Blog : Ethernet wird echtzeitfähig - und deutlich schlanker

Die Automatisierungspyramide bröckelt. Früher waren die einzelnen Ebenen vom ERP-System an der Spitze bis hinunter zur Basis, der Feldebene, strikt voneinander getrennt, kommuniziert wurde nur eine Ebene nach oben oder nach unten. In der Smart Factory ist diese Hierarchie nicht mehr zeitgemäß. Alles kommuniziert mit allem, eine Bestellung im Online-Shop löst direkt entsprechende Aktionen in der Maschine aus. Und Sensoren in der Maschine melden direkt ins ERP-System, wenn Produktionsausfälle drohen – Stichwort Vorausschauende Wartung. Das Ziel ist klar: Losgröße eins, jeder Kunde bekommt ein für ihn maßgeschneidertes Produkt, allerdings so kostengünstig hergestellt, wie man es aus der Massenproduktion kennt.

Verbogenes Ethernet

Das hat Konsequenzen für die Kommunikationsnetze in der Fabrik. Als der Automatisierungsboom begann, in den 1980er und 1990er Jahren und sich die Automatisierungspyramide entwickelte, flossen die damals noch spärlichen Daten über Feldbusse. Um ihre eigenen Produkte gegen Konkurrenten abzuschotten, strickten viele Anbieter ihren eigenen Feldbusstandard. Das änderte sich auch in den 2000er Jahren mit Ethernet nicht. Wieder schafften es die Anbieter, Ethernet so zu „verbiegen“, dass es heute ein Dutzend unterschiedliche Varianten gibt, die nicht miteinander kompatibel sind.

Damit soll nun endlich Schluss zu sein. Zum einen haben es die Anwender satt, sich mit Dutzenden Übertragungsstandards herumzuschlagen, denn sie müssen damit einen hohen Aufwand für Netzwerkplanung und -aufbau in Kauf nehmen. Zum anderen haben alle Standards ein gemeinsames Manko: Standard Ethernet ist nicht echtzeitfähig. Deshalb wurden proprietäre Echtzeit-Erweiterungen entwickelt, die spezielle Netzwerkkomponenten erfordern. Dadurch entstehen im Netzwerk „Echtzeit-Inseln“, die die durchgängige und koexistente Übertragung von Echtzeit und nicht Echtzeit-Daten einschränken.Wenn in einer Fabrik also alles mit allem Daten austauscht – von der Online-Bestellseite über das ERP-System und das MES bis zur Maschine und jedem einzelnen Sensor und wieder zurück in die Cloud – braucht es erstens einen einheitlichen Standard, der zweitens Informationen verlässlich auf unter eine Millisekunde genau übermittelt und verarbeitet. Nur so lässt sich das zentrale Versprechen von Industrie 4.0 – Losgröße 1 in Massenfertigung – einlösen.

Anleihe aus Konzerthallen

Noch sind die verschiedenen Feldbus-Standards nicht tot, sie verlieren aber deutlich an Boden gegenüber Ethernet. Das hat sich in der Bürokommunikation seit Jahrzehnten bewährt und da Büro und Produktion nahtlos kommunizieren sollen, liegt es nahe, dass Ethernet auch in Fabriken Einzug hält. Das Manko mangelnder Echtzeitfähigkeit behebt Time Sensitive Network, kurz TSN. Dabei handelt es sich um eine Standardreihe, die auf einem Vorschlag des Ethernet-Gremiums IEEE802.1 basiert. TSN entstammt den Arbeiten der Audio Video Task Group des IEEE und war ursprünglich zur zeitsynchronen Übertragung von Audio Signalen in Konzerthallen gedacht. Durch die Standardisierung ist die Basis vorhanden, dass TSN eine Verbreitung erlangt und von vielen Herstellern unterstützt wird.

Auf die Automatisierung übertragen, brächte TSN viele Vorteile. Alle Teilnehmer eines TSN-Netzwerks sind zeitsynchronisiert, führen also zum exakt richtigen Zeitpunkt die richtige Aktion aus. TSN besitzt Priorisierungsmechanismen, die ermöglichen, dass jede Anwendung ihre Daten rechtzeitig erhält. Informationen, die wichtig sind und keine Verzögerung erlauben, dürfen auf die Überholspur, dafür werden Bandbreite und Zeitfenster reserviert. Sehr hohe Priorität haben zum Beispiel Antriebe, die im Bereich von Mikrosekunden mit aktuellen Daten versorgt werden müssen. TSN wird eine genormte Erweiterung von Standard-Ethernet. Die Kompatibilität der Komponenten verschiedener Hersteller wird derzeit durch Interoperabilitätstests in mehreren weltweiten TSN Testbeds sichergestellt. Noch gibt es TSN nicht in Produkten zu kaufen, aber auf der Messe SPS/IPC/Drives im vergangenen Jahr waren bereits viele Demonstratoren zu sehen.

OPC-UA gibt Daten Bedeutung

TSN sorgt dafür, dass Daten rechtzeitig übertragen werden. Es enthält aber keine Information darüber, wo sie hin sollen und was diese Daten bedeuten. Dafür sorgt ein zweiter Standard: OPC-UA. Dabei handelt es sich um ein offenes Kommunikationsprotokoll zum Datenaustausch von Maschinen zum ERP und der Cloud sowie zwischen Maschinen untereinander. OPC-UA ist mittlerweile in der Kommunikation für Industrie 4.0 als Quasi-Standard akzeptiert. Mit TSN wird OPC-UA nun echtzeitfähig. Das erlaubt einheitliche Datennetze und ungehinderten Informationsfluss von der Basis bis zur Spitze der Automatisierungspyramide – die sich damit ins Nichts auflöst.

Luft nach unten

LAPP unterstützt OPC-UA und TSN und bietet dafür die geeigneten Leitungen an. Die ändern sich erstmal nicht, denn einer Ethernet-Leitung ist es egal, welches Protokoll auf ihr übertragen wird. Wichtig ist eine gute Qualität, zum Beispiel eine perfekte Schirmung, damit die Daten ungestört ankommen. Dennoch sind die neuen Übertragungsstandards für LAPP ein Anlass darüber nachzudenken, ob das breite Angebot an Ethernet-Leitungen wirklich alle Wünsche der Anwender abdeckt. Das Unternehmen ist zu dem Schluss gekommen, dass es noch Luft nach unten gibt. Nach unten? Damit ist gemeint, dass die Anbieter solcher Leitungen bisher nach dem Prinzip „höher, schneller, weiter“ entwickelt haben. Ethernet-Leitungen gibt es heute in Cat.7-Versionen bis 10 Gbit/s und noch schnellere Varianten stehen vor der Tür. Aber ist das immer notwendig? Nein, denn nur wenige Anwendungen, etwa in der digitalen Bildverarbeitung, erzeugen solche riesigen Datenmengen. Häufig tun es auch „langsame“ Cat.5-Leitungen mit 1 Gbit/s.

Downsizing: Abspecken kommt in Mode

Ein Trend, der für LAPP klar erkennbar ist, ist daher das Downsizing. Schnelle Ethernet-Leitungen haben vier Aderpaare. Warum nicht auf drei der Paare verzichten? Zur Datenübertragung reicht ein Aderpaar, das immer noch 1 Gbit/s schafft. Natürlich sind dazu passende Endgeräte mit neuen, bereits verfügbaren, PHY Chips notwendig. Solche Single-Pair Ethernet-Leitungen werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen, vor allem für die Anbindung von Sensoren. Die Leitungen sind dünn, leicht, passen auch in enge Lücken, sie sind robust und können bei 10 Mbit/s sogar Reichweiten von bis zu 1200 m erreichen.. Und natürlich sind sie kostengünstiger, sowohl in der Anschaffung als auch dank der einfacheren Installation, denn der Techniker muss statt acht Adern nur zwei anschließen. LAPP entwickelt derzeit solche Leitungen.

Zeitersparnis

Für Anwender, die doch höchste Übertragungsraten von 10 Gbit/s benötigen – bietet LAPP die ETHERLINE PN CAT.6A Fast Connect an. Die Leitung hat im Inneren ein Kunststoffkreuz, das die vier Aderpaare trennt. Außerdem hat sie einen Innenmantel mit einer gemeinsamen Schirmung darüber, statt wie bisher vier Einzelschirmungen für jedes Aderpaar. Das erleichtert die Verarbeitung erheblich. Der Monteur muss nicht mehr an jedem der vier Aderpaare einen Folienschirm entfernen. Die Zeitersparnis beträgt bis zu 50 Prozent. LAPP liefert dazu ein Werkzeug mit mehreren Messerklingen und justierbarer Eindringtiefe. In nur einem Arbeitsgang bereitet es die Leitung optimal für die Steckerkonfektion vor, das verringert den Zeitaufwand noch einmal zusätzlich und schützt die Adern beim Abmanteln, wobei der Fast-Connect-Innenmantel Schnitte in die Aderisolation beim Schirm-Abschneiden verhindert.

TSN-fähige Switche in Sicht

OPC-UA mit TSN und Single-Pair-Leitungen machen Ethernet fit für die intelligente Fabrik. Eines fehlt aber noch: aktive Komponenten wie Switches, die TSN beherrschen. Denn für die Switches ist es nicht egal, welche Protokolle darüber laufen. Hier braucht es neue, echtzeitfähige Hardware, innerhalb der nächsten zwei Jahre auf den Markt kommen wird, auch von LAPP. Im Moment werden noch die zugehörigen Standards vollendet. Das Unternehmen versteht sich längst nicht mehr allein als Kabelhersteller, sondern als Anbieter von integrierten Verbindungslösungen, wo es Weltmarktführer ist. Wo immer Daten von A nach B fließen sollen, sorgt LAPP für eine verlässliche Verbindung.