Blog : Die neue Wahrheit hinter alten Kalauern

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Sie haben ganz sicher auch einen witzigen Kollegen in der Firma, der lustige Bürosprüche an seine Zimmertüre klebt. Ich vermute stark, dort hängt auch der Satz: "Alle sagten, dass das nicht geht – bis einer kam, der das nicht wusste, und es einfach gemacht hat!" Stimmt’s?

So abgelutscht der Satz auch ist: Er beschreibt das, was "künstliche Intelligenz" ausmacht. Er beschreibt den Unterschied von Datenverarbeitung zu Machine Learning. Denn während in klassischer Software nur das drinnen stecken kann, was die Menschen schon wissen und daher hineingeschrieben haben, soll künstliche Intelligenz selbstständig neue Lösungen finden. In manchen Bereichen klappt das schon perfekt: Beim Schachspielen sind künstliche Intelligenzen wie Alpha Zero oder Leela, die auf Basis neuronaler Netze funktionieren, selbst den stärksten herkömmlichen Schachprogrammen mittlerweile überlegen. Schach ist wie gemacht dafür: Ein abgegrenztes Feld von 64 Feldern, klare Regeln und ein klares Ziel: Den gegnerischen König mattsetzen. Welche neuen Wege die KI-Anwendungen dafür innerhalb dieses hochkomplexen Kosmos finden, auf die der Mensch und die von ihm geschaffenen Softwaren bisher nicht gekommen sind, das versetzt die Schachwelt seit dem Vorjahr in höchste Entzückung. Die künstlichen Intelligenzen wissen nicht, dass das noch nie so probiert wurde, sie tun es einfach – und am Schluss fällt der König.

In weniger klar abgegrenzten Feldern wie etwa der Medizin oder der Industrieproduktion ist das noch nicht so einfach. In der aktuellen Ausgabe von process pur 1/2019 finden Sie einige Beispiele dafür, welche Möglichkeiten es jetzt schon gibt, wo die Grenzen des Einsetzen von KI liegen, und worin Experten die Zukunft von KI-Anwendungen sehen. Machine Learning ist dabei nichts anderes als der Versuch, intelligentes Verhalten zu automatisieren. Und hier liegt die eigentliche Schwäche von KI. Was intelligentes Verhalten ist, daran scheiden sich die Geister.

Ich zum Beispiel hege großes Misstrauen hinsichtlich der Problemlösungsfähigkeit von Menschen, die lustige Bürosprüche an ihre Zimmertüre hängen. Dafür wurden meiner Meinung nach weder Drucker noch Tixostreifen erfunden, und schon gar nicht Aphorismen geprägt. Wer von uns beiden definiert, was intelligentes Verhalten ist: Der Sprüchekleber oder der Spruchverweigerer? "Der Nachteil der Intelligenz besteht darin, dass man ununterbrochen gezwungen ist, dazuzulernen", soll der Schriftsteller George Bernhard Shaw gesagt haben. Ein sehr schöner Satz. Warten Sie einen Moment, ich druck mir das aus und hängs an meine Türe.