zur Röntgenstrahlung sind sie gesundheitlich unbedenklich. Das IAF entwickelte kompakte und hochauflösende Radarsysteme, die im Frequenzbereich der Millimeterwellen arbeiten. Sie durchdringen viele nicht-metallische Materialien wie Kunststoff, Pappe, Holz, Textilien oder auch Staub, Rauch und Nebel. Sie sind in der Lage, Abstände, Distanzen und Geschwindigkeiten präzise zu messen, auch wenn die Objekte optisch schwer erkennbar oder gar verdeckt sind. Forscher des Fraunhofer IAF nutzen diese Eigenschaften von Millimeterwellen, um hochauflösende Radarmodule für den Einsatz in der Industriesensorik zu entwickeln.

W-Band-Radar

Auf der diesjährigen Hannover Messe präsentieren die Fraunhofer-Forscher ein kompaktes W-Band-Radar (75-110 GHz), das verpackte Güter berührungslos auf Inhalt und Vollständigkeit prüft. So können fehlerhafte Warenlieferungen noch vor dem Versand aussortiert werden, um Rückläufe zu minimieren. Bislang werden zur Präsenzdetektion im Produktionsablauf meist optische Sensoren wie etwa Laser eingesetzt. Der Nachteil ist, dass Laser bei schlechten Sichtverhältnissen versagen und nicht hinter optischen Barrieren messen können. Das W-Band-Radar hingegen liefert hochpräzise Abstandsmessungen bei jeder Sicht und mit einer Genauigkeit im Submillimeter-Bereich. Die neu entwickelte Radartechnologie bietet auch über die Präsenzdetektion hinaus eine breite Anwendungspalette: "Unsere Radarsensorik kann überall eingesetzt werden, wo eine berührungsfreie Materialprüfung oder hochpräzise Abstandsmessungen unter schwierigen Bedingungen wie Hitze oder eingeschränkter Sicht erfordert sind", erklärt Christian Zech, Forscher am Fraunhofer IAF. Derzeit entwickelt das Freiburger Fraunhofer-Institut in mehreren Projekten Adaptionen seiner Radartechnologien an spezifische industrielle Anforderungen.

Mehr Sicherheit in der Mensch-Roboter-Kollaboration

So realisiert das Projektteam um Zech eine Adaption des Radars im Rahmen einer Mensch-Roboter-Kollaboration, die der Personensicherheit dient. Zukünftig sollen Menschen und Roboter in Produktionsumgebungen vermehrt direkt und auf engem Raum interagieren. Dabei müssen die Systeme zu jedem Zeitpunkt die Personensicherheit gewährleisten. Gleichzeitig sorgt eine möglichst unterbrechungsfreie Bewegung des Roboters für das Maximum an Effizienz. Das Forscherteam arbeitet an einer neuen Lösung für die Sicherheit des Menschen mithilfe von kompakten, hochauflösenden Radarsystemen, die die Kollaborationsräume überwachen, dynamische Schutzzonen berechnen und die Geschwindigkeit bzw. Bewegungsrichtung des Roboters situationsabhängig anpassen. So kann der Roboter seine eigenen Bewegungen an die menschlichen Aktionen anpassen, ohne dabei seine Tätigkeit zu unterbrechen, und damit eine sichere und gleichzeitig effiziente Kollaboration garantieren.

"Mit solch einem Radar-Sicherheitssystem können jeweils maximal mögliche Bewegungsgeschwindigkeiten bei minimalem Abstand realisiert werden. Das führt zu einer schnelleren und dadurch effizienteren Zusammenarbeit des

Menschen mit dem Roboter", resümiert Christian Zech, Projektleiter von "RoKoRa".

Energieeinsparung in der Eisen- und Stahlindustrie

Die Stahlindustrie ist eine der energieintensivsten Branchen überhaupt.

Thermoprozessanlagen und Industrieöfen verbrauchen etwa 40 Prozent der gesamten industriell genutzten Energie. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die Stahlbranche die Energieeffizienz der bestehenden Produktionsanlagen steigern und damit den Energieverbrauch deutlich senken. Zu diesem Zweck entwickelt ein multidisziplinäres Konsortium mit Beteiligung des Fraunhofer IAF eine radarbasierte Messtechnologie für Warmwalzwerke: Zusätzlich zu einer robusten und hochauflösenden Erfassung von Abständen und Positionen bei Flachstahl soll die entwickelte Radarsensortechnologie präzise und berührungslos Längen- und Geschwindigkeiten messen.

"In Warmwalzwerken herrschen raue Bedingungen. Sehr hohe Temperaturen, Staub, hohe Luftfeuchtigkeit und Dampf erschweren den Einsatz optischer Messsysteme. Eine hochauflösende Radarsensorik kontrolliert präzise Band- und Prozessgrößen und gewährleistet damit eine Reduzierung des Ausschusses bzw. Erhöhung des Ertrags. Das spart Ressourcen und Energie«, erläutert Benjamin Baumann, Projektleiter von "RAD-Energy" auf Seiten des Fraunhofer IAF.

Langlebigere Windkraftanlagen

Doch die Millimeterwellen-Radartechnologie kann nicht nur Materialabmessungen bestimmen, sondern sogar in das Material eindringen, um beispielsweise Defekte und deren genaue Position zu detektieren. In dem Projekt "InFaRo" entwickelt das Forscherteam eine innovative Prüfmethodik für Rotorblätter von Windkraftanlagen, die Materialdefekte bereits während der Herstellung erkennt. Das trägt nicht nur entscheidend zur Qualitätssteigerung bei, sondern spart auch Produktions- und Betriebskosten.

Die aus Faserverbundstoffen, in Sandwichbauweise und als Hohlkörper ausgeführten Rotorblätter müssen im Betrieb extremen Kräften standhalten. Die Vergrößerung der Rotorblattlängen von 40 m (2006) auf über 80 m (2014) führt zu deutlich höheren Anforderungen an die Herstellung. Risse und Brüche im Flügel verursachen nicht nur erhebliche materielle Schäden und ineffiziente Energieanlagen, sondern gefährden auch Menschenleben. "Wir entwickeln ein innovatives Messsystem basierend auf Radar und Thermographie, um selbst kleinste Materialfehler wie Delaminierungen, Falten oder Lufteinschlüsse bereits während der Produktion zu detektieren. Das sorgt für eine Steigerung der Sicherheit und Effizienz von Windkraftanlagen bei gleichzeitiger Reduktion der Kosten", sagt Dominik Meier, Projektleiter und Forscher am Fraunhofer IAF. Durch eine direkte Materialprüfung wird die Qualität der Rotorblätter wesentlich gesteigert, Windkraftanlagen bleiben länger in Betrieb und Ausfallzeiten aufgrund von Defekten lassen sich auf ein Minimum reduzieren.