Stemmer Imaging : Kreativität ist gefragt

Seit Mai hat Stemmer Imaging auch in Österreich eine eigene Tochtergesellschaft. Die Leitung übernahm mit Robert Heidenbauer ein bekannter Name der heimischen Bildverarbeitungs-Szene. Im Gespräch mit AUTlook erklärt er die Hintergründe für diesen Schritt, warum der stark wachsende Bereich der klassischen „Machine Vision“ für ihn nicht im Zentrum steht und auf welche Qualifikationen er bei den zukünftigen Mitarbeitern seines Teams achtet.

Warum brauchte es eine eigene Tochtergesellschaft für Stemmer Imaging in Österreich?

Robert Heidenbauer: Das war ein logischer Schritt für das Unternehmen. Bisher hat Stemmer Imaging den Vertrieb in Österreich von Deutschland aus betrieben. Da der Name „Stemmer Imaging“ seit Jahrzehnten eine Instanz in der industriellen Bildverarbeitung ist und wir ein Portfolio aufweisen, wie es in dieser Bandbreite sonst niemand hat, kamen dennoch viele Kundenanfragen. Aber irgendwann stößt man mit einer reaktiven Vertriebsstrategie natürlich an Grenzen. Außerdem ist Österreich bisher aus dem Rahmen gefallen, denn Stemmer Imaging hat bereits seit Längerem Tochtergesellschaften in vielen vergleichbaren Ländern wie etwa der Schweiz, den Niederlanden oder Finnland. Im Zuge der Nachfolgeregelung und des Börsengangs, der im Frühjahr 2018 über die Bühne ging, hat man die Strategie entsprechend angepasst und die Tochtergesellschaft gegründet, was letztlich auch der steigenden Nachfrage aus Österreich geschuldet war.

Mit Mai haben Sie die Leitung dieser Tochtergesellschaft in Graz übernommen. Sie waren die Jahre davor bei Cognex tätig, also auch im Bereich Bildverarbeitung: Was hat Sie dazu bewogen, zu Stemmer zu wechseln?

Heidenbauer: Ich habe das Thema industrielle Bildverarbeitung schon in meinen knapp 20 Jahren bei Rockwell Automation kennengelernt. Mein Bewusstsein, welch zunehmend große Bedeutung „Machine Vision“ hat, ist schon in dieser Zeit entstanden. Stemmer Imaging gibt mir mit der Gründung der Tochtergesellschaft die Chance, das Unternehmen auch hierzulande zu einer Institution zu machen. Die Firma hat wirklich eine sensationelle Firmenkultur, flache Strukturen und einen großfamiliären Charakter, wo die Gemeinsamkeit und das Ziehen an einem Strang im Vordergrund stehen.

Welche Umsatzziele verfolgen Sie in Österreich? Wie viele Mitarbeiter sollen es werden?

Heidenbauer: Da erlaube ich mir, ins Nachbarland zu schielen. Die Schweiz, die mit Österreich bezüglich Größe und Industriestruktur sehr vergleichbar ist, hat eine Niederlassung mit fünf Mitarbeitern. So eine Größenordnung strebe ich mittelfristig auch an. Von der Marktbearbeitung her ist es so, dass bestehende Key-Kunden derzeit weiter von den gewohnten Ansprechpartnern aus Deutschland betreut werden, und ich mich auf die "weißen Flecken" am Markt konzentriere.

In welchen Branchen, in welchen Anwendungsbereichen orten Sie diese "weißen Flecken" für die industrielle Bildverarbeitung?

Heidenbauer: Das ist sehr vielfältig, so wie das Portfolio von Stemmer Imaging. Wir bieten kommerzielle Anwendungen wie etwa im Sportbereich Applikationen für

Tennis, Golf oder Technologien für Videoschiedsrichter-Einsatz im Fußball, aber auch High-Tech-Anwendungen wie hyperspektrale Bildverarbeitung, die etwa in der Medizintechnik oder in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommt. Stemmer Imaging unterstützt da die Entwickler und begleitet sie auf dem Weg zum Produkt.

Anders gefragt: Die Branche verzeichnet europaweit zweistellige Wachstumsraten. Woher kommt dieses Marktwachstum?

Heidenbauer: Momentan wächst die klassische Machine Vision zahlenmäßig am stärksten. Aber hier wird sich viel verändern: Die Bildverarbeitung beginnt mit der Automatisierung zusammenzuwachsen, die „Smart Camera“ wird mit der SPS verheiratet. Der Anwender bekommt vom Sensor bis zur Software alles in die Hand, um selbst Projekte zu entwickeln. Für ein Unternehmen wie Stemmer Imaging ist das allerdings nicht so zentral, denn dieses Geschäft wird mittelfristig von den Bildverarbeitern zur Automatisierung wechseln.

Wo ist dann Ihr Ansatz für Wachstumsmärkte? Wo sehen Sie die größten Potenziale in Österreich?

Heidenbauer: Der Ansatz von Stemmer Imaging ist sicherlich oberhalb der Smart Camera, also überall dort, wo große Datenmengen mit hohem Tempo und großer Komplexität zu verarbeiten sind. Das ist etwa der 3D-Bereich bis zur Freiform-Vermessung. Hyperspektrale Bildverarbeitung steckt noch in den Kinderschuhen, wird aber, wie schon erwähnt, sicher in viele Bereiche hineinwachsen, sobald die Investitions-Bereitschaft steigt. In Branchen wie etwa dem Recycling wird Bildverarbeitung eine große Rolle bei der Materialtrennung spielen und in der Landwirtschaft gibt es viele zukünftige Einsatzbereiche. Außerdem ist die Automobil-

Industrie immer ein Treiber von neuen Entwicklungen und in Österreich mit vielen Zulieferbetrieben vertreten.

Bei der großen Bandbreite zwischen kostengünstiger Embedded Vision und High-End-Anwendungen bis zur künstlichen Intelligenz: Heißt das, Sie überlassen die einfacheren Anwendungen anderen Anbietern?

Heidenbauer: Nein, denn was Stemmer Imaging von anderen unterscheidet, ist die Breite des Angebots. Wir bieten für sämtliche Bereiche Hard- und Software aus einer Hand. Wir gelten manchmal als so etwas wie der Amazon für die Bildverarbeitung. Aber speziell bei anspruchsvollen Anwendungen kann man als Anbieter nur Erfolg haben, wenn man durchgängige Software anbieten kann. Bei Stemmer Imaging arbeiten knapp 150 Ingenieure daran, und zwar von der Programmierung bis zur IPC-Konfiguration, das sind rund die Hälfte aller Mitarbeiter des Unternehmens. Das ist die Stärke und das Alleinstellungsmerkmal von Stemmer Imaging: Wenn ein Kunde mit einer kniffligen Frage anruft, dann heben im Innendienst Leute das Telefon ab, die tief im Thema drinnen sind.

Sie sind derzeit noch alleine für Stemmer Imaging in Österreich tätig. Was müssen die zukünftigen Mitarbeiter mitbringen?

Heidenbauer: Kreativität ist ein ganz zentraler Aspekt bei der Bildverarbeitung. Es geht bei uns stark darum, das richtige Bild zu generieren, das alleine macht drei Viertel des Erfolgs eines Projekts aus. Wir suchen Techniker, die auch beraten können und in der Lage sind, mit den Kunden etwa Versuchsaufbauten zu machen oder Machbarkeitsstudien für Kunden zu betreuen, welche Komponenten und Technologien für welche Projekte sinnvoll sind. Für mich wird das in der nächsten Zeit Vorrang haben: ein Team für Stemmer Imaging Österreich aufzubauen.